Europatag

"Liebe, Geschwisterlichkeit, Welteinheit"

Als Augenzeuge beim Europatag in Stuttgart

Von Dr. theol. Lothar Gassmann, Pforzheim

 




"Kn�pfen Sie weiter an diesem Netzwerk der Einheit. Es wird uns weiterbringen.  Wir brauchen ein erneuertes Pfingsten." Diesen Appell richtete der Pr�sident des  P�pstlichen Rates zur F�rderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter  Kasper, an die rund 10.000 versammelten Teilnehmer der Gro�veranstaltung  "Miteinander f�r Europa" am 8. Mai 2004 in der Stuttgarter  Hanns-Martin-Schleyer-Halle. �ber 100.000 weitere Zuschauer in rund 150 St�dten  Europas waren �ber Satellit zugeschaltet, dazu mindestens 25 Fernsehstationen.  
Der Wille zur Einheit bei den Teilnehmern, die aus rund 175 Gemeinschaften  innerhalb unterschiedlicher Kirchen und aus verschiedenen geistlichen  Traditionen kamen, war beeindruckend. Die Umarmungen am Ende der Veranstaltung  zwischen den meisten Teilnehmern und rund 50 Bisch�fen aus katholischen,  orthodoxen, anglikanischen und evangelischen Kirchen waren bewegend. Und doch  bleibt die Frage, um was f�r eine Art von Einheit es sich handelt und ob diese mit den eindeutigen Aussagen der Heiligen Schrift �bereinstimmt. Ist es wirklich  die Einheit, die Jesus Christus in seinem in Stuttgart immer wieder zitierten Gebet in Johannes 17 gewollt hat - oder ist es eine Einheit ohne Wahrheit, die ins Antichristliche m�ndet? Hierzu zun�chst eine inhaltliche Zusammenfassung der Veranstaltung, der ich als Augenzeuge vor Ort beiwohnte.

Die Hauptredner: Von interreligi�s bis evangelikal

Der 8. Mai wurde als Tag der Veranstaltung gew�hlt, da er an das Ende des 2. Weltkrieges erinnert. Stuttgart wurde als Ort ausgesucht, da in dieser Stadt 1945 das Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche angesichts des Versagens im Dritten Reich ver�ffentlicht wurde. Hauptreferenten der Veranstaltung waren Friedrich Aschoff, Vorsitzender der charismatischen Geistlichen Gemeindeerneuerung, Chiara Lubich, Gr�nderin der katholisch-interreligi�sen Fokolar-Bewegung, Andrea Riccardi, Gr�nder der katholisch-interreligi�sen Gemeinschaft Sant Egidio, Romano Prodi, Pr�sident der EU-Kommission, sowie Ulrich Parzany, CVJM-Generalsekret�r, "Mister ProChrist" und Mitglied des Hauptvorstandes der Deutschen Evangelischen Allianz. Mit Ausnahme von Parzany folgten die anderen Redner in ihren Referaten im Wesentlichen folgendem Aufbau:

Alle Grenzen sollen fallen

In Europa soll es nie mehr Krieg geben, deshalb sollen sich die Grenzen aufheben. Vers�hnung und Geschwisterlichkeit sollen gepredigt werden. Es sei der Heilige Geist, der die Grenzen zwischen den Konfessionen, den Kulturen und auch zwischen Klerus und Laien �berwinde; dabei spiele die Pfingst- und Charismatische Bewegung eine besondere Rolle: "Christen aller Kulturen verstehen sich, wenn Gott seine Gaben, die Charismen freisetzt" (Aschoff).

Das europ�ische Haus soll wachsen. Es soll aber nicht nur ein gemeinsamer Wirtschaftsraum sein, sondern auch eine "Seele" haben, die ihm durch die christliche Tradition vermittelt werden k�nne (so Papst Johannes Paul II. in seiner in Stuttgart verlesenen Gru�botschaft). Der baden-w�rttembergische Ministerpr�sident und Schirmherr des Europatages, der Katholik Erwin Teufel, nannte denn auch "drei S�ulen", auf denen Europa ruhe: die griechische Kultur und Philosophie, das r�mische Recht und der Eingottglaube der j�disch-christlichen Tradition. Auch EU-Kommissionspr�sident Prodi betonte: "Um europ�ischer B�rger zu sein, darf der Glaube nicht ausgeklammert werden", beschr�nkte sich dann allerdings auf die "kulturellen Wurzeln", die das Christentum dem entstehenden Europa vermittle. Auffallend war, dass er in Bezug auf das europ�ische Parlament bereits von einer "�bernationalen Regierung" sprach, die sich folglich in Vorbereitung befindet.

Vom vereinten Europa zur vereinten Welt

Immer wieder - besonders in den Referaten von Chiara Lubich und Andrea Riccardi - wurde denn auch deutlich, dass das vereinte Europa nur die Vorstufe zur einen Welt mit der  vereinigten Menschheitsfamilie darstellt. "Wir vertreten den Leitgedanken der weltweiten Geschwisterlichkeit - die Einheit der Menschheitsfamilie" (Lubich), das "Weltb�rgertum" (Riccardi). Bei ihrem Leitgedanken der "Geschwisterlichkeit" berief sich Lubich auf Jesus, zugleich aber auf Mahatma Gandhi und das Motto der Franz�sischen Revolution ("Freiheit - Gleichheit - Br�derlichkeit"). Als Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, betonte sie immer wieder "die Liebe Jesu": "Die Liebe, die er uns bringt, f�hrt uns dazu, alle Menschen zu lieben ... den Angeh�rigen der eigenen Kirche oder Religion wie die der anderen".  So veranstaltet etwa die von Riccardi ins Leben gerufene Gemeinschaft St. Egidio immer wieder "Friedensgebete der Weltreligionen", beispielsweise im Jahre 2003 im Aachener Dom.

"Diese  Liebe schlie�t niemanden aus"

Die in Stuttgart propagierte Einheit bezieht also explizit auch "Offenheit f�r alle Menschen anderer Kulturen und religi�ser Traditionen" ein (so w�rtlich in der abschlie�end ver�ffentlichten Botschaft "Miteinander f�r Europa"). Und weiter hei�t es in dieser "Botschaft": "Die Charismen, Gaben die Gott schenkt, haben uns auf den Weg der Geschwisterlichkeit gef�hrt. In ihr sehen wir die eigentliche Berufung Europas: Geschwisterlichkeit bedeutet ein Leben aus jener Liebe, die im Evangelium verk�ndet wird. Diese Liebe schlie�t niemanden aus." Die Botschaft endet mit folgender Selbstverpflichtung der Teilnehmer: "Wir, die wir hier in Stuttgart und an mehr als 150 Orten europaweit miteinander verbunden sind, wollen gemeinsam mit allen Menschen guten Willens arbeiten f�r ein Europa der Liebe und der Geschwisterlichkeit, f�r ein Europa, das seine Verantwortung wahrnimmt und sich als Teil der Weltgemeinschaft begreift."

Ulrich Parzany ohne Ber�hrungs�ngste

Viele Evangelikale - so auch der Verfasser dieser Zeilen - waren �berrascht, ja schockiert, dass Ulrich Parzany als f�hrender Evangelikaler an einer so breit gef�cherten Veranstaltung federf�hrend mitwirken konnte, die sich kaum noch von Konferenzen des �kumenischen Rates der Kirchen (dessen Pr�sident ein Gru�wort �bermittelte) unterscheidet. Hatte er nicht erst in den 90er-Jahren ein Buch verfasst mit dem Titel "Jesus - der einzige Weg" - und jetzt trat er mit Veranstaltern gemeinsam auf, die zum Teil sogar eine interreligi�se �kumene guthei�en und f�rdern?! Immerhin bekannte er sich in seinem Referat "Europa braucht Christus" - im Unterschied zu anderen Rednern - klar zu Jesus Christus und betonte unter gro�em Applaus: "Europa braucht den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus, wenn es eine menschliche Zukunft haben will ... Ich beklage, dass Gott nicht einmal in der Pr�ambel der Europ�ischen Verfassung Platz gefunden hat, sondern stattdessen die �Geltung der Vernunft` zum Ma� erhoben wurde." Und doch wirkte sein Referat inmitten des �bergewichts der f�r interreligi�se �kumene offenen Initiativen wie ein Fremdk�rper. Das Schlussprogramm mit der "gro�en Verbr�derung" zwischen den Konfessionen auf der B�hne der Schleyer-Halle zeigte allerdings augenf�llig, dass Parzany diesbez�glich keinerlei Ber�hrungs�ngste mehr hatte.

Wer alles den Europatag unterst�tzt

Das trifft auch auf eine gro�e Zahl weiterer Bewegungen (insgesamt �ber 175) zu, die sich in der Schleyer-Halle vorstellten oder als Unterst�tzer im Magazin "Miteinander f�r Europa" (verteilt am Tag der Veranstaltung) aufgef�hrt sind. Als bekannteste seien nur genannt: Adoramus-Gemeinschaft,Akademie f�r christliche F�hrungskr�fte Gummersbach, Alpha-Kurs, Bibelschule Kirchberg, Chemin Neuf, Christliche Internetarbeitsgemeinschaft des Evangeliumsrundfunks, Christus-Treff Marburg, Christustr�ger-Schwestern, Communaut� de Taiz�, Christusbruderschaft Selbitz, Communit�t Casteller Ring, Cursillo, CVJM, De Ignis-Fachklinik, Gemeinschaft Emmanuel, Equipes Notre Dame, Evangelisches Jugendwerk in W�rttemberg, Family Life Mission, Fokolar-Bewegung, Freie Christliche Jugendgemeinschaft L�denscheid, Geistliche Gemeindeerneuerung, Jesus-Bruderschaft Gnadenthal, Josua-Dienst, Jugend mit einer Mission, Kommende des Johanniterordens, Offener Abend Stuttgart, Offensive Junger Christen, �kumenisches Lebenszentrum Ottmaring, Sant Egidio, Sch�nstatt-Bewegung (marianisch), Teen Challenge, Totus Tuus, Treffen von Verantwortlichen, Vineyard, W�rnersberger Anker.

Nicht die Einheit, die Jesus will!

Ist nun das, was hier entsteht, die von Jesus Christus gewollte Einheit?
Eindeutig nein! Die Einheit Jesu ist einzig und allein mit der Wahrheit verbunden, die er selbst in Person ist: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater au�er durch mich" (Joh 14,6). Sie ist au�erdem an Gottes Wort gebunden, das die Wahrheit ist (Joh 17,17). Zwar wurde auch in Stuttgart sehr viel von "Jesus Christus", dem "Heiligen Geist" und der von diesem gewirkten "Einheit" geredet, aber diese Begriffe wurden - von vielen sicherlich unbewusst - f�r eine Art von Einheit instrumentalisiert, die die Bibel so nicht kennt. Im Folgenden stelle ich daher abschlie�end wahre und falsche Einheit einander gegen�ber und bitte die Leser, auch alle Teilnehmer des Euro-patages, �ber diese Unterschiede nachzudenken:

Wahre Einheit umfasst nur diejenigen, die an Jesus Christus glauben, die sein Wort als "die Wahrheit" behalten, die in der Welt, aber nicht von der Welt sind und die daher von der Welt gehasst werden (Joh 17). - Falsche Einheit hingegen umfasst die ganze Menschheit, "hurt" mit allen m�glichen Ideologien und Religionen und verfolgt diejenigen mit Zwang, Terror und schlie�lich Gewalt, die Jesus Christus als einzigem Herrn, Erl�ser und Friedensbringer die Treue halten (Offb 13 und 17 f.).

Wahre und falsche Einheit

Wahre Einheit kommt durch Missionierung und Evangelisierung aller V�lker, durch den klaren Ruf zum retten-den Glauben und zur Lebens�bergabe an Jesus Christus zustande (Mt 28,18-20; Joh 17,20 f.). - Falsche Einheit umgeht diesen Ruf zur Bekehrung, indem sie politische Probleme und Selbsterl�sungsversuche einer sich als autonom verstehenden Menschheit in den Vordergrund stellt - einer Menschheit, die "die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen hat zu ihrer Rettung" und ihre Zuspitzung im Antichristen findet, der sich selbst "in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott" (2. Thess 2,4.10).

Wahre Einheit duldet keine Irrlehre (Gal 1,6-10; 2. Joh 9-11; Jud 3 f.). - Falsche Einheit duldet Irrlehre und f�r-dert sie infolge der Vermischung der Ideologien sogar noch.

In der Praxis besitzt die falsche Einheit eine dreifache Ausrichtung, die zur Diktatur des Antichristen f�hrt:

Diesem Stadium - so mein Eindruck nach der Stuttgarter Veranstaltung  "Miteinander f�r Europa" - sind wir einen riesigen Schritt n�hergekommen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Lothar Gassmann, Am Waldsaum 39, D-75175
Pforzheim,
Tel. 07231-66529, Fax 07231-42 44 067, Email: [email protected]

Buchhinweis: Erich Br�ning / Hans-Wener Deppe / Lothar Gassmann:
PROJEKT EINHEIT. Rom, �kumene und die Evangelikalen,
Betanien-Verlag 2004