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Gregor Dalliard
»Versehen mit den Tröstungen unserer heiligen Religion«
Eine Art, die Leute in der röm.-kath. Kirche festzuhalten, ist der Sakramentalismus. Der römische Katholik lebt von der ihm seit eh und je eingeprägten Meinung, der Mensch könne nur durch den Sakramentenempfang aus der Hand eines Priesters die ewige Seligkeit erlangen. Aus dieser magisch-okkulten Bindung heraus ist für die vorwiegend mittlere und ältere Generation die letzte Ölung, (wenn auch heute Krankensalbung genannt), verbunden mit der Generalabsolution, beim Sterben heilsnotwendig. Nicht minder wichtig ist die Beerdigungszeremonie mit all ihren Absolutions- und Fürbittegebeten, sowie der Ort des Begräbnisses, der Friedhof selbst.
Warum sind römische Katholiken so an die letzte Ölung (Krankensalbung) mit Generalabsolution (beim Sterben), an die finanziellen Messstipendien, an die Ablässe usw. gebunden? Wir lesen bei Todesanzeigen meistens folgendes:
»Versehen mit den heiligen Sterbesakramenten«;
»Versehen mit
den Tröstungen unserer heiligen Kirche«;
»Versehen mit den Tröstungen unserer
heiligen Religion«.
Was ist damit ausgedrückt?
Kommt ein Priester zu einem sterbenden Katholiken, dann handelt er gemäss der Weisung von Rom. Diese besagt: »Die Spendung des Bussakramentes oder das Schuldbekenntnis kann abgeschlossen werden mit dem vollkommenen Ablass in der Sterbestunde, den der Priester (tunlichst nach einer kurzen Erklärung) dem Kranken in folgender Weise vermittelt: Aufgrund der mir vom apostolischen Stuhl (gemeint ist durch den Papst) verliehenen Vollmacht, gewähre ich dir vollkommenen Ablass und Vergebung aller Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«1
Was diese sakramental-magisch-okkulte Praxis noch stärker hervorhebt, sind folgende Mitteilungen in den Todesanzeigen:
»Der Herr über Leben und Tod hat Herr/Frau X infolge eines
plötzlichen Unfalles, versehen mit den Tröstungen unserer heiligen Religion,
zu sich heimgeholt.«
»Herr/Frau X ist nach einem Herzversagen überraschend plötzlich
(oder unerwartet rasch), versehen mit den Tröstungen unserer heiligen Religion,
von uns gegangen.«
Der Priester darf deshalb noch einem bereits Verstorbenen die Krankensalbung mit Generalabsolution des Papstes spenden. Wie oft sagen mir solch irregeleitete Menschen:
»Das schlimmste für mich wäre, ohne Priester sterben zu müssen und damit ohne die sogenannten, Tröstungen der heiligen Religion' in die Ewigkeit gehen zu müssen.«
Der Priester hat ja die Vollmacht, die letzte Ölung mit Generalabsolution zu spenden (d.h. den Losspruch aller Sünden, verliehen durch die Vollmacht des heiligen Stuhles, des Papstes). Diese unchristliche Praxis hilft mit, dass sich viele Katholiken zeitlebens gar nicht die Mühe nehmen, Busse zu tun und ein Leben nach Gottes Absicht zu suchen und zu führen. Der Priester muss kommen und seine Sache machen. Das ist Betrug, Irreführung. Oft sagen Priester:
»Was willst du, das Volk glaubt daran. So haben wenigstens die Angehörigen einen Trost.«
Wer hat sie diesen Irrtum gelehrt?
Ich durfte manchen Menschen zur Versöhnung mit Gott führen, so dass sie frei von diesen magisch-sakramentalen Gefühlen zu Jesus in die Ewigkeit gehen durften. Ich kenne viele, vor allem ältere Menschen, die im Laufe ihres Lebens Angehörige verloren haben, welche man ihnen tot nach Hause brachte und welche ohne die sogenannten »Tröstungen der heiligen Religion« verstorben waren. Jene Menschen haben sich bis heute nicht von diesem Schmerz erholt. Wenn die »Tröstungen unserer heiligen Religion« ausbleiben, was haben die armen Zurückgebliebenen für den Verstorbenen zu erwarten?
Der Schmerz über diese Praxis, um die unsere Leute ja gar nicht wissen können, liess mich immer wieder zum Herrn aufschreien: Wie lange kann so viel Betrug, Schmerz und Leid ein religiös unwissendes Volk in seinen Bann halten? Lass den Tag kommen, an
dem diese Menschen vom Evangelium erfüllt, frei von diesen Lasten, frei von Menschenfurcht, deinen Sieg über den Tod feiern, wie du es lehrst!
Sehr oft empfinden die Angehörigen den Tod eines lieben Menschen ohne die »Tröstungen unserer heiligen Religion« als furchtbare Strafe Gottes.
Als mein Vater 1967 mit 56 Jahren auf einer Alp an einem Herzschlag starb, war weit und breit kein Priester zu erreichen. Als er die letzte Ölung mit Generalabsolution empfing, war sein Leib – trotz der Sommerhitze – schon längst erkaltet. Diese Situation löste in der ganzen Familie grossen und zum Teil auch bitteren Groll gegen Gott aus. Wie konnte Gott so etwas zulassen? Womit haben wir diese Strafe verdient? Solche und ähnliche Fragen kreisten in der Familie und in der Verwandtschaft herum und belasteten uns sehr.
Unsere Mutter, eine tiefgläubige, nach der Wahrheit suchende Frau, die durch die Priester in unserer Verwandtschaft in manchen Punkten aufgeklärt war, zeigte uns durch ihre Äusserungen und ihr Verhalten, dass die Auffassungen und die Praxis der Kirche, so wie auch der ganze Totenkult, dem Wesen Gottes nicht entsprechen kann. In ihrer stillen Bescheidenheit blieb sie von der Beerdigungsmesse ihres Gatten und unseres Vaters fern. Sie liess keine Messen für unseren Vater lesen, nicht etwa um des Geldes willen. Sie blieb von den gewohnheitsmässigen kirchlichen, offiziellen Friedhofbesuchen fern, wie etwa an Allerheiligen und Allerseelen. Dadurch versäumte sie den vollkommenen Ablass für ihren Gatten.
Ob ihres kirchlichen Ptlichtversäurnnisses masste ich mir einige Male an, sie zu ermahnen. Wie ich später heraus spürte, wusste sie um so manche Irr- und Sonderlehren in unserer Kirche: Wer ein Kirchengebot oder eine kirchliche Lehre bezweifelte oder öffentlich in Frage stellte, musste im Falle eines plötzlichen Todes mit der ewigen Höllenstrafe rechnen. Unsere Mutter kannte noch keine Alternative zur röm.-kath. Lehre. Damals war im Wallis wie überall in den abgelegenen röm.-kath. Gebieten noch alles weit und breit von der Lehre und Religionspolitik des Vatikans geprägt – alles andere war verteufelt!
Der neue Pfarrer von Grächen versuchte einerseits die »Verlorenen« zurückzurufen und anderseits, vielleicht nicht beabsichtigt, die Verwandten der aus der römischen Kirche Ausgetretenen in Panik zu versetzen, indem er auf die genannten »heilsnotwendigen Praktiken« der röm.-kath. Kirche hinwies. Er schrieb kurz nach seiner Pfarrinstallation im Grächner Pfarrblatt Juli/August 1989, Nr 7/8, 54. Jahrgang:
»Ich bedaure sehr, dass 10 Pfarreiangehörige offiziell den Kirchenaustritt erklärt haben. Ich weiss nicht, was für einen Vorteil sie sich davon versprechen. Einen Nachteil hat es ganz bestimmt. Im Falle eines Todes werden sie wohl kaum in der Kirche beerdigt werden wollen. Ich kann mir eine solche Beerdigung (nur auf dem Friedhof?) noch nicht vorstellen.«
Wie beim Islam, so kann man an solchen wunden Stellen auch unter römischen Katholiken Unberechenbares auslösen!
Der Pfarrer richtete in seinem persönlichen Schreiben folgende Fragen an jene, die schriftlich den Austritt aus dieser Institution gaben:
»Ich hätte eine sehr wichtige Frage an Sie: Im Falle des Todes wünschen Sie also nicht in die Kirche getragen zu werden? Sie wünschen, dass keine Messe gelesen wird? Oder wünschen Sie nicht einmal auf dem Friedhof so nahe bei der Kirche beigesetzt zu werden? Bitte geben Sie mir ihre Entscheidung schriftlich bekannt mit Ihrer Unterschrift.« (persönliche Akten)
Ein römischer Katholik, der die öffentlich rechtlichen Bestimmungen der Bundesverfassung (CH) über Bestattung und Bestattungsort (Friedhof) nicht kennt, ist der Auffassung, der Friedhof sei Eigentum des Vatikanstaates des Papstes. Früher wurden Bürger, die nicht nach dem Gesetz des Vatikans lebten, die durch Suizid oder als Exkommunizierte usw. starben, auf einem ungeweihten Extraplätzchen neben dem Friedhof verlocht. Dies galt als öffentliche Bestrafung, als Schande für die ganze Familie und Verwandtschaft. So terrorisierte der Vatikan im »Namen Gottes« das Volk.
Wir erinnern uns nur zu gut an solch schreckliche Begebenheiten. In ungeweihter Erde beerdigt zu sein, hiess Verdammnis.
In Artikel 53, Abschnitt 2 bestimmt die Bundesverfassung:
»Die Verfügung über die Begräbnisplätze steht den bürgerlichen Behörden zu. Sie haben dafür zu sorgen, dass'jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann.« (J.K. von Alis, Innen und Aussen, Notizen 1984-1986, S. 261. Orel Fussli)
Im Schweiz. Beobachter vom 9. November 1990, Nr. 23 lesen wir auf S. 87 unter »Bestattung von Abis Z« auf die Frage »Finde ich nach dem Tod einen Platz auf dem Friedhof, auch wenn ich aus der Kirche ausgetreten bin?« folgende Antwort: »Nach Artikel 53 der Bundesverfassung haben die öffentlichen Behörden ,dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann'. Es hängt also nicht von der Zugehörigkeit zu einer Kirche ab, ob jemand auf dem Friedhof bestattet wird. Nach dem Grundsatz, dass im Tod alle gleich sind, gilt dieses Recht auf eine ,schickliche Bestattung' ungeachtet des Glaubens für jeden.«
Es ist sicher verständlich, dass wir auf Begräbnisplätzen, um der Beerdigten willen, den nötigen Respekt einhalten. Weder Jesus noch die Apostel geben aber irgendwo den Auftrag, Menschen zu weihen oder sprechen von der Weihe bestimmter Plätze. Alles gehört Gott. Durch Weihen bestimmter Menschen, Gegenstände und Plätze werden Menschen indirekt auf fromme Weise von Gott los (gottlos) auf bestimmte geweihte Personen oder Gegenstände ausgerichtet. Von ihnen oder durch ihren Gebrauch erhofft sich der gutgläubige, treue römische Katholik Hilfe oder Heilung. Das ist Götzepdienst, weil der Mensch durch diese Praxis an Personen und Gegenstände gebunden wird. Jesus Christus hingegen befreit die Menschen von solchen Bindungen.
Keineswegs will ich den Pfarrer wegen diesen Aussagen anklagen. Im Gegenteil! Er hält sich treu an das Pflichtenheft des Vatikans. Das ist sein Recht. Er drückt damit stellvertretend eine Not aus, die vielen Priestern in fast rein röm.-kath. Regionen eigen ist. Ihr Status als Priester in der röm.-kath. Institution, verbunden mit ihrer Amtsfunktion, bietet ihnen eine lebenswichtige Sicherheit. Diese Sicherheit ist vor allem durch die obgenannten okkulten Bräuche gegeben, dass selbst bekannte Theologen sich fürchten, die Mitgliedschaft in der röm.-kath. Kirche zu künden, auch wenn sie vorgeben, nicht davon abhängig zu sein!
Der Pfarrer verlangte von den »Verlorenen« eine schriftliche Mitteilung, wie sie beerdigt sein wollten. Es erstaunt uns nicht, dass bei all den Fragen um den röm.-kath. Glauben, die Frage nach dem Sterbe- und Beerdigungszeremoniell dermassen in den Vordergrund gestellt ist. Hier spüren wir ganz deutlich, wie der Vatikan den Menschen nicht zu Jesus führt, sondern ihn durch die Sakramente im Laufe der Jahrhunderte an sich gebunden hat. Menschen, die nicht biblisch gegründet sind, geraten bei solch hervorgehobenen Fragen um ihre Angehörigen, die den Kirchenaustritt eingereicht haben, wirklich in Panik. Schwerwiegende Reaktionen bleiben auch nicht aus! Wie werden die vielen Millionen Christen in aller Welt beerdigt, die nicht der röm.-kath. Religion angehören?
Unsere Leute lasen die Aussagen über die Beerdigung Jesu nach, wie sie die vier Evangelisten (Matthäus 27,57, Markus 15,42, Lukas 23,50-56 und Johannes 19,38-42) berichten.
»Danach aber bat Josef vom Arimathia, der ein Jünger Jesu war, aber ein geheimer, aus Furcht vor den Juden, den Pilatus, dass er den Leib Jesu abnehmen dürfe. Und Pilatus erlaubte es. Er kam nun und nahm den Leib Jesu ab. Es kam aber auch Nikodemus, der zuerst bei Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte eine Mischung von Myrrhe und Aloe, ungefähr hundert Pfund. Sie nahmen nun den Leib Jesu und wickelten ihn in Leinentücher mit den wohlriechenden Ölen, wie es bei den Juden zu bestatten Sitte ist. Es war aber an dem Ort, wo er gekreuzigt wurde, ein Garten lind in dem Garten eine neue Gruft, in die noch nie jemand gelegt worden war. Dorthin nun legten sie Jesus, wegen des Rüsttags der Juden, weil die Gruft nahe war« (Johannes 19,38-42).
Keine Generalabsolution durch das Staatsoberhaupt eines
heiligen Stuhles;
keine gesungene Messe;
keine lateinische Messe;
kein Weihwasser;
kein Weihrauch;
kein Rosenkranzgebet;
keine Gelder für Messen;
keine Kränze;
kein Menschenauflauf;
keine Gebete für den Verstorbenen;
keine Gedächtnisgottesdienste;
keine Jahrzeiten (Stiftmessen);
keine Ablässe usw.
Einzig eine Mischung von Myrrhe und Aloe wird gebracht. Schlicht und einfach vom Kreuz zum Grab und vom Grab zur Auferstehung!
Jesus hat sich weder ein Denkmal noch ein Mausoleum aufrichten lassen, in dem er beerdigt sein wollte, auch hat er keine besondere Beerdigungszeremonie gewünscht oder den Aposteln diesbezüglich gewisse Aufträge erteilt. Auch hier ist uns Jesus in seiner Schlichtheit ein Hinweis auf das Wesentliche. Die ersten Christen wurden in dieser Schlichtheit beerdigt: Die Apostel, die Jünger, Maria, die Mutter Jesu usw. Von Stephanus heisst es:
»Gottesfürchtige Männer aber bestatteten den Stephanus und stellten eine grosse Klage über ihn an« (Apostelgeschichte 8,2).
Diese Totenklage war kein pflichtgemässes, heilsnotwendiges Ritual, ohne welches der Verstorbene nicht gerettet wäre.
Welch ein Segen könnte eine so schlichte Beerdigungsfeier auch bei uns auslösen, hinweisend auf das Wesentlichste! Lasst uns umkehren zum Zeugnis der ersten Christen. Verführt das ganze Drum und Dran, das wir heute bei den Beerdigungen erleben, nicht zu einer Werkgerechtigkeit, die wir dem Toten zu schulden glauben, in der Meinung, ihn damit zu trösten und zu erlösen?
In Markus 1,15 sagt Jesus:
»Kehrt um und glaubt an das Evangelium.«
Er sagt nirgends: Tut Genugtuungswerke und verrichtet für die Verstorbenen Gebete und haltet euch an Zeremonien, so werdet ihr und eure Angehörigen gerettet.
»Wo der Baum fällt, da bleibt er liegen« (Prediger 11,3)!
1 Rituale Romanum: Die Feier der Krankensalbung (Volksausgabe), S. 45