Geyerianer

Klick auf den Kompass öffnet den IndexDie Bezeichnung geht zur�ck auf Heinrich Geyer (1818-1896).

Geyer gr�ndete die "Allgemeine Christliche Apostolische Mission", die heute nicht mehr existiert. Die Geyerianer nehmen aber historisch eine wichtige Zwischenposition zwischen der Katholisch-Apostolischen Kirche und der Neuapostolischen Kirche ein.

Heinrich Geyer, geboren 1818 in Hardechsen bei G�ttingen, war Gerichtsschreiber und Volksschullehrer in Wollbriehausen bei Usslar. Er hatte Kontakt mit der Bewegung Johann-Hinrich Wicherns (Innere Mission). In Wollbriehausen hatte er das Heim Bethesda f�r verwahrloste Kinder gegr�ndet. Um 1848/49 kam er in Kontakt mit der Katholisch-Apostolischen Kirche, indem er irrt�mlich mit der Post eine Schrift des ehemaligen katholisch-apostolischen Pastors Albert K�ppen zugestellt erhielt.

Als er sich der Katholisch-Apostolischen Kirche anschloss und zu ihr bekannte und auch im Schuldienst �ffentlich f�r sie eintrat, wurde er entlassen. Einige Jahre sp�ter wurde er als Korrektor bei der Neuen Preu�ischen Zeitung in Berlin angestellt von dem Direktor Herrmann Wagener, der zur Katholisch-Apostolischen Bewegung geh�rte. 1849 wurde er Unter-Diakon, 1850 wurde er Priester. Seine Priesterweihe erhielt er �brigens zusammen mit dem sp�ter auch einflussreichen "Apostel" Friedrich Wilhelm Schwarz durch den englischen "Apostel" Thomas Carlyle. 1852 wurde er Bischof ("Engel") in der Katholisch-Apostolischen Kirche. Geyer hat angeblich die Gaben der Prophetie, der Glossolalie und der Krankenheilung besessen.

Er war �u�erst einflussreich � nicht nur publizistisch, sondern auch innerhalb der Katholisch-Apostolischen Kirche im deutschsprachigen Bereich. Als ma�geblicher "Prophet" im "Stamm Norddeutschland" hat er fast alle Priester und Engel in Norddeutschland zwischen 1852 und 1862 berufen, auch einige in S�ddeutschland und in der Schweiz.

1860 kam es zu einem entscheidenden Ereignis in Albury, auf dem Sitz des Bankiers Drummond, der zusammen mit Cardale der Begr�nder der Katholisch-Apostolischen Bewegung war. Am 30. Mai 1860 fand eine Konferenz auf dem Gut in Albury statt � und da weissagte der "Prophet" Heinrich Geyer folgendes:

"Sehne dich nach den Aposteln, welche deine St�hle verlassen haben! Der Herr gibt dir zwei Apostel auf die leeren St�hle zum Unterpfand, dass er auch die �brigen noch besetzen wird, dass eure Schultern nicht zerbrechen, n�mlich: Charles B�hm und William Caird als Apostel, denn sie sind als treue Mitarbeiter erfunden worden."

Woodhouse fragte Geyer:

"Haben Sie die Meinung, dass diese zwei M�nner jetzt wirklich Apostel sind?"

Geyer antwortete sehr vorsichtig:

"Die Apostel haben verordnet, dass die Propheten kein Urteil haben sollen �ber das Ergebnis ihrer Weissagungen, sondern die Apostel haben das Urteil zu f�llen. Ich weiss nur, dass dieses Wort vom Heiligen Geist war, wof�r ich verantwortlich bin. Alles �brige �berlasse ich den Aposteln."

Darauf Woodhouse:

"Die Apostel verwerfen diese und jede andere Rufung von Aposteln, weil die jetzigen Apostel ausreichen werden bis zur Wiederkunft Christi."

Die von Geyer berufenen "neuen Apostel", Caird und B�hm, wurden von den alten Aposteln abgelehnt. Sie wurden allerdings, um die Sache g�tlich zu l�sen und eine Spaltung zu vermeiden, als Apostel-Co-Adjutoren eingesetzt, als Apostel-Helfer oder -Stellvertreter, welche aber nur im Auftrag der lebenden Apostel handeln durften. Wenn ihr jeweiliger beauftragender Apostel starb, war auch ihr Auftrag zu Ende.

Aber Geyer gab nicht auf. 1862, zwei Jahre sp�ter, war der Pfeiler-Prophet Oliver Taplin gestorben. Nun bekam Geyer einen noch gr��eren Einfluss. Er war jetzt auf dem H�hepunkt seiner Amtst�tigkeit. Nun weilte er zusammen mit Woodhouse, B�hm und dem Marburger katholisch-apostolischen Professor Thiersch in K�nigsberg, Kaliningrad, wo ein Grundstein f�r eine neue Kapelle gelegt wurde. Am 10. Oktober 1862 war Geyer abends in der Wohnung zusammen mit dem Baumeister und katholisch-apostolischen Priester Rudolf Rosochacky. Geyer berichtet:

"An demselben Abend, den 10. Oktober 1862, lag der Geist des Herrn so schwer auf mir, dass ich k�rperlich fast erdr�ckt wurde. Da mit einemmale kam der Geist Gottes mit Kraft �ber mich und rief den mit anwesenden Diener Rosochacky zum Amte eines Apostels. Jedoch wurde ihm gesagt, er solle sich nicht in die Angelegenheiten der bisherigen Apostel mengen, sondern ruhig abwarten die Zeit, da Gott ihn vor gr��erer Versammlung vieler Zeugen best�tigen w�rde, indem mit ihm eine neue Reihe der Zw�lfzahl beginnen w�rde. Nun, diese Berufung war in aller Ruhe um Mitternacht geschehen, auch von dem Berufenen voll und freudig anerkannt. Weil die �ffentlichen Berufungen verworfen waren, bestand sie vorl�ufig zu Recht; waren doch in England in den vierziger Jahren auch nur im Privatzimmer die Apostel und manche andere �mter berufen."

Woodhouse erfuhr einige Wochen lang nichts von diesen Vorg�ngen. Geyer konnte zun�chst unbehelligt weiter in den Gemeinden wirken. Allerdings kam es dann doch zum offenen Konflikt, aber � wie nach au�en hin gesagt wurde � nicht in erster Linie wegen dieser heimlichen Apostelberufung, sondern weil Geyer eine Lehre vertrat, die abwich von der offiziellen katholisch-apostolischen Lehre. Und zwar lehnte Geyer die Vorentr�ckung ab, die bei den Katholisch-Apostolischen Gemeinden vertreten wurde � also die Ansicht, dass die auserw�hlten Heiligen oder Gl�ubigen vor der Tr�bsalszeit entr�ckt werden. Das f�hrte nun zu Problemen. Im Dezember 1862 wurde Geyer von seinem Dienst als Prophet der Katholisch-Apostolischen Gemeinden suspendiert. Auch die Sache mit Rosochacky war inzwischen bekannt geworden, und es kam nun zum Beginn der sp�teren Neuapostolischen Bewegung in Hamburg ab 1862. Die Hamburger Gemeinde ist praktisch die Kernzelle, aus der dann auch die Neuapostolische Bewegung hervorwuchs. 1862 z�hlte sie ungef�hr 150 Mitglieder und stand unter der Leitung des Bischofs oder Engels Friedrich Wilhelm Schwarz (oft auch "Schwartz" geschrieben). Der wiederum war dem Berliner Bischof oder Engel Carl Rothe unterstellt. Geyer informierte Schwarz im Dezember 1862 mit einem Brief �ber seine Entlassung und teilte nun auch Schwarz die Berufung Rosochackys zum Apostel mit. Schwarz lie� daraufhin Rosochacky und Geyer nach Hamburg zu sich kommen und stellte sie am 4. Januar 1863 vor die versammelte Gemeinde. Schwarz legte sein Bischofsamt unter dem Engel Rothe nieder und nahm Rosochacky als seinen Apostel an, dem er sich nun unterstellte. Er entzog sich also seinem Vorsitzenden in Berlin, dem dortigen Bischof, und setzte sich selber unter den von Geyer berufenen Apostel Rosochacky.

Schwarz fragte die Hamburger Gemeinde:

"Wer diesen Bruder als Apostel annehmen will, der stehe auf!"

Alle erhoben sich, bis auf f�nf Glieder. Rosochacky nun hob die Exkommunikation Geyers auf und setzte alle Amtstr�ger wieder in ihre �mter ein. Nun allerdings kam es zu einem weiteren Schlag f�r Schwarz und Geyer:

Rosochacky schwenkte um. Der erstgerufene Apostel nach den von Geyer vorgeschlagenen und wieder fallengelassenen Amtstr�gern Caird und B�hm legte sein Apostelamt nieder � und zwar beeinflusst von seiner Frau und den Amtstr�gern in K�nigsberg. Nachdem er dorthin zur�ckgekehrt war, redeten diese ihm seine Berufung durch Geyer aus und sagten, er solle sich doch weiterhin der Autorit�t der englischen Apostel unterstellen. Das, was da heimlich geschehen sei, sei nicht richtig und er sei ein Opfer teuflischer Verf�hrungsk�nste geworden. Nach seiner Widerrufserkl�rung wurde Rosochacky wieder in die Katholisch-Apostolische Gemeinde aufgenommen, und zwar am 5. April 1863, bereits einen Monat sp�ter, und bald darauf zum Bischof oder Engel geweiht.

Nun waren Geyer, Schwarz und die Hamburger in einer schwierigen Lage. Man suchte zun�chst wieder Anschluss an die Berliner Gemeinde, aber das amtliche Verfahren gegen Geyer und Schwarz war bereits eingeleitet. Nach Geyer wurde jetzt auch Schwarz exkommuniziert. Woodhouse exkommunizierte Geyer und Schwarz zun�chst inoffiziell in der Sakristei der Berliner Gemeinde und dann auch offiziell in einem Brief vom 6. Februar 1863, adressiert an die Hamburger Gemeinde, was nun auch die formelle Trennung und � man kann sagen � die Geburtsstunde der neuapostolischen Richtung bedeutet hat. Dieser Ausschlussbrief hat die Trennung offiziell besiegelt. Nun ging die Hamburger Gemeinde unter Schwarz und Geyer ihren eigenen Weg. In Abwesenheit Geyers wurde durch einen Diakon prophetisch der Hamburger Priester Carl Wilhelm Preu� zum Apostel berufen. Geyer allerdings hatte nachher gro�e Probleme gerade mit diesem Preu�, den er selber gar nicht berufen hatte. Es gab also auch in der neuen Gruppe von Anfang an Spannungen, so dass Geyer sogar sagen konnte: "...ich konnte geschehene Dinge nicht ungeschehen machen. Es war im Wege der Unordnung geschehen, so wie Ruben seines Vaters Jacob Bette bestiegen, so konnte auch ich ein solch uneheliches Kind nicht t�dten (sic!). Wir mussten nun unser Schicksal tragen, bis am 25. Juli 1878 dieser Bruder Preu� starb. Ich schweige von all dem Leiden, welches uns w�hrend der Zeit widerfuhr." Wie hie� denn jetzt diese selbst�ndig gewordene Hamburger Gemeinde? Sie nannte sich zun�chst "Allgemeine Apostolische Gemeinde" und bald darauf, noch in den Sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, "Allgemeine Christliche Apostolische Mission". Friedrich Wilhelm Schwarz reiste sp�ter nach Amsterdam in Holland aus. Dort missionierte er und gr�ndete die "Apostolische Zendings Gemeemte" ("Apostolische Missionsgemeinde").

Am 30. Oktober 1864 wurden von Geyer weitere Apostelberufungen vorgenommen, um die Sechszahl zun�chst einmal voll zu machen. Der Kohlenmakler Peter Wilhelm Louis Stechmann wurde Apostel f�r Ungarn, der Schlosser Johann Christoph Leonhard Hohl Apostel f�r Hessen, der Korbmacher, Lehrer und Polizeiw�chter Heinrich Ferdinand Hoppe Apostel mit dem Ziel f�r USA, der Schuhmacher und Porzellanh�ndler Johann August Ludwig B�secke Apostel f�r Schlesien. Am zweiten Pfingstfeiertag 1863 wurde Schwarz selber zum Apostel berufen, und zwar nicht nur durch Heinrich Geyer, sondern durch "viele weissagende Gotteskinder" aus der Gemeinde, wie es in einer neuapostolischen Schrift (in der Biographie �ber Fritz Krebs) heisst. Und warum wird in dieser Schrift betont, dass Schwarz nicht nur durch Geyer berufen worden ist? Weil Geyer sich sp�ter von der neuapostolischen Entwicklung getrennt hat. Also ist es den heutigen Neuapostolischen wichtig zu betonen, dass nicht nur Geyer, sondern auch andere Friedrich Wilhelm Schwarz berufen haben, der als erster f�hrender Vertreter der neuapostolischen Bewegung angesehen wird.

Zwischen Geyer und dem unabh�ngig von ihm berufenen Apostel Preuss kam es �brigens aus vier Gr�nden zu Spannungen und sp�ter auch zur Spaltung:

a. Geyer hatte als Prophet immer wieder Probleme mit den Aposteln und ihrer Autorit�t. Er wollte seine Prophetenautorit�t, seine direkten Eingebungen �ber die apostolische Autorit�t stellen oder zumindest als gleichwertig betrachten, sich ihr jedenfalls nicht unterwerfen, da er sich ja als derjenige f�hlte, der die neue Reihe der Apostel (au�erhalb der Katholisch-Apostolischen Kirche) initiiert hatte.

b. Er war noch nicht so kirchenfeindlich und separatistisch eingestellt wie die sp�teren Neuapostolischen. Ihm wurde von seinen Gegnern eine �kumenische, ja geradezu kirchenfreundliche Gesinnung vorgeworfen.

c. Die Vorentr�ckung lehnte er ab.

d. Er lehrte, dass alle Christen Erstlinge seien und darum die Versiegelung nicht notwendig w�re.

Wie kam es zur Spaltung zwischen Geyer auf der einen Seite und Schwarz sowie dem sp�teren einflussreichen Apostel und ersten Stammapostel Fritz Krebs auf der anderen Seite? Am 31. M�rz 1878 berief Geyer in Abwesenheit und ohne Kenntnis des todkranken Apostels Preu� bereits dessen Nachfolger in einem Gottesdienst, n�mlich den Kohlenh�ndler Johann Friedrich G�ldner als Apostel f�r Norddeutschland und Skandinavien. Kurz darauf starb Preu�.

Aber nun hatte sich eine starke Oppositionsgruppe gegen Geyer und den von ihm berufenen Apostel G�ldner gebildet. Es kam zum offenen Austrag dieser Differenzen in einem sogenannten Gottesdienst am 4. August 1878, wo es tumultartige Vorg�nge gab. Und zwar widersprach eine starke Gemeindegruppe der Einsetzung G�ldners zum Apostel durch Geyer. Diese Oppositionsgruppe wurde von dem Hirten Eduard Wichmann gef�hrt, den Preu� noch auf seinem Sterbebett als Nachfolger eingesetzt hatte. Die rechte Hand Wichmanns war der sp�tere einflussreichste Mann der Neuapostolischen Bewegung, Fritz Krebs. Die Folge war, dass Wichmann Geyer f�r abgesetzt erkl�rte. Daraufhin verlie� Geyer, allerdings mit dem gr��ten Teil der Gemeinde, den Saal und es kam zur Trennung. Aus der Hamburger Restgemeinde, die blieb, ging die Neuapostolische Gemeinde hervor (sie trug zun�chst den Namen "Allgemeine Apostolische Mission"). Der gr��ere Teil der Gemeinde aber hatte sich vorher abgetrennt. Geyer hat dann wieder eine eigene Gemeinde gegr�ndet, die den Namen "Allgemeine Christliche Apostolische Mission" beibehielt. Es ist aufschlussreich, dass G�ldner, der von Geyer berufene Apostel, aber auch Wichmann, im Apostelverzeichnis der Neuapostolischen Kirche nicht gef�hrt werden. Die von Geyer und G�ldner geleitete Gruppe konnte sich einige Jahrzehnte (namentlich bis Geyers Tod im Jahre 1896) halten und sogar Zuwachs verzeichnen, ging dann aber kontinuierlich zur�ck. Heute ist sie ausgestorben.

Zur weiteren Darstellung und Beurteilung: Katholisch-Apostolische Kirche; Krebs, Fritz; Niehaus, Hermann; Bischoff, Johann Gottfried; Neuapostolische Kirche, Falsche Propheten, Apostel.

Lit.: Schr�ter J. A., Die Katholisch-Apostolischen Gemeinden in Deutschland und der "Fall Geyer", Dissertation, Martin-Luther-Universit�t, Halle-Wittenberg 1996; L. Gassmann, Neuapostolische Kirche. Gibt es wieder Apostel?, 2001.

Allgemeine Christliche Apostolische Mission: Geyerianer

Lothar Gassmann


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2. Kleines Kirchen-Handbuch
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