Fegfeuer

Klick auf den Kompass öffnet den IndexEine typisch katholische Sonderlehre bezüglich der Eschatologie ist die Lehre vom Fegefeuer, lateinisch ‘purgatorium’. Im Fegefeuer, Läuterungsfeuer, werden keine Todsünden vergeben oder bereinigt, sondern gewisse leichte Sünden mit dem Ziel, dass der Mensch völlig gereinigt und geheiligt seinem Schöpfer in der Ewigkeit gegenübertreten kann. Papst Gregor der Große wird im römisch-katholischen Katechismus unter Nummer 1031 zitiert. Da heißt es:

"Man muß glauben, daß es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt, weil die ewige Wahrheit sagt, daß wenn jemand wider den Heiligen Geist lästert, ihm ´weder in dieser noch in der zukünftigen Welt` vergeben wird (Mt 12,32). Aus diesem Ausspruch geht hervor, daß einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können."

Ein weiterer Beleg wird aus den Apokryphen genommen. Man stützt sich auf 2. Makkabäer 12,45 — das Gebet für die Verstorbenen:

"Darum veranstaltete Judas, der Makkabäer, das Sühnopfer für die Verstorbenen, damit sie von der Sünde befreit werden."

Hier ist allerdings nicht vom Reinigungsfeuer die Rede, sondern nur davon, daß ein Sühnopfer für Verstorbene gebracht wurde. Wir wissen ja, dass das 2. Makkabäer-Buch nicht zum biblischen Kanon nach reformatorischem Verständnis gehört, sondern zu den Apokryphen, die Gottes Wort nicht gleichzuhalten sind, weil sich hier Lehren finden, die im Widerspruch zum biblischen Kanon stehen (Schrift, Tradition und Lehramt).

Alan Schreck gibt in seinem Buch "Christ und Katholik" zu, dass der Begriff ‘Fegfeuer’ selbst in der Bibel nicht zu finden ist. Aber er weist durchaus treffend daraufhin, dass das auch von anderen wichtigen Worten gesagt werden kann, wie etwa ‘Trinität’ oder ‘Inkarnation’. Der Begriff selber findet sich nicht, aber, so wird behauptet, die Sache.

Nun, wie wird das begründet? Zunächst wird gesagt, dass

"Fegfeuer nicht eine zweite Chance" ist, "erlöst zu werden für diejenigen, die Gott zurückgewiesen und ein Leben in der Sünde gelebt haben".

Viel eher sei das Fegfeuer

"als ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes für diejenigen zu verstehen, die ernsthaft versucht haben, Gott zu erkennen und seinen Willen in ihrem Leben zu tun und die dann in einem gewissen Maß in der Bindung an Sünde oder deren Auswirkungen sterben" (S. 198 f.).

Das gilt also für Gottsuchende oder sogar für Gläubige, die aber mit gewissen Sünden behaftet geblieben sind. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Reicht das Opfer Christi für solche denn nicht aus, die zwar Christen sind, aber mit gewissen Sünden behaftet in den Tod gingen? Die Frage stellt auch Schreck. Er sagt:

"Sind die Verdienste von Christi Tod nicht ausreichend für eine vollständige Nachlassung der Sünde? Die Antwort auf diese letzte Frage heißt ´Ja!` Alle Sünde ist durch das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi völlig vergeben und hinweggetan. Fegefeuer ist eine Weise, durch die diese Erlösung durch Jesus konkret wirksam und einem Menschen zuteil wird. Wenn jemand in einer gewissen Bindung an Sünde stirbt, oder durch Auswirkungen von Sünde beeinträchtigt wurde, muß diese Sünde mit ihren Auswirkungen entfernt und vergeben werden; es muß eine Reinigung geschehen, bevor der Mensch Gott von Angesicht zu Angesicht schauen kann. Warum? Wegen der Heiligkeit Gottes. Sünde und Gott sind einander völlig entgegengesetzt ... Fegfeuer bedeutet, daß ein Mensch immer näher zu Gott gezogen wird und am Ende in der vollen Herrlichkeit seiner Gegenwart steht; die verbliebene Sünde im Leben dieses Menschen wird weggebrannt durch das verzehrende Feuer von Gottes Haß gegen die Sünde und von seiner Liebe zu dem durch die Sünde gebundenen Menschen" (ebd.).

Hier stellt sich doch die Frage: Reicht denn Christi Opfer nicht aus, alle Sünde wegzubrennen? Warum braucht es hierzu Zusatzleistungen? Wir merken, hier wird die Lehre ‘Allein aus Gnade’ und ‘Christus allein’, die den Reformatoren so wichtig war, völlig verkehrt in eine Zusatzleistung, weil zwar gesagt wird, es reicht aus, andererseits reicht es doch nicht aus. Hier ist also eine Widersprüchlichkeit zu erkennen. Man geht von der Ansicht aus: Wenn ein Mensch am Ende in Sünden stirbt, die jetzt nicht gebeichtet worden sind, dann kann man nach dem Tode Läuterung erwirken durch Opfer, durch Gebet, durch Messen für die Verstorbenen — eben auch durch Ablässe -, damit die armen Seelen aus dem Fegefeuer befreit werden können.

Auch das Leiden der Heiligen, der Mystiker, dient sehr stark dazu, ein Zusatzopfer zu bringen, um diese Menschen herauszureißen. Da existiert eine umfangreiche Heiligenliteratur im katholischen Bereich, in der immer wieder beschrieben wird, wie Opfer für die armen Seelen gebracht werden von Mystikerinnen und Mystikern. Dabei handelt es sich großenteils um schauderhafte Geschichten, z.B. von Menschen, die wegen ihrer "Opferbereitschaft für die Armen Seelen" jahre- oder jahrzehntelang an das Bett gefesselt sind oder die stigmatisiert wurden und furchtbar gelitten haben (Heiligenverehrung). Hier besteht ein zu kleiner Glaube an die Macht und Güte Gottes. Man will Gott nicht zutrauen, daß er das Gesamtleben des Menschen im Blick hat und nicht die letzten Minuten eines Menschen, in denen vielleicht keine Sünden mehr gebeichtet werden konnten, entscheidend macht für den ewigen Zustand. Und andererseits können wir natürlich auch davon ausgehen, daß das Opfer Christi für alle Sünden ausreicht, auch für die, die in den letzten Stunden vor dem Tod begangen wurden. Selbst wenn kein Priester da war, der die letzte Ölung vorgenommen hat oder die Beichte abgenommen hat, können wir doch von einem so großen Gott ausgehen, der die Gesamthaltung des Menschen zu ihm sieht, die Haltung des Herzens:

"Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr sieht das Herz an!" (1. Sam 16,7).

Man stützt sich ferner auf 1. Korinther 3,11-15, wo es heißt:

"Einen andern Grund kann niemand legen, als den, der gelegt ist, Jesus Christus. Ob aber jemand auf den Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut, das Werk eines jeden wird offenbar werden. Jeder Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn, brennt es nieder, dann muß er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch."

Dieser Text wird herangezogen zur Begründung, dass es ein Fegefeuer gibt, dass der Mensch gerettet wird durch das Feuer hindurch. Man beachte aber, dass hier nicht steht "durch das Feuer hindurch", sondern "wie durch das Feuer hindurch." Es handelt sich also um einen Vergleich und den Hinweis, daß es Christen gibt, die unterschiedliche Werke tun für den Herrn. Es ist ein Hinweis, daß es Werke gibt, die mehr für das Reich Gottes bringen und andere, die weniger bringen, die uns aber nicht erlösen können, sondern die dann eben möglicherweise — das ist ja die Lehre vom Preisgericht — im Reich Gottes unterschiedliche Urteile empfangen. Aber grundsätzlich wird der Mensch gerettet, wenn er an Jesus glaubt. Und wenn es heißt, "wie durch Feuer hindurch", dann ist es jemand, der sehr wenig Frucht gebracht hat, aber trotzdem im Glauben gestorben ist. Es steht hier aber nicht, daß er dann in einen Leidenszustand, sprich Fegefeuer, kommt aus dem er gerettet werden muß. Das ist eine Hineindeutung, die über das, was dieser Text sagt, hinausgeht.

Im "Kommentar zum Neuen Testament" heißt es zu dieser Stelle:

"Das Feuer aber, das dann die Dinge erprobt, bildet den alles durchdringenden, allen Schein zerstörenden, das wahre Wesen der Dinge enthüllenden Gerichtsernst Gottes ab, wie er an jenem Tage sein Werk tun wird" (Philipp Bachmann, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, KNT VII, Leipzig / Erlangen, 3. Aufl. 1921, S. 165).

Zum gleichen Ergebnis gelangt Wolfgang Schrage im ökumenischen "Evangelisch-Katholischen Kommentar zum Neuen Testament":

"Auch für Paulus ist Feuer, das in diesem Sinn ... bei ihm nur hier vorkommt, Gerichtsfeuer und Begleiterscheinung des Weltenrichters, nicht aber Vernichtungs- oder Läuterungsmittel, auch nicht Medium des Weltbrandes ... Die Stelle hat in der Tradition lange Zeit als Beleg für die Fegefeuerlehre gegolten, was in der neueren Exegese aber fast einhellig zu Recht bestritten wird. Beim Feuerpurgatorium wird vorausgesetzt, daß der Schuldige im Feuer geläutert wird, hier dagegen wird er dem Feuer entrissen (´wie durchs Feuer` bezieht sich auf die Rettung, nicht auf eine Bestrafung). Die meisten verstehen hos dia pyros (griech.: wie durchs Feuer hindurch; L. G.) als sprichwörtliche Redensart, die ähnlich vor allem im Alten Testament bezeugt wird. Sie besagt, daß der Betreffende nur mit knapper Not dem Feuer entkommt" (W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, EKK VII, Zürich / Braunschweig 1991, S. 302 ff.).

Es wird auch in der Fußnote im Katechismus zu Nummer 1030 auf 1. Petrus 1, 7 hingewiesen. Da geht es um die Anfechtungen. Und da heißt es,

"damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus."

Aber auch hier handelt es sich um einen Vergleich, dass der Glaube kostbarer befunden werde als das Gold, der Glaube, der in den Anfechtungen geläutert wird, aber nicht durch Gebete für die Verstorbenen.

Wir stellen somit fest: Der Glaube der Römisch-Katholischen Kirche an ein Fegefeuer besitzt keine biblische Grundlage.

Sie hierzu auch: Eschatologie der Römisch-Katholischen Kirche; Ablass.

Lothar Gassmann


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Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de