Amillennialismus: Im Gegensatz zu Pr�- und Postmillennialismus erwartet der Amillennialismus kein zuk�nftiges oder sichtbares Tausendj�hriges Reich (a = griech. Verneinungsform: "kein Millennium"). Aussagen der Heiligen Schrift, die sich auf das Millennium beziehen, werden symbolisch auf die Zeit der Kirchengeschichte gedeutet. In dieser wachsen Gutes und B�ses miteinander auf. Ein sichtbares, reines Tausendj�hriges Reich gibt es somit weder zuk�nftig noch gegenw�rtig, sondern h�chstens geistlich in den Herzen und Versammlungen der Gl�ubigen oder in den Seelen der im Himmel befindlichen vollendeten Gerechten. Die Zeit der Gemeinde in der Welt geht unmittelbar in die Ewigkeit �ber, eingeleitet durch die Wiederkunft Christi und das J�ngste Gericht. Der Gedanke eines Zwischenreiches wird abgelehnt.
in den ersten jahrhunderten n. chr. der pr�millennialismus vor, so setzte um 200 n. chr. allm�hlich die gegenbewegung des a. ein. ihren h�hepunkt erlebte sie im 4. jahrhundert in gestalt der theologie augustins und bestimmte von da an stark das eschatologische denken der gro�kirchen bis heute.
Wie kam es zum Sieg des A. im 3. und vollends im 4. Jahrhundert? Vor allem drei Ursachen spielen hier eine Rolle: Zum ersten gewann seit dem Ende des 2. Jahrhunderts durch die alexandrinische Theologenschule (Clemens von Alexandrien und Origenes im Gefolge Philos) die allegorische (vergeistigende) Bibelinterpretation immer mehr Einfluss und dr�ngte eine literale Auslegung � etwa von Apk 20,1-10 � zur�ck (spirituelle Interpretation). Zum zweiten war in der konstantinischen und postkonstantinischen �ra die Kirche aus der Rolle der bedr�ngten und verfolgten Gemeinde in die Rolle der herrschenden Staatskirche �bergewechselt. Die stark pessimistische Sicht des Pr�millennialismus (Erwartung des Antichristen, der Verfolgung, der baldigen Wiederkunft Christi) schien sich hiermit nicht mehr zu vertragen. Der dritte und entscheidende Grund aber war die �berm�chtige Wirkung der Theologie Augustins.
Aurelius Augustinus (354-430) war, wie er in seinem monumentalen Werk "Vom Gottesstaat" (De civitate Dei, �� 20ff.) ausf�hrt, in seiner Jugend selber f�r chiliastische Vorstellungen aufgeschlossen. Er glaubte, dass die Heiligen nach ihrem Tod im Tausendj�hrigen Reich als dem siebten Weltzeitalter auferweckt werden und dort ein gl�ckliches und fr�hliches Leben f�hren. Das darauf folgende achte Weltzeitalter sei die himmlische Herrlichkeit oder Ewigkeit. Dass er sich sp�ter von dieser Auffassung gel�st hat, h�ngt deutlich mit seiner Biographie zusammen: Bejahte er in seiner Jugend ein sinnenfreudiges, ja ausschweifendes Leben, so nahm er nach seiner Bekehrung eine eher asketische Haltung ein. Mehr und mehr wurden ihm die �bertriebenen "fleischlichen" Ausmalungen des Tausendj�hrigen Reiches, wie sie sich etwa bei Iren�us fanden, suspekt. Das Problem ist nur, dass Augustin m.E. "das Kind mit dem Bade aussch�ttete": Die Losl�sung von den fleischlichen Interpretationen des Millenniums f�hrte dazu, dass Augustin den Gedanken eines zuk�nftigen irdischen Tausendj�hrigen Reiches �berhaupt verwarf. Statt dessen vertrat er ein amillennialistisches Modell, in dem Gottesreich und Weltreich als corpus permixtum (vermischter Leib) miteinander bestehen bis zur Wiederkunft Christi und dem J�ngsten Gericht. Beim J�ngsten Gericht werden Weltreich und Gottesreich, B�ses und Gutes voneinander geschieden, und unmittelbar darauf folgt � ohne Zwischenreich � die Ewigkeit. Das Millennium, soweit von einem solchen noch geredet werden kann, ist gegenw�rtig in der Zeit der Kirchengeschichte vorhanden, aber unsichtbar in den Seelen und Versammlungen der Gl�ubigen sowie bei den vollendeten Gerechten im Himmel. Es ist somit eine rein geistliche Gr��e.
Auch wenn Augustin in der Auslegung der Heiligen Schrift die literale Interpretation bevorzugte, so vertrat er im Blick auf die Eschatologie � im Anschluss an Ticonius � allegorische und symbolische Deutungen. Die Einzelheiten in Apk 20,1-10 etwa werden dementsprechend als Bilder f�r die Zeit der Kirchengeschichte interpretiert. Jetzt sei Satan gebunden, d.h. er k�nne nicht seine volle Macht entfalten und den Triumph der Kirche nicht verhindern. Die erste Auferstehung nach Apk 20,5 f. sei geistlich zu verstehen. Sie geschehe nicht in einem Tausendj�hrigen Reich auf Erden, sondern in Form der Wiedergeburt in den Seelen der Gerechten durch Taufe und Glaube. Die zweite Auferstehung sei die leibliche Auferstehung beim J�ngsten Gericht am Beginn der Ewigkeit. Allerdings gab Augustin die biblisch-literale Chronologie nicht v�llig preis. So erwartete er vor der Wiederkunft Christi und dem J�ngsten Gericht die Freilassung Satans mit der dreieinhalbj�hrigen Herrschaft des Antichristen auf Erden, die eine letzte Pr�fung f�r die Kirche als civitas Dei bedeute. Diese Pr�fung werde sie sieghaft bestehen.
Auf dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 n. Chr. wurde der A. dogmatisiert und der Pr�millennialismus verworfen. Der Glaube an ein buchst�bliches, zuk�nftiges Tausendj�hriges Reich sei "Aberglaube". Dieses Urteil pr�gte die Theologie f�r Jahrhunderte, sowohl im r�mischen Katholizismus als auch bei den Reformatoren. Doch verschwand der Chiliasmus nie v�llig. Zum Teil geriet er in unn�chterne, schw�rmerische Bahnen (z.B. J. v. Fiore, Th. M�ntzer, T�uferreich von M�nster), was den Widerstand der Reformatoren gegen ihn versch�rfte. Die nachreformatorische Zeit ist von drei Linien gekennzeichnet: a. von einer Kontinuit�t des A., der in der r�misch-katholischen, den lutherischen und den reformierten Kirchen die bestimmende Auffassung blieb; b. von einem neu aufkeimenden Pr�millennialismus, der verschiedene Ausgestaltungen erfuhr und vor allem im pietistischen, evangelikalen und freikirchlichen Bereich (Dispensationalismus) wachsende Zustimmung erhielt; c. von postmillennialistischen Modellen, die im Gefolge der Erweckungsbewegung, aber auch von s�kularen Fortschrittsideen zeitweilig die Oberhand gewannen.
S. auch Eschatologie, Heilsgeschichte.
Lit.: L. Gassmann, Was kommen wird. Eschatologie im 3. Jahrtausend, 2002.
Lothar Gassmann
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2. Kleines Kirchen-Handbuch
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