Eschatologie heisst "Lehre vom Letzten", "Lehre vom Ende" (griech. to eschaton) oder "Lehre von den letzten Dingen" (griech. ta eschata).
Das griechische Adjektiv "eschatos" ist die aus der Pr�position "ek" bzw. "ex" ("aus", "von � weg") abgeleitete Superlativform und bedeutet grunds�tzlich: "am weitesten weg", "am weitesten drau�en". Dies kann r�umlich, zeitlich und im �bertragenen Sinn aufgefasst werden. R�umlich bezieht es sich auf den �u�ersten Ort (z.B. "die Enden der Erde"), zeitlich auf die letzte Zeit (z.B. "das Ende der Tage"), im �bertragenen (qualitativ-axiologischen) Sinn auf einen Endpunkt in einer Reihe von Sachverhalten, einen � auf negative oder positive Weise � besonders hervorgehobenen Menschen ("Erste und Letzte") u.�. In der Septuaginta und im Neuen Testament kommen alle drei Bedeutungen vor, wobei die zeitliche �berwiegt.
Die Definition dessen, was Eschatologie ist, ist keineswegs eindeutig. Sie h�ngt vom theologischen oder philosophischen Standpunkt des Definierenden ab.
a. Im traditionellen christlichen Sinne bezieht sich Eschatologie vor allem auf die zeitliche Dimension. Sie bedeutet � wie schon gesagt � "Lehre von den letzten Dingen" im zeitlichen Sinn und somit: "Lehre von der Endzeit". In der Terminologie der altprotestantischen Orthodoxie handelt es sich um den Locus "De novissimis" mit den Teilen mors (Tod), mortuorum resurrectio (Auferstehung der Toten), extremum iudicium (Endgericht), consummatio mundi (Vollendung oder Ende der Welt), infernum sive mors aeterna (H�lle bzw. ewiger Tod) und coelum sive vita aeterna (Himmel bzw. ewiges Leben).
b. Neben der spezifisch christlichen Eschatologie, die eine Vielzahl von Variationen erfahren hat und erf�hrt, gibt es den Versuch insbesondere der Religionsgeschichtlichen Schule , den Begriff "Eschatologie" allgemein auf die Jenseits-Vorstellungen au�erchristlicher >Religionen und Kulte anzuwenden: auf alles, was nach deren Vorstellung nach dem Tod geschieht, also auch Unsterblichkeit der Seele, Seelenwanderung, Reinkarnation u.�. Dabei f�llt auf, dass z.B. die letztgenannten Lehren gar nicht eschatologisch (end-geschichtlich) im strengen Sinne, sind, sondern einem eher zeitlos-zyklischen (kreisf�rmigen) Denken entsprechen. Hier w�re es m.Eschatologie treffender, nicht von "Eschatologie" zu sprechen, sondern von postmortaler Anthropologie (die Frage, was mit dem Menschen nach dem Tod geschieht).
Zwar wird auch im christlichen Bereich unterschieden zwischen individueller (den einzelnen Menschen betreffender) und kollektiver (die Menschheitsgeschichte und den Kosmos betreffender) Eschatologie, doch bleiben beide untrennbar miteinander verbunden und laufen auf ein von Gott gesetztes Ziel zu. Dem zyklischen Denken etwa der fern�stlichen Religionen steht � bereits im Alten Testament � die linear-teleologische oder finalistische (zielgerichtete) Geschichtsschau gegen�ber. Gott ist ein lebendiger Gott, der Israel und im Neuen Bund die Gemeinde Jesu Christi als sein Volk erw�hlt hat und es durch H�hen und Tiefen, Anfechtung und Treue hindurch seinem Ziel zuf�hrt.
Aus dem zuletzt Gesagten wird bereits der enge Zusammenhang der Eschatologie insbesondere mit der Ekklesiologie (Lehre von der Gemeinde) und der Heilsgeschichte deutlich. Eschatologie handelt in erster Linie von der Vollendung der in der Ekklesia (Gemeinde) versammelten Gl�ubigen (daneben freilich auch vom Schicksal der Ungl�ubigen, wie immer auch dieses bestimmt wird). Und geht man von der Existenz einer von Gott gesetzten Heilsgeschichte aus, dann beschreibt die Eschatologie die letzte Stufe im Plan des Weltendramas. Wesentliche Verbindungen ergeben sich freilich auch zur >Christologie (Lehre von Christus) und Soteriologie (Lehre von der Erl�sung), da die Vollendung der Gl�ubigen allein auf Jesus Christus und seinem Heilswerk beruht. Ohne Christus bliebe das Reich des Eschaton leer. Es gibt daher keine Eschatologie im biblischen Sinn ohne Christologie und Soteriologie. Schlie�lich ist die Beziehung zur Gottes- und Sch�pfungslehre (einschlie�lich >Anthropologie, Lehre vom Menschen) zu nennen. Die Eschatologie umfasst � je nach Standpunkt � Vollendung oder Abbruch dieser von Gott geschaffenen Welt. Sie ist insofern das Gegenst�ck zur Protologie (Lehre vom Anfang, von den ersten Dingen). So wie Gott am Anfang die Welt geschaffen hat, so hat er ihr auch einen End- oder Zielpunkt gesetzt. Und die Frage, was mit dem Menschen nach seinem Tod geschieht, ist das ureigentliche Thema der individuellen Eschatologie
Die eschatologischen Modelle und Systeme, die in der Kirchengeschichte entwickelt wurden, sind zahlreich. Sie h�ngen mit unterschiedlichen philosophischen und theologischen Vorstellungen, vor allem mit einer unterschiedlichen Hermeneutik (Ansicht �ber die Auslegung einer Schrift) zusammen. Das Schriftverst�ndnis bestimmt auch im Blick auf die Eschatologie, welches Deutungsmuster gew�hlt wird. Die hier in Betracht kommenden Texte sind namentlich die prophetischen und apokalyptischen Verse, Kapitel oder B�cher des Alten und Neuen Testaments. Am einflussreichsten wurden folgende Systeme:
a. Die endgeschichtliche Deutung (z.B. J. A. Bengel, J. K. v. Hofmann, K. A. Auberlen, K. Heim, O. Cullmann) ist die in der Kirchengeschichte gebr�uchlichste: Die prophetischen und apokalyptischen Worte reden von zuk�nftigen Ereignissen, die auf ein endzeitliches Ziel zulaufen. Die endgeschichtliche h�ngt untrennbar mit der heilsgeschichtlichen Deutung zusammen.
b. Die zeitgeschichtliche Deutung (F. L�cke, W. G. K�mmel u.a.) steht in schroffem Gegensatz hierzu. Sie bezieht die prophetischen und apokalyptischen Worte auf Geschehnisse, die sich zu Lebzeiten der Verfasser abgespielt, bzw. auf Personen, die damals gelebt haben. Sie rechnet nicht mit wirklicher Zukunftsprophetie. Eng damit verwandt ist die Konsequente Eschatologie (J. Wei�, A. Schweitzer, F. Buri).
c. Die kirchen-, welt- und reichsgeschichtliche Deutung (ebenfalls J. A. Bengel) rechnet hingegen mit Prophetie, bezieht diese aber weniger auf das Ende der Welt, sondern mehr auf die vergangene, gegenw�rtige und zuk�nftige Kirchen-, Welt- und Reich-Gottes-Geschichte (ohne die Endgeschichte dabei auszuschlie�en).
d. Die �bergeschichtliche oder transzendentale Deutung (der junge K. Barth, P. >Tillich) m�chte allgemeine religi�se Wahrheiten aus den biblischen Texten herauslesen, ohne sich in Diskussionen �ber den historischen Rahmen, in dem diese stehen, hineinzubegeben.
e. �hnliches gilt f�r die axiologische Deutung (der junge P. Althaus), welcher es nicht um eine temporale Chronologie von Ereignissen, sondern um die Werthaftigkeit eschatologischer Aussagen, ihren Ewigkeitsbezug geht.
f. Die allgemein-religi�se oder religionsgeschichtliche Deutung (Religionsgeschichtliche Schule) erstrebt �hnliches, geht aber weiter als die �bergeschichtliche Deutung, indem sie den von der Historie losgel�sten Wahrheitsgehalt auch in au�erbiblischen Schriften, den "heiligen B�chern" anderer Religionen entdecken m�chte.
g. Der traditionsgeschichtlichen Deutung liegt die Hypothese zugrunde, dass sich in den biblischen Schriften � und insbesondere in ihren prophetischen und apokalyptischen Teilen � uralte Mythen und Elemente aus anderen Religionen finden. Dementsprechend arbeitet sie wie die allgemein-religi�se Auslegung, mit der sie eng verwandt ist, mit dem religionsgeschichtlichen Vergleich.
h. Die existentiale Deutung (R. Bultmann) betrachtet die prophetischen und apokalyptischen Aussagen der Heiligen Schrift als Mythen und Symbole, in denen verschl�sselt von der Existenz des Menschen die Rede ist. Ihnen kommt keine futurische, sondern eine pr�sentische Bedeutung zu.
i. Die politische Deutung (J. Moltmann, >Politische Theologie) betrachtet das eschatologisch verhei�ene Reich Gottes als vom Menschen zu schaffendes oder mit vorzubereitendes Werk.
j. Die christologische Deutung sucht weder nach Parallelen in anderen Religionen noch m�chte sie prim�r einen "Heilsfahrplan" erstellen. Vielmehr fragt sie auch in den prophetischen und apokalyptischen Texten in erster Linie danach, "was Christum treibet" (Martin Luther).
a. Die endgeschichtliche (teleologisch-futurische) Deutung h�lt an der geschichtlichen Dimension der biblischen Aussagen fest. Sie ist es, die � trotz mancher spekulativer Ausw�chse bei manchen ihrer Vertreter � m.Eschatologie dem biblischen Literalsinn und Gesamtkontext am ehesten gerecht wird (s.u.) und nicht Vereinseitigungen in dem Ma�e wie die anderen Modelle verf�llt. Dennoch enthalten auch andere Modelle berechtigte Aspekte.
b. Die zeitgeschichtliche (historisch-pr�terische) Deutung weist darauf hin, dass prophetische Aussagen immer zuerst im zeitlichen Zusammenhang ihrer Entstehung zu interpretieren sind. Sie kann jedoch nicht erkennen, dass da, wo die rein zeitgeschichtliche Deutung versagt, dar�ber hinausgehende Deutungen, etwa endgeschichtlicher Art, ber�cksichtigt werden sollten.
c. Die Konsequente Eschatologie hebt gegen�ber einer rationalistischen und ethizistischen Verflachung den �berweltlichen Charakter der Reich-Gottes-Botschaft hervor. Mit der Naherwartung wird ein wichtiger Aspekt der urchristlichen Hoffnung auf den Leuchter gestellt. Leider aber wird diese Hoffnung zu einem Dogma �berh�ht und damit der neutestamentliche Gesamtrahmen einer Nichtberechenbarkeit des Endes verlassen.
d. Die transzendental-pr�sentische Eschatologie betont den absoluten qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch, Ewigkeit und Zeit und postuliert die Existenz einer �berwelt. Sie wird dabei jedoch so "zeitlos", dass sie den Bezug zur biblisch bezeugten Geschichte verliert.
e. �hnliches gilt f�r die existential-pr�sentische Deutung, doch kommt hier hinzu, dass diese weder eine �berwelt noch eine geschichtlich beschreibbare Zukunft kennt, sondern den Menschen letztlich mit seiner Entscheidung f�r ein qualitativ anderes Leben allein l�sst.
f. Die politische Eschatologie gewinnt wieder eine Geschichts- und Zukunftsdimension und ermutigt den Menschen zu sozialem (oft sozialistischem) Engagement. Ihre Geschichtsschau ist jedoch vielfach nicht identisch mit der im biblischen Literalsinn festgehaltenen Heilsgeschichte, sondern m�ndet in einen proleptischen Messianismus und >synergistischen Aktivismus.
Vom biblischen Gesamtkontext und Wortsinn her ergibt sich somit meines Erachtens eine deutliche Pr�ferenz f�r eine heils- und endgeschichtliche Deutung, ohne gewisse Wahrheitselemente bei den anderen Interpretationsmodellen auszuschlie�en.
a) Die Bibel ist ein heilsgeschichtlicher Organismus .
Sie spannt den Bogen von der Welterschaffung bis zur Weltvollendung, von der Urgeschichte bis zur Endgeschichte. In ihr wimmelt es von historischen Angaben, von Ereignissen in Raum und Zeit. Die f�nf B�cher Mose, die B�cher Josua bis Esther sind Geschichtsb�cher. Die neutestamentlichen Evangelien sind von ihrer Anlage und ihrem Aufbau her �ber weite Strecken als Geschichtsb�cher charakterisiert. Und auch die poetischen, prophetischen und apokalyptischen Schriften und Kapitel nehmen weithin auf historische Ereignisse Bezug oder erz�hlen diese in realer oder symbolischer Weise.
b) Die Bibel ist geschichtlich auch im Blick auf ihre Zukunftsvoraussagen .
Das beweisen die Prophezeiungen, die sich in mehr als 6.000 Versen der Heiligen Schrift finden und von denen viele bereits ihre Erf�llung erfahren haben. Der Informatiker Werner Gitt hat in seinem Buch "Das Fundament" (1985, 118f.) errechnet, dass bisher von den 6.408 Versen der Bibel mit prophetischen Aussagen 3.268 erf�llt sind, und zwar ohne, dass je eine Aussage entgegengesetzt oder auch nur anders eingetroffen w�re. Nach Gitt ergibt sich f�r das Eintreffen aller dieser Prophezeiungen die unvorstellbar geringe Wahrscheinlichkeit von 2 hoch minus 3.268, was auf Gott als Planer hinweist.
c) In der Bibel ist immer wieder die Rede davon, dass viele ihrer Voraussagen ihre Erf�llung erst in weit entfernter Zeit am Ende der Tage finden werden.
Es begegnen uns immer wieder Begriffe wie "in ferner Zukunft", "in jenen Tagen", "am Ende der Tage", auch schon bei den alttestamentlichen Propheten, etwa in Jes 2,2; Jer 48,47; Hes 38,16; Hos 3,5 und an vielen anderen Stellen, wo ausdr�cklich gesagt wird: Am "Ende der Zeit" wird dies und jenes geschehen (und nicht etwa w�hrend der babylonischen Gefangenschaft, worauf manche Ausleger solche Prophezeiungen reduzieren wollen). Das verbietet also eine zeitgeschichtliche Deutung an solchen Stellen. Fasst man solche Aussagen von ihrem Kontext und Wortsinn her als buchst�bliche Voraussagen f�r eine endgeschichtliche Erf�llung auf, dann kann man nicht anders, als die reale Wiederkunft Christi und die damit zusammenh�ngenden Ereignisse zu erwarten.
S. auch unter: Heilsgeschichte, Amillennialismus, Postmillennialismus, Pr�millennialismus, Dispensationalismus.
Lit.: L. Gassmann, Was kommen wird. Eschatologie im 3. Jahrtausend, 2002; G. Maier, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, 1981; H. Stadelmann (Hg.), Glaube und Geschichte, 1986.
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de