Der englische Arzt Edward Bach (1886-1936) entwickelte seine Blütentherapie in starker Abhängigkeit von der Homöopathie Samuel Hahnemanns.
In seiner Therapie legte er besonderen Wert auf die psychischen Komponenten der Erkrankungen. Dabei stützt Bach sich auf die psychosomatischen Konzepte C.G. Jungs. 1930 zog sich Bach in die Einsamkeit zurück, um Kraft seiner intuitiven Sensibilität ein System psychisch definierter Persönlichkeitstypen und der dazugehörigen Heilpflanzen zu entwickeln. Er wollte die charakterlichen Defizite mit den "heilenden Schwingungen” der Pflanzen ausgleichen.
Bach "arbeitet vorwiegend nach der Seele. Dabei half ihm seine hohe Sensitivität: Er brauchte nur seine Hand über eine Pflanze zu halten, um ihr Wesen und ihre Wirkung auf Körper, Geist und Seele zu spüren",
berichten seine Anhänger. Nach seinem Tod wurde die Bach-Blütentherapie von seiner langjährigen Assistentin weiterentwickelt und heute von verschiedenen nationalen Bach-Zentren verbreitet.
Für Bach war Krankheit "das Ergebnis eines Konfliktes zwischen Höherem Selbst und Persönlichkeit”. Den eigentlichen Ursprung für körperliche und psychische Erkrankungen sah Bach in der Charakterschwäche des Patienten -
Heilung kann nur durch Überwindung der Charakterschwächen erreicht werden. Durch gedankliche und spirituelle Bemühungen sollen entsprechende Tugenden an ihre Stelle treten. In den Essenzen seiner Pflanzen sah Bach das "geistige Potential”, die "Energie” und "höhere Ordnung”, die zur Heilung jeder durch charakterliche Schwächen verursachten Krankheiten ausreichend seien.
"Mit Unterstützung der Bach-Blüten kann die Lebensenergie wieder frei fließen. Wenn ... der innere Friede wiederhergestellt ist, kann der Körper sich ... selbst heilen.”
Hier einige Beispiele für Bachs intuitive Zuordnungen bestimmter Pflanzenenergien und entsprechender negativer Seelenzustände:
Bachs Prinzipien der Medikamentenherstellung gelten bis heute unter Blütentherapeuten als verpflichtend. An einem sonnigen, wolkenlosen Tag sollen morgens vor neun Uhr die voll aufgegangenen Blüten wilder Pflanzen gepflückt und in frisches Quellwasser gelegt werden. Wenn die Blüten zu welken beginnen, werden sie mit einem Zweig derselben Pflanze aus dem Wasser gefischt. Um aus Bäumen und Sträucher Blütenwasser zu erstellen, müssen die entsprechenden Stiele und Zweige eine halbe Stunde lang in Wasser gekocht werden. Das Blüten- bzw. Blätterwasser wird nun 1:1 mit Cognac oder Brandy konserviert und dann noch einmal im Verhältnis 1:240 verdünnt und in "stockbottles” aufgehoben. Um die therapeutisch einzusetzenden Bach-Blütenmittel herzustellen, werden noch einmal ein bis zwei Tropfen der erstellten Mischung mit etwas Wasser verdünnt.
Eine medizinische Diagnose im herkömmlichen Sinn gibt es in der Bach-Blütentherapie nicht, da die Krankheitssymptome (Schmerzen, Ausschlag, Fieber usw.) lediglich als sekundäre Merkmale einer tiefer sitzenden charakterlichen Erkrankung angesehen werden. An die Stelle einer medizinischen Untersuchung tritt ein ausführliches Patientengespräch (gelegentlich mit Fragebogen). Dabei werden Fragen der Krankengeschichte, des Charakters und des persönlichen Umfelds besprochen. Physische Untersuchungen finden normalerweise nicht statt. Erfahrene Therapeuten sollen den Zustand des Patienten intuitiv erkennen. Andere Diagnose- und Testverfahren (EAV, angewandte Kinesiologie, Pendeln) werden von den meisten Bach- Blütenanwendern abgelehnt.
Nach dem Erstgespräch wird der Patient in die Philosophie Bachs eingeführt und erhält seine Blütenmittel, die später gegebenenfalls angepasst und verändert werden können. Bei akuten Erkrankungen sollen Bach- Blüten innerhalb von Stunden helfen können. Chronische Beschwerden können in 9-18 Monaten beseitigt werden. Zur seelischen Selbstentfaltung können Bach-Blüten jahrelang eingenommen werden. Akute Empfindungen können selbst behandelt werden, bei chronischen Problemen wird der Besuch eines Therapeuten empfohlen, der auch die tiefer sitzenden, oft unbewussten seelischen Blockaden erkennen kann. Bach-Blütentropfen sollen auch wirken, wenn sie nicht eingenommen, sondern am Körper getragen oder über Nacht am Bett stehen gelassen werden.
Bach-Blüten sollen eine seelische Reinigung bewirken. Patienten sollen in die Lage versetzt werden, psychische Krisen und schwierige Lebenslagen besser zu bewältigen. Rescue (Erste Hilfe-Tropfen) soll in emotionalen Stresssituationen, bei Unfällen oder in akuten Fällen (Erstickung, Herzanfall usw.) Hilfe bieten.
Medizinisch, chemisch und physikalisch sind die Bach-Blüten weitgehend wirkungslos und deshalb auch frei von Nebenwirkungen, zumindest auf der körperlichen Ebene. Bach führt die Wirkung seiner Blütenmittel auf die energetische und geistige Kraft der Pflanze zurück. Diese Kraft soll Blockierungen im "biogenetischen Feld” des Menschen beseitigen, indem sie "die Kanäle für die Botschaften des spirituellen Selbst öffnet”. Die "Energien” der Blüten sollen durch die spekulative Kirlian-Fotografie sichtbar gemacht werden können. Bach-Blüten sollen prinzipiell jede Erkrankung heilen können.
Zweifellos haben psychische Probleme Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden. Alle Krankheiten aber lediglich unter diesem eingeengten Blickwinkel zu betrachten, ist problematisch. Schnell werden andere körperliche und geistliche Krankheitsursachen außer Acht gelassen. Rein medizinische Ursachen (Viren, Bakterien, Umweltgifte, Gewaltanwendung usw.) werden in der Bach-Blütentherapie sträflich vernachlässigt. Auch eine geistliche Anleitung zur Persönlichkeitsveränderung steht für Bach nicht zur Diskussion. Die Idee, Charakterschwächen durch Pflanzentropfen zu beheben, klingt sehr materialistisch und unrealistisch.
Bei akuten körperlichen Erkrankungen (Herzinfarkt, Unfall) besteht die Gefahr, durch die alleinige Anwendung der Bach-Blütentherapie wichtige medizinische Hilfe zu versäumen. Therapeutisch wirksame Pflanzenessenzen, die eine biochemische Wirkung nahe legen könnten, sind unter den Bach-Blüten nicht zu finden. Kontrollierte klinische Studien wiesen nach, dass Bach-Blüten keine statistisch erkennbare Wirkung hervorrufen, die über der eines Placebos (Scheinmedikament) liegt. Diese Ergebnisse scheinen nahe zu legen, dass mögliche positive Effekte der Bach-Blüten nicht auf einer materiellen, sondern höchstens auf eine psychischen oder einer magischen Wirkung beruhen. Berichte über erfolgreiche Behandlungen mit Bach-Blüten lassen sich zumeist auf psychosomatische Wirkungen zurückführen. Eine medizinisch-naturwissenschaftliche Wirkung ist weitgehend auszuschließen. Charakterschwächen aber können weder mit Tropfen noch mit wenigen therapeutischen Gesprächen mit Bach-Blüten-Anwendern wirklich überwunden werden.
Bachs Auswahl der Heilpflanzen und deren Zuordnung zu bestimmten Charakterschwächen sind rein spekulativ. Glaubt man seinen eigenen Aussagen, gehen sie auf übernatürliche Eingebungen zurück, wodurch die Bach-Blütentherapie in die Nähe okkulter Praktiken gerät, und sich jeder Überprüfbarkeit entzieht. Auch die von Bach angenommenen "Pflanzenenergien” sind naturwissenschaftlich nicht auffindbar. Ihr "Nachweis” beruht allein auf der intuitiven, "übernatürlichen” Eingebung Bachs.
Bach legt in seiner Medizintheorie ein esoterisch geprägtes Menschen- und Krankheitsbild zugrunde, das unvereinbar neben biblischer Anthropologie und Krankheitslehre steht. Nach biblischen Angaben gehören Seele und Leib zusammen und müssen auch gemeinsam behandelt werden. Ferner kennen Christen verschiedene Krankheitsursachen, nicht nur Charakterschwäche. Die Bibel nennt: individuelle Sünden, Erziehungsmaßnahmen Gottes, um Geduld, Langmut, Demut usw. zu lernen, Angriffe des Satans, Folgen des allgemeinen Sündenfalls, zur Verherrlichung Gottes bei einer späteren Heilung. Die Bach-Blütentherapie baut auf einem esoterisch transformierten, eigentlich aber materialistischen Krankheits- und Gesundheitskonzept auf, das die Vielfältigkeit möglicher Krankheitsursachen im Allgemeinen und Gottes Eingreifen im Besonderen vollkommen außer Acht lässt.
Bachs moralische Bewertung emotionaler Zustände ist ohne Heranziehung des realen Umfelds des Patienten äußerst problematisch.
Gefühle wie
sind nicht pauschal als zu überwindende, negative Charaktereigenschaften zu verurteilen, wie Bach es tut. Manche Charaktereigenschaften gehören zu der von Gott gewollten und geschaffenen Persönlichkeit. Sie können nicht pauschal beseitigt werden, ohne starke Persönlichkeitsveränderungen hervorzurufen. Immer sollte dabei bedacht werden, dass Gott bestimmte charakterliche Schwächen auch zur Korrektur oder Bewahrung einer Person benutzt.
Negative seelische Empfindungen (Angst, Schuld, Ärger) können auch eine Schutzfunktion ausfüllen, sie müssen nicht generell negativ bewertet werden. Gelegentlich teilt sich Gott dem Menschen durch das warnende Gefühl des Zweifels, der Unsicherheit oder der Schuld mit. Echte Schuld kann nicht durch Bach-Blüten beseitigt werden, sondern muss anerkannt, bekannt und vergeben werden. Gott will den Menschen durch seinen Geist verändern. An die Stelle einer echten geistlichen Veränderung, die bei bestimmten charakterlichen Schwächen auch Sündenbekenntnis und Buße fordern, tritt eine magische Methode, durch die mit spekulativen "Pflanzenenergien” seelische Defizite ausgeglichen werden sollen. Geistliche Probleme können jedoch nicht durch ominöse "Pflanzenschwingungen” behoben, sondern müssen geistlich gelöst werden.
Bachs Spekulationen über die verschiedenen geistigen und materiellen Komponenten des Menschen führen zu absurden Schlussfolgerungen. Seiner Theorie zufolge sind beispielsweise Alkoholiker, Vergewaltigungsopfer und Misshandelte durch ihre spirituelle Verfassung mit für die Tat verantwortlich.
"Derartige Ereignisse können durch unbewusste Programmierungen aus der astralen Ebene herabgezogen werden”.
Bei der Bach-Blütentherapie handelt es sich um ein wissenschaftlich nicht belegtes und höchst umstrittenes Verfahren, von dem aus medizinischen und geistlichen Gründen abzuraten ist.
Literatur: N.C. Armstrong / E.Ernst: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of Bach Flower Remedy. Perfusion 11: 440-446, 1999; E.Ernst (Hg.): Praxis Naturheilverfahren, 2004; K.Federspiel / V.Herbst: Die andere Medizin, 1991; Pschyrembel. Wörterbuch Naturheilkunde, 1999; B. Hakius: Bach-Blüten-Therapie. Können Tröpfchen Seelen heilen?, 1999
Michael Kotsch
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de