Liebe besitzt im Griechischen drei Bedeutungen:
ist die leidenschaftliche Liebe, die den anderen begehrt (vgl. Erotik).
Sie will alles bekommen und nichts geben. Der erotisch Liebende sucht sich wahllos seine Liebesobjekte, strebt nach inniger Verschmelzung mit ihnen (immer seelisch, oft auch k�rperlich) und will im Sinnenrausch seinen eigenen Lebenshunger stillen. Erotische Liebe ist wesensm��ig untreu. Der Rausch wurde bei den Griechen in der Verehrung des Gottes Eros zur Religion. (>Platon u. a. versuchten, den Eros einem h�heren Humanit�tsideal unterzuordnen. So bezeichnete Platon die k�rperliche Sch�nheit, an der sich der Eros entz�ndet, als Wegweiser zum G�ttlichen. Dennoch bleibt der Eros im griechischen Denken ein naturhafter Trieb zur eigenen Lebenssteigerung.)
ist die f�rsorgende Liebe zwischen Freunden oder zwischen G�ttern und Menschen.
Sie ist nicht Trieb, sondern Aufgabe und Bestimmung. Hinter ihr steht der Gedanke der wechselseitigen Hilfe und Zuwendung ("Do, ut des" = "Ich gebe, damit du gibst"; geben, um zu bekommen).
ist die ausw�hlende, t�tige und treue Liebe, die sich dem anderen bedingungslos schenkt.
Sie will nichts und gibt alles. Sie ist nicht auf leidenschaftlichen Genuss aus, sondern will dem, den sie erw�hlt hat, helfen und f�r ihn da sein. Im vorbiblischen Griechisch ist kaum oder nur in sehr verschwommener Bedeutung von Agape die Rede (manchmal sogar gleichlautend mit Eros oder Philia gebraucht), w�hrend im neutestamentlichen Griechisch Agape der zentrale Liebesbegriff ist.
Das neutestamentliche Wort Agape steht (wie Echthros) in der Tradition des AT. Wo in der Septuaginta mit "Agape" �bersetzt wird, steht im Hebr�ischen fast durchweg Ahaba. Ahaba bezeichnet:
a) die leidenschaftliche Liebe zwischen Mann und Frau: "Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich" (Hhld 8,6); ferner Hos 3,1 u.a.;
b) die selbstlose Freundestreue: "Und Jonathan lie� nun David schw�ren bei der Liebe zu ihm; denn er hatte ihn so lieb wie sein eigenes Herz" (1. Sam 20,17);
c) das treue Festhalten an der Gerechtigkeit: "Du liebst Gerechtigkeit" (Ps 45,8); u. a.;
Das alttestamentliche, hebr�ische Wort Ahaba (bzw. das griechische Agape in der Septuaginta) umschlie�t somit den Reichtum aller drei Begriffe des weltlichen Griechisch f�r "Liebe" (Eros, Philia und Agape). Es weist aber auch gewichtige Unterschiede � sowohl Einschr�nkungen als auch Erweiterungen � gegen�ber ihnen auf:
a) Das alttestamentliche Wort f�r "Liebe" ist streng von den orgiastischen Fruchtbarkeitskulten der heidnischen Umwelt Israels abgesetzt. Deshalb gibt es keine religi�se Verehrung des Eros.
b) Die alttestamentliche Liebe ist keine Allerwelts-Liebe wie der griechische Eros, sondern eine streng ausschlie�liche, exklusive Liebe. Gottes Liebe geh�rt seinem auserw�hlten Volk. Ihm bleibt er treu, wenn es seinen Bund und seine Gebote h�lt (1. Mose 20,2ff; 5. Mose 7,12f; Hos 1ff; u. �.) F�r das Verh�ltnis des Israeliten zu seinem Volksgenossen gilt:" Du sollst deinen N�chsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19,18).
c) Die t�tige, r�cksichtsvolle Liebe wird aber ausgedehnt auf den Fremden, der dem Volk Gottes angegliedert ist (2. Mose 20,10; 22,20; u.a.).
d) Sie wird auch ausgedehnt auf den Feind, wenn er auf konkrete Hilfe angewiesen ist. Es handelt sich allerdings nur um einzelne Liebeserweise, die situationsgebunden bleiben: "Wenn du dem Rind oder Esel deines Feindes begegnest, die sich verirrt haben, so sollst du sie ihm wieder zuf�hren ..." (2. Mose 23,4 f); "Hungert deinen Feind, so speise ihn; d�rstet ihn, so tr�nke ihn mit Wasser!" (Spr 25,21).
Hier ergeht Liebe vor Recht, hier steht der Mensch vor der Rechtsperson, aber es gibt keine umfassende, allgemeing�ltige Feindesliebe. Im Gegenteil: Grunds�tzlich wird gegen die Feinde Gottes, des Gottesvolkes und des Frommen das g�ttliche Gericht beschworen (2. Mose 34,12f; 5. Mose 7,1ff; Ps 109; u. a.). Die Liebe macht in der Regel an der Grenze des Gottesvolkes halt. Erst das NT bringt das radikal Neue:die Feindesliebe, die grundlegend gilt, die v�llig selbstlos und opferbereit ist. Sie wird von Jesus vorgelebt und gelehrt. (Feindesliebe). Eine "Allerweltsliebe" oder gar "religionsvermischende" Liebe im Sinne einer alles offen lassenden "Toleranz" gibt es im Neuen Testament nicht.
S. auch: Toleranz; �kumene der Religionen; Feindesliebe.
Lit.: Quell/Stauffer, Art. "agapao", ThWNT 1, 1950, 810ff.
Lothar Gassmann
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