Ich hatte Durst nach Gott

 

Von
Else Leszynski

 

  



 

"Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott."

Diese Worte des Psalmdichters waren oft in meinen Gedanken, während ich Gott von ganzem Herzen suchte aber nicht fand, weil niemand mir den Weg zeigte.

Ich wurde in Berlin in einem jüdischen Haus geboren. Obwohl meine Großeltern orthodoxe Juden waren, haben doch meine Eltern nie die strikten jüdischen Gesetze gehalten. Zuhause feierten wir nicht nur die jüdischen Feste, sondern auch Weihnachten, ohne die besondere Bedeutung davon zu verstehen.

Während meiner Kinderjahre und Schulzeit hatte ich keinen Umgang mit Christen. Meine Freunde waren jüdisch. Es hat niemand mit mir über den Herrn Jesus gesprochen, darum wusste ich nicht, wer er ist.

Nach meiner Schulzeit wurde ich in einer Handelsgesellschaft ausgebildet. Unsere Vorgesetzte war eine getaufte Jüdin. Ich verachtete sie, denn ich dachte, dass sie sich durch Vergünstigungen zur Taufe bewegen ließ.

Später wurde ich als Kinderkrankenschwester ausgebildet. Während meiner Spitalzeit begegnete ich zum ersten Mal einer Person, die über ihren Glauben an Jesus Christus, den Messias, sprach. Sie war die Oberschwester des Hospitals. Erst habe ich über ihren Glauben gespottet: "Wie töricht! Wie kann eine intelligente Person an Christus glauben? Er existierte doch gar nicht!"

 

top Was ich nie hatte

Trotzdem begann ihr Leben mich zu beeindrucken. Ich sah, dass sie etwas besaß, was ich nie hatte: Innere Stärke und Tragkraft. Genau danach sehnte ich mich. Sie erklärte mir in diesem Zusammenhang ihren Glauben an Jesus. Ich wunderte mich und dachte: "Dann lebt er tatsächlich, sonst könnte er das nicht bewirken!" Wir wurden Freundinnen. Ich beobachtete sie, um herauszufinden, ob sie immer und unter allen Umständen dieselbe sei, doch konnte ich nie entdecken, dass sie versagte.

So begann ich, die Gläubigen zu beneiden, weil Christus ihnen gehörte. Vorher hatte ich nie wahre Christen von Namenschristen unterschieden. Jetzt nahm ich an, dass alle Christen Besitz ergriffen hätten von dem, was Christus ihnen anbot.

Hätte nur irgendeiner mir gesagt, dass auch ich kommen könnte, dass ich nur mein Herz öffnen müsste, um den Heiland einzulassen, so hätte ich all meinen Besitz für diese Information gegeben. Aber niemand sagte es mir. Meine Freundin dachte, dass ich nie diesen Schritt tun könnte und dass es darum für mich besser wäre, nichts über den Weg der Seligkeit zu wissen.

Nach meiner Ausbildung ging meine Freundin in die Schweiz und ich fand Anstellung bei einer jüdischen Gesellschaft in Westdeutschland. Dort arbeitete ich zusammen mit einem, begabten, liberalen Rabbiner. In seinem Haus war ich wie eines seiner eigenen Kinder. Wenn er am Freitagabend nach jüdischem Brauch seine Familie segnete, war ich mit einbezogen.

Ich arbeitete nur unter jüdichen Leuten, von denen die meisten aus Ost-Europa kamen. Pogrome hatten sie aus ihren Häusern vertrieben. Einige fanden es schwer, eine neue Existenz aufzubauen. Diese Juden waren orthodox und hatten ihre Synagoge mit eigenem Rabbiner. Ihr streng orthodoxes Leben beeindruckte mich. Dadurch erwachte bei mir errneut das Verlangen nach Gott.

Weil ich  - wie ich dachte - Jesus nicht haben konnte, wollte ich Gott finden. Als Jüdin war mir bewußt, dass ich ihm nur gefallen konnte, wenn ich das Gesetz erfüllte, die 613 Gebote. Doch ganz bald merkte ich, dass das Halten des Gesetzes mir nicht den Frieden und die Freude geben konnte, die Jesus den Christen gab.

 

top Hitler

1933 kam Hitler an die Macht. Als Sozialarbeiterin unter Juden stand ich mitten in den schrecklichen Leiden meines Volkes. Ich umfasste es mit ganz neuer Liebe und war stolz darauf, eine von ihnen zu sein und mit ihnen zu leiden. Ich wollte niemand anders sein, als eine Jüdin. Meine Zukunftspläne waren klar: Palästina. Ich wollte helfen, das Land aufzubauen. Das war mein Plan. Gott aber hatte etwas anderes für mich.

Meine Freundin lud mich ein, bei ihr Ferien zu machen. An einem Abend nahm sie mich mit zu einer Versammlung der Oxford-Gruppe. Nur wenige Personen waren gekommen. Einige von ihnen waren weltbekannte Professoren. Zeugnisse wurden gegeben und es wurde gesprochen über die Freude und den Frieden der Südenvergebung. Während ich zuhörte, wurde mir erneut klar, dass nur Jesus und nicht Palästina mein tiefstes Herzensverlangen befriedigen könnte. Doch niemand zeigte mir den Weg.

Bei meiner Heimkehr von den Ferien fand ich, dass die Leiden der Juden unerträglich geworden waren. Meine Freundin schickte mir christliche Literatur, doch ich legte sie beiseite. Ich wollte nichts von Jesus hören. Mein Volk ging durch Leiden. Hier war meine Aufgabe. Ich musste ihnen mit all meiner Kraft helfen.

Ein Jahr verging. Meine Freundin lud mich wieder ein, meine Ferien mit ihr zu verbringen. Dieses Mal nahm sie mich mit auf eine Gruppen-Konferenz. Dort hörte ich, dass der Herr Jesus auch mein Heiland sein könnte. Ich nahm Ihn an und große Freude kam in mein Herz.

Nach den Ferien ging ich zurück in meine jüdische Arbeit. Ein schwerer Kampf wer in meinem Innersten aufgebrochen. Wie könnte ich sie in ihrer größten Not verlassen? Warum musste mir das geschehen? Warum konnte ich hicht eine Jüdin sein wie alle andern die nicht an Jesus glaubten?

Ich versuchte, ihn zu vergessen, aber konnte es nicht. Meine christlichen Freunde rieten mir, ihn durch die Taufe zu bekennen; dann würde ich seine Hilfe erfahren. Meine Antwort war: "Ich kann nicht!" Dieser Kampf dauerte beinahe zwei Jahre. Ich sah nur Schwierigkeiten: "Was würden meine Eltern, meine Freunde und die Rabbiner sagen?" Ich würde meine Arbeit verlieren; da ich im Dienst einer jüdischen Gemeinde stand. Was würde aus meinen Eltern werden, wenn ich sie nicht mehr unterstützen könnte?" Ich hielt meine Augen auf die Schwierigkeiten gerichtet, die wie Berge vor mir standen und blickte nicht auf Jesus, von dem allein meine Hilfe kommen konnte.

 

top Du bist abgeirrt

Eines Tages ging ich zum Rabbi. Ich empfand, dass ich ihn betrogen hatte und erzählte ihm alles über meinen Glauben an Jesus. Das geschah unter Tränen, mit Furcht und Zittern. Er war sehr freundlich und sagte: "Du bist abgeirrt. Du brauchst nicht an Jesus zu glauben. Du kannst Gott als Vater haben ohne ihn. Lies Psalm 102 und 103 und du wirst sehen, dass Gott auch unser Vater ist."

Wie froh war ich! Wenn ich Gott als meinen Vater so nahe bei mir haben könnte, wie die Christen ihn durch Christus haben, dann könnte ich alles besitzen, was ich begehrte, und es wäre nicht nötig, mich von meinen Angehörigen zu trennen.

Am folgenen Tag  kam er wie gewöhnlich ins Büro. Ich erwartete. dass er mit mir sprechen wurde, um mir zu zeigen. wie nahe Gott uns im jüdischen Glauben ist. Tag für Tag wartete ich darauf, dass er mir das erzählen würde. Doch dann wurde mir klar, warum er nichts sagte. Er hatte nichts, was er mir hätte sagen können.

Es kam Weihnachten 1936. Meine Freundin lud mich wieder ein, in die Schweiz zu kommen, und ich nahm mit Freuden die Einladung an. Am Weihnachtstag waren Worte aus der AposteIgeschicht beständig in meinen Gedanken:

"Was hindert mich, getauft zu werden?"

Ich sah deutlich: Unglaube hinderte mich und Zweifel, dass Christus die Macht hat, alle meine Schwierigkeikeiten aufzulösen. "Unglaube ist Sünde", das war mir klar. Am selben Tag gab der Herr Jesus mir Befehl, ihn öffentlich durch die Taufe zu bekennen.

Ich wusste, dass meine Antwort auf seinen Befehl mein ganzes Leben verändern würde. Sein Befehl gab mir die Kraft zum Gehorsam. Einige Tage später, am Neujahrstag 1937, wurde ich in der Schweiz getauft.

 

top Meine Stärke

Ich schrieb dem Rabbi, dass ich diesen Schritt getan hätte. Als ich drei Tage später in Berlin war, ging ich wie gewöhnlich ins Büro. Der Rabbi kam und teilte mir mit, dass nun eine solche Kluft zwischen ihm und mir, zwischen dem jüdischen Volk und mir bestehe, die nie überbrückt werden könne. Ich wurde sofort entlassen. Meine Kollegin sagte, sie würde lieber Tag und Nacht arbeiten, statt mich weiter im Büro zu haben.

Von den Tagen kann wirklich gesagt werden:

Die Freude am Herrn war meine Stärke (Neh.8,11).

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, denn ich hatte kein Auskommen. Mir war klar: Ich muss Deutschland verlassen, denn ich würde nirgends im Land Arbeit finden. Doch war ich voll Vertrauen. Ich vertraute dem Herrn von ganzem Herzen. Mein Teil war es, ihm zu gehorchen, und ich erwartete, dass er sein Teil tun würde.

Er hat mich nicht enttäuscht. Der Herr wartete schon lange auf die Entscheidung, dass ich mein Leben vorbehaltlos in seine Hände gebe. Sobald ich das tat, begann er zu wirken.

Vierzehn Tage später bekam ich einen Brief von dem Leiter einer Schweizer Bibelschule, von Leuten, die mich nicht kannten und die ich nicht kannte. Sie hatten von mir gehört und der Herr hatte es ihnen ans Herz gelegt, mich in ihre Schule nach Beatenberg kommen zu lassen.

top Der Herr sorgt

Wie liebreich hatte der Herr vorgesorgt. Bevor ich getauft wurde, wusste ich so wenig von ihm. Doch dann lernte ich ihn kennen. Ich vertraute ihm und der Kraft seines kostbaren Blutes. Durch den Heiligen Geistes merkte ich, dass es für einen Christen möglich ist, ein Überwinderleben zu führen.

Als meine Zeit in der Schweiz beendet war, bereitete mir der Herr einen Platz in England und später führte er mich noch Nord-Irland, wo ich unter meinem eigenen Volk arbeitete.

Manchmal werde ich gefragt: "Hast Du gefunden, was Du suchtest?" Ich habe viel mehr gefunden, nämlich den unausforschlichen Reichtum in Christus, den Messias, den ich andern mitteilen möchte. Mein Leben hat nun ein neues Ziel. Ich weiß, warum ich lebe,

"denn Christus ist mein Leben" (Phil.1:21).

Else Leszynski


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Herausgeber :

Harald Fölsch
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