Spener, Philipp Jakob

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Spener, Philipp Jakob (1635-1705) war der Verfasser der "Pia Desideria" (lat.: "Fromme W�nsche"), der Programmschrift des Pietismus. Ihr Erscheinungsjahr 1675 wird heute von der �berwiegenden Zahl der Forscher als Beginn des Pietismus angesehen, wobei es freilich zuvor zahlreiche vorbereitende Kr�fte gab (etwa Luther selber in seiner urspr�nglichen Intention, vor allem aber Johann Arndt, Jean de Labadie, Theodor Undereyck u.v.a.). Mit Spener selber nun erreichte der Pietismus seinen Durchbruch. Die Pia Desideria erschien urspr�nglich als Vorrede zur Neuausgabe der Evangelienpostille von Johann Arndt, dem Verfasser des umfangreichen und weitverbreiteten Erbauungsbuches "Vom Wahren Christentum" (1605-1610). Spener war in dieser Zeit Senior (Oberpfarrer) in Frankfurt am Main und somit eine hochgestellte Pers�nlichkeit. Sp�ter wurde er Hofprediger in Dresden und Propst in Berlin. Hauptanliegen Speners in der Pia Desideria sowie in sp�teren Schriften (z.B. "Der hochwichtige Articul von der Wiedergeburt", 1701) waren: a. die Kirchenreform; b. die Hoffnung besserer Zeiten f�r die Kirche; c. die >Wiedergeburt. Dabei dachte und argumentierte Spener in den Bahnen Luthers und streng innerkirchlich. Mystische Spekulationen und separatistische Tendenzen, wie sie bei anderen Pietisten vorkamen, waren ihm zwar vertraut, doch lehnte er sie letzten Endes ab.

a. Die Kirchenreform:

Speners Grundanliegen lautete:

Das Wort Gottes soll reichlicher unter uns wohnen. Dies geschieht durch Predigt, eigene Bibellese (dies war schon zur Zeit Luthers revolution�r) und Evangelienlektionen. Kirchenversammlungen nach 1. Kor. 14 sollten eingerichtet werden, sogenannte "Collegia pietatis" (lat.: "Versammlungen der Fr�mmigkeit") mit Bibel- und Erbauungsliteratur (das war die Vorstufe der sp�teren pietistischen "Stunden"). Die Laien sollten sich auch ohne Anwesenheit von Geistlichen versammeln d�rfen. Dieser Vorschlag geht schon auf Martin Luther zur�ck, der in seiner "Vorrede zur Deutschen Messe" (1526) drei Gottesdienstformen beschrieben hatte:

1. den lateinischen Gottesdienst,

2. den deutschen Gottesdienst.

3. den Gottesdienst als die Versammlung derer, "die mit Ernst Christen sein wollen" und sich so auch zus�tzlich zum regul�ren Gottesdienst versammeln sollten. Luther allerdings hatte damals in Wittenberg nicht die Christen, die wirklich so ernsthaft waren, um dies durchzuf�hren. Aber zu Speners Zeit (bereits ab 1670) wurde dies dann m�glich. Im Hintergrund dieser Regelung stand das Priestertum aller Gl�ubigen: Nicht nur die Pfarrer, sondern auch die Laien haben die priesterliche Aufgabe, das Wort Gottes zu verk�ndigen. Betont wurde ferner die "Praxis pietatis" (lat.: "Fr�mmigkeitspraxis"), die in der Liebe konkret wird. Die Erbauung zur St�rkung und Bewahrung wurde eingef�hrt sowie die Mitarbeiterschulung, die geistliche und praktische Zur�stung derer, die mit Ernst Christen sein wollten. Auch das Theologie-Studium sollte reformiert werden: Professoren und Lehrer sollten Vorbilder und Seelsorger ihrer Studenten sein, sie sollten die Ehre Gottes suchen. Theologie ist � wie Spener richtig erkannte � eine praktische Sache und an ein gottseliges Leben gebunden.

b. Die Hoffnung besserer Zeiten:

Spener betonte ferner die Hoffnung besserer Zeiten f�r die Kirche sowie die Rettung Israels, nachdem die F�lle der Heiden zum Heil eingegangen ist (vgl. R�m 11). �ber dreihundert Jahre sind seither vergangen. Spener entnahm diese Erkenntnis der Heiligen Schrift und glaubte diese Aussagen, die sich in unserer Zeit mit der R�ckkehr der Juden in ihr Land und der Staatsgr�ndung Israels im Jahre 1948 zu erf�llen begonnen haben. Spener rechnete auch mit dem Fall des p�pstlichen Roms. Dies war noch eine andere Zeit des Pietismus! Demgegen�ber l�dt heutzutage selbst der "pietistische" w�rttembergische Landesbischof Gerhard Maier zum "�kumenischen Kirchentag" ein (�kumene).

c. Die Wiedergeburt:

Zentral war f�r Spener die Lehre von der Wiedergeburt.

Man kann seine Erkenntnis so zusammenfassen:
Prinzipiell hielt Spener (in lutherischer Tradition) noch an einer "Taufwiedergeburt" fest, die auf der allem menschlichen Erkennen und Wirken zuvorkommenden g�ttlichen Gnade (lat. gratia praeveniens) beruht. In dieser verbleibt der Mensch allerdings nicht, wie Spener betont, sondern er f�llt im (nat�rlichen) Zustand des Unglaubens aus der Taufgnade. Erst wenn der rettende pers�nliche Glaube hinzukommt, im Moment des Gl�ubigwerdens also, geschieht gewisserma�en eine Erneuerung des in der Taufe Geschenkten, eine Erneuerung der Wiedergeburt oder "zweite Wiedergeburt".

Alles tritt zugleich ein:
Entz�ndung des Glaubens, Rechtfertigung und geistliche Erneuerung. Gott wirkt eine neue Kreatur. Das ist Wiedergeburt, all das geschieht in einem Augenblick und ist doch mit innerem geistlichem Wachstum verbunden. Die Geistestaufe, die Einwohnung des Heiligen Geistes, erfolgt gem�� Eph 1,13:

"In ihm seid auch ihr, da ihr gl�ubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verhei�en ist ..."

Wann also sind wir versiegelt worden mit dem Heiligen Geist? Als wir gl�ubig geworden sind. Als Gott in seiner Gnade den echten, rettenden, bu�fertigen Glauben in uns gewirkt hat. Es gibt im Pietismus keine Stufenlehre wie heute bei manchen Vertretern der Pfingstbewegung. Sobald der Mensch an Jesus Christus als seinen Erl�ser und Herrn glaubt, hat er also Vergebung der S�nden und ist eine von Gott gewirkte neue Kreatur. Die guten Werke kommen dazu � nicht als Heilsgrundlage, sondern als Heilsfolge. Es ist Speners und des Pietismus unbestreitbares Verdienst, gegen�ber der Behauptung einer geradezu "automatischen" Zueignung der Wiedergeburt durch die "Taufgnade" im Katholizismus und bei Vertretern des Luthertums die entscheidende Dimension des pers�nlichen Glaubens wieder ganz neu ans Licht gehoben zu haben. Jeder falschen Heilssicherheit im Sinne einer durch die S�uglingstaufe begr�ndeten "Volksreligion" wird hier � wenn auch noch recht vorsichtig � die Spitze abgebrochen. Dabei �bersieht auch Spener nicht, dass der Glaube und die von diesem ergriffene Gnade alleiniges Geschenk Gottes ist.

Lit.: L. Gassmann, Pietismus � wohin? Neubesinnung in der Krise der Kirche, 2003

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de