Dispensationalisme

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Dispensationalismus oder Heilszeitentheologie (von engl. dispensation = Heilsordnung, Heilsplan) bzw. dispensationalistischer Pr�millennialismus h�ngt eng mit der Br�derbewegung (Plymouth Brethren) um den aus der anglikanischen Kirche ausgetretenen Geistlichen John Nelson Darby (1800-1882) zusammen (>Darbysmus). Die Lehre Darbys im Blick auf die Eschatologie l�sst sich mit folgenden S�tzen zusammenfassen:

Kritik entbrannte vor allem an der strengen Trennung zwischen Israel und der Gemeinde sowie an der Vorentr�ckungslehre. Kritiker warfen Darby und den "Br�dern" vor, sie h�tten die Vorentr�ckungslehre von den >Irvingianern �bernommen. Darby selber hat einen solchen Zusammenhang in seinen Schriften nicht vertreten und sich f�r seine Argumentation nicht � wie ihm unterstellt wurde � auf irvingianische Visionen, sondern auf bestimmte, seiner Lehre entsprechend gedeutete Bibelstellen berufen (z.B. 2. Thess 2,7; Apk 3,10; das "Fehlen" der Gemeinde auf Erden in Apk 4-19 u.a.; wichtig ist f�r ihn auch die "70. Jahrwoche" nach Dan 9,27, die er auf die Grosse Tr�bsalszeit bezieht). Ernest R. Sandeen meint in seinem Standardwerk �ber den Fundamentalismus, dass es wenig historische Evidenz f�r einen Zusammenhang von Irvingianismus und Darbysmus gebe (E. R: Sandeen, The Roots of Fundamentalism. British and American Millenarianism, 1800-1930, 1970, 64f.). Und doch lassen sich Ber�hrungspunkte nicht ganz leugnen. Wie sich die Dinge wohl wirklich verhalten haben, hat Helge Stadelmann in einem Aufsatz res�miert, der 1983 in einer Zeitschrift der deutschen Br�derbewegung erschien:

"In einer �Geistesoffenbarung` empf�ngt die �Charismatikerin` Margaret Macdonald im Fr�hjahr 1830 die Einsicht einer Auswahlentr�ckung einzelner Gl�ubiger (= Vorentr�ckung �besonders erw�hlter, zubereiteter und versiegelter Gotteskinder`; L. G.) vor der antichristlichen Zeit. Im gleichen Jahr ist Darby im Haus jener Frau zu Besuch � und kommt in der Folge zur Vorentr�ckungserkenntnis. Man wird davon ausgehen k�nnen, dass er dort einen ersten Impuls empfangen hat. Doch dann besch�ftigt er sich mit der Schrift. T. Tweedy, ein ehemaliger Pfarrer der schottisch-reformierten Kirche, hilft ihm im Blick auf das Verst�ndnis von Matth. 24, indem er vorschl�gt, dieses Kapitel allein auf die Juden zu beziehen ... Beim Studium von 2. Thess. 2 bricht bei Darby dann die Vorentr�ckungserkenntnis voll durch. Er hat sie seitdem entschieden vertreten und einen Gro�teil der Br�derbewegung damit gepr�gt. Darby vertritt allerdings die Vorentr�ckung der gesamten Leibesgemeinde Jesu � und nicht wie Margaret Macdonald eine Auswahlentr�ckung. Die eigentliche Vorentr�ckungslehre geht also auf J. N. Darby zur�ck" (H. Stadelmann, "Die Entr�ckung � vor oder nach der Tr�bsal? �ber den Ursprung der Vorentr�ckungslehre", in: Die Botschaft, 124. Jhg., Dez. 1983, 6f.).

Darby empfing also von den Irvingianern einen "Impuls", doch die entscheidende Basis seiner Lehre ist sein Studium der Heiligen Schrift. Sicherlich lie�e sich die gro�e �berzeugungskraft, die der Dispensationalisme allgemein f�r weite evangelikale Kreise bis heute besitzt, nicht erkl�ren, wenn er auf blo�en Visionen ohne biblischen Anhaltspunkt beruhte. Allerdings ist gerade der Zeitpunkt der Entr�ckung innerhalb der Evangelikalen umstritten. Ein weiterer Diskussionspunkt ist das Verh�ltnis zwischen Israel und der Gemeinde. Selbst innerhalb der "dispensationalistischen Schule" haben sich hier unterschiedliche Lager gebildet. Es ist der klassische, der modifizierte und der progressive Dispensationalisme Vom Dispensationalisme insgesamt wiederum ist der historische Pr�millennialismus zu unterscheiden.

Zum klassischen Dispensationalisme sind die eschatologischen Modelle Darbys, der Niagara-Bibelkonferenzen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA sowie des Bibelkommentators C. I. Scofield (1843-1921; Scofield-Bibel 1909) zu rechnen, die sich nur in Nuancen unterscheiden. Die Bedeutung der Niagara-Bibelkonferenzen liegt vor allem darin, dass sie den dispensationalistischen Pr�millennialismus �ber die Kreise des Darbysmus und der Br�dergemeinden hinaus in die evangelikale Welt hinein ausbreiteten. Die Scofield-Bibel wurde die Bibel der ">fundamentalistischen" Bewegung und verschaffte dem Dispensationalisme weltweite Beachtung. 1967 erschien "The New Scofield Reference Bible" als revidierte Fassung auf der Grundlage eines modifizierten Dispensationalisme.

Worin liegt im Blick auf die Eschatologie der wesentliche Unterschied zwischen dem klassischen und dem modifizierten Dispensationalisme , wie er seit den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts etwa in den Werken von Charles C. Ryrie und J. Dwight Pentecost begegnet? Der Unterschied bezieht sich auf die Zuordnung von Israel und der (heiden)christlichen Gemeinde. An der Trennung zwischen Israel und der Gemeinde wird zwar festgehalten � diese stellt etwa f�r Ryrie das "Sine Qua Non (entscheidendes Kennzeichen) des Dispensationalisme" dar -, aber diese Trennung wird nicht mehr als so absolut betrachtet, wie dies beim klassischen Dispensationalisme der Fall war.

Der progressive Dispensationalisme , wie er seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts etwa von Robert Saucy, Darrell L. Bock und Kenneth L. Barker vertreten wird, nimmt gegen�ber einer modifizierten Form die Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde noch weiter zur�ck. Er bewegt sich jenseits des "Sine Qua Non" Ryries. Wichtiger als die Unterscheidung oder gar Trennung in Gestalt von Dispensationen ist ihm die Einheit, die durch das Opfer Jesu Christi vollbracht ist. Sein Ansatz m�chte weniger anthropologisch � an dem Zustand der Menschengruppen (Israel und Gemeinde) � als vielmehr christologisch-soteriologisch (an Christus und seinem Heilswerk) orientiert sein.

Neue theologische Erkenntnisse auf exegetischem und historischem Gebiet haben viele Dispensationalisten dazu gef�hrt,

"die transzendentale Unterscheidung zwischen himmlischen und irdischen V�lkern aufzugeben zugunsten einer historischen Unterscheidung in bezug auf die fortschreitende Offenbarung des g�ttlichen Vorsatzes" (C. A. Blaising/Dispensationalisme L. Bock, Dispensationalism, Israel and the Church, 1992, 33).

Diese fortschreitende Offenbarung hat dem progressiven Dispensationalisme den Namen gegeben:

"It is continuity through progress, the progress of promis-sory fulfillment".
"Es ist Kontinuit�t durch Fortschreiten, das Fortschreiten der Erf�llung von Verheissungen" (a.a.O., 381).

Israel und die Gemeinde werden zwar weiterhin als V�lker mit verschiedenen Verhei�ungen und Auftr�gen betrachtet, aber sp�testens in der Ewigkeit ist diese Unterschiedenheit v�llig aufgehoben.

Mit dieser Einschr�nkung des Unterschieds zwischen Israel und der Gemeinde n�hert sich der dispensationalistische Pr�millennialismus neuerdings mehr und mehr einem historischen Pr�millennialismus an, wie er etwa von George E. Ladd vertreten wird. Der historische Pr�millennialismus beansprucht, ohne Ausmalung dispensationalistischer Lehren unmittelbar an die fr�hen Kirchenv�ter anzukn�pfen, die seines Erachtens pr�millennialistisch, aber nicht dispensationalistisch dachten und insbesondere die strenge Trennung zwischen Israel und der Gemeinde noch nicht kannten. Historische Pr�millennialisten lehren, dass die Gemeinde das geistliche Israel ist und dass die Bundesverhei�ungen an Israel auf die Gemeinde �bergegangen sind. Ein Millennium wird zwar erwartet, doch ist dieses nicht auf ein nationales Israel ausgerichtet, sondern auf die Herrschaft der Gemeinde mit Christus. Auch wird die Gemeinde erst nach der Tr�bsal entr�ckt, ist also in der Zeit der Bedr�ngnis noch vorhanden. Mt 24 und andere Stellen werden daher auf die Gemeinde bezogen (Posttribulationismus, Nachentr�ckungslehre). Die Rolle Israels ist damit nicht ausgeschlossen, tritt aber deutlich zur�ck. Eine Dichotomie (Zweiteilung) zwischen Israel und der Gemeinde wird abgelehnt. Das sind die wesentlichen Unterschiede zum dispensationalistischen Pr�millennialismus.

Pr�ft man den exegetischen Befund (z.B. Eph 2,11ff.), so f�llt es in der Tat schwer, Israel und die Gemeinde als ausschlie�liche Gegens�tze zu behandeln. Das wird deshalb heute auch kaum noch getan. Dass trotz der gemeinsamen Zielbestimmung Unterschiede zwischen Israel und der Gemeinde vorhanden sind, wird kaum jemand leugnen, auch nicht die Vertreter eines historischen Pr�millennialismus. Doch trotz dieser Unterschiede die Einheit festzuhalten und die Betonung auf diese Einheit zu legen � dieses Verdienst kommt unbestreitbar dem progressiven Dispensationalisme zu.

Lit.: C. A. Blaising/D. L. Bock, Dispensationalism, Israel and the Church, 1992; L. Gassmann, Was kommen wird, 2002.

Lothar Gassmann


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Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de