Nestorianer

Klick auf den Kompass öffnet den IndexIm 5. Jahrhundert kam es in der Ostkirche zu Rivalit�ten um die Besetzung der Bischofsst�hle. In diesem Zusammenhang wurden theologische Fragen zum Vorwand genommen, um Rivalen auf das politisch und finanziell lukrative Amt auszuschalten und sich gegenseitig zu verketzern. Theologisch ging es oft um die Frage, in welchem Verh�ltnis die menschliche und die g�ttliche Natur Jesu zueinander stehen.

Immer verstiegener wurden die theologischen Gedankenspiele. Der Bischof von Konstantinopel, Nestorius, lehrte, der Logos (zu deutsch: das Wort nach Joh. 1,1) wohnte in der Person Jesus und machte aus Christus einen Gott in sich tragenden Mann, aber Jesus war kein Mensch, der gleichzeitig ganz Gott war. Nestorius meinte, die menschliche und die g�ttliche Natur Jesu seien keine organische Einheit. Das G�ttliche und das Menschliche an Jesu Wesen sei mehr mechanisch als organisch eins.

Kaum ein normaler Christ konnte solchen philosophisch-theologischen Gedankenspielen noch folgen. Es entwickelte sich ein Streit zwischen Patriarch Cyrill von Alexandria und Nestorius von Konstantinopel. Hinter Nestorius stand die theologische Schule von Antiochien. Cyrill von Alexandria war sehr ungehalten, da� Nestorius ohne seine Zustimmung Patriarch von Konstantinopel wurde.

Der theologische Streit brach wahrscheinlich nur als Mittel des Machtkampfes zwischen den beiden Patriarchen aus. Cyrill wendete sich sehr unterw�rfig an den Bischof von Rom. Die r�mischen Bisch�fe, die ebenfalls im Rang eines Patriarchen standen, waren interessiert, eine Vorherrschaft unter den Patriarchen zu bekommen und nahmen sich deshalb des Anliegens von Cyrill schnell an. Es kam 430 zu einer Synode in Rom, wo sich der R�mische Bischof Coelestin hinter Cyrill stellte. Daraufhin kam es zur offiziellen Verdammung des Patriarchen von Konstantinopel, Nestorius.

Als Gegenreaktion setzte die sehr einflu�reiche theologische Schule von Antiochien alles gegen Cyrill in Bewegung. Um den Streit zu beheben, berief Kaiser Theodosius 431 eine Synode nach Ephesus. Hier wurde der Patriarch von Konstantinopel, Nestorius, gest�rzt. Da die Theologen der Schule von Alexandria weiter gegen Cyrill stritten, wurde weiter verhandelt. Es kam dann 433 zu einer Union zwischen beiden Fraktionen. Patriarch Johannes von Antiochia, der wichtigste Mann der dortigen theologischen Schule, mu�te nachgeben und lie�, um seine eigene Stellung zu retten, Nestorius fallen. 435 wurde Nestorius vom Kaiser nach �gypten verbannt, wo er 16 Jahre sp�ter vollkommen verarmt starb.

Viele theologische Streitigkeiten dieser Zeit hatten als Hintergrund derart boshaft und korrupt ausgetragene Machtspiele. Im sogenannten Eutychianischen Streit und weiteren Spaltungen der Ostkirche wiederholte sich das Spiel. Aus all diesen Streitigkeiten gingen Kirchenspaltungen und Kirchengr�ndungen hervor, die teilweise bis heute bestehen. Es sind meist kleine Nationalkirchen, z.B. in Syrien oder Libanon: Maroniten, Jakobiten u.a.

Die Nestorianische Kirche hei�t heute "Apostolische Kirche des Ostens" und z�hlt nur noch rund 150 000 Mitglieder in Indien, Persien und den USA. Sie entstand nach dem Tode von Nestorius au�erhalb des R�mischen Reiches.

Zur Zeit der Mongolenherrschaft hatte die Nestorianische Kirche ihren H�hepunkt. Sie hat sogar Einflu� auf die Familie des Dschingis Khan gehabt. Zeitweise sah es so aus, als w�rde sie Staatskirche der Mongolen werden. In dieser Zeit begann eine gro�e Missionsarbeit der N. in China. Im 7. und 8. Jahrhundert waren es die N., die das Christentum am Kalifenhofe der Abas-siden vertraten.

Von dieser Kirche spalteten sich Gruppen wie die Jakobiten oder Chald�er ab. Einige gingen sp�ter Unionen mit der R�misch-Katholischen Kirche oder auch der Russisch-Orthodoxen Kirche ein.

Auch im 20. Jahrhundert gab es nach der Einsetzung des zw�lfj�hrigen Mar Eshai Shimon zum Patriarchen der N. eine erneute Spaltung. Gegenw�rtig streiten zwei Patriarchen um die F�hrung dieser Kirche: Mar Denkha VI. in Teheran und Adhai II. in Bagdad. Die Apostolische Kirche des Ostens ist heute Mitglied des �RK.

Lit.: F. Winkelmann, Die �stlichen Kirchen in der Epoche der christologischen Auseinandersetzungen, KGiE I/6, 1980.

Rainer Wagner


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Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
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