Im Volksmund wird "Mythos" sehr schnell gleichgesetzt mit "M�rchen", "Fabel", "frei erfundene Geschichte".
In Wirklichkeit aber bestehen betr�chtliche Unterschiede. Formal wie inhaltlich haben die biblischen Berichte, etwa �ber die Auferstehung Jesu Christi, mit M�rchen, Fabeln und dergleichen gar nichts gemeinsam. Hingegen werden zum Teil Sprach- und Gedankenbilder verwendet, die an Mythen erinnern. Was Ist �berhaupt ein Mythos? Mythen sind entstanden, als es noch keine verstandesm��ig-wissenschaftliche Erforschung der Welt gab. Sie stammen also aus sehr fr�her Zeit. Damals versuchte man, das, was man nicht verstehen konnte, in Symbolen und G�ttersagen auszudr�cken. Mythen sind symbolischer Ausdruck f�r ein zwar nicht historisches, aber doch wirkliches (zum Teil jenseitiges) Sein. Sie sind also keine total freie Erfindung der Phantasie, sondern kn�pfen an Eindr�cke und Erfahrungen an. So sind etwa unter dem �berw�ltigenden Eindruck der Jahreszeiten oder das Sternenhimmels Natur- und Astralmythen entstanden. S�mtliche Erscheinungen wurden bestimmten G�ttern zugeteilt. Man ahnte etwas von der Macht, die hinter religi�sen Erfahrungen oder Naturerscheinungen steht, aber man kannte sie nicht wirklich. Es l�sst sich sagen:
Der einflussreiche Theologe Rudolf Bultmann (1884-1976) behauptete, dass auch die Bibel aus mythischen Quellen gespeist sei. Insbesondere die Engel- und D�monenvorstellungen, die Wundererz�hlungen, die Endzeiterwartungen, aber auch die Rede von der "stellvertretenden Genugtuung durch den Tod Christi" und die Zeugnisberichte von der Auferstehung bezeichnete er als "mythologisch". In der Schilderung der Geschichte Christi (insbesondere in Philipper 2,5-11) glaubte er, Motive aus dem iranisch-gnostischen Erl�ser-Mythos vom Urmenschen wiederzuerkennen. (Dieser Mythos beschreibt, wie ein g�ttliches Wesen vom Himmel heruntersteigt, um die Menschheit zu erl�sen.) Bultmanns Folgerung: Alle Stellen der Bibel, die an mythische Vorstellungen der urchristlichen Umwelt erinnern, sind zu entmythologisieren (>Entmythologisierung). Ihnen kommt keine historische Bedeutung zu. So behauptete er in seinem 1941 gehaltenen und vieldiskutierten Vortrag "Neues Testament und Mythologie":
"Das Osterereignis als die Auferstehung Christi ist kein historisches Ereignis."
Viele bibelkritische Theologen sind dieser Ansicht Bultmanns gefolgt.
L�sst sich aber die Heilige Schrift, lassen sich insbesondere Kreuz und Auferstehung Jesu Christi mit Mythen in Verbindung bringen? Die Antwort lautet "Nein".
a) Mythen sind Ausdruck des suchenden religi�sen Menschen nach Wahrheit, nach Hintergrunderkenntnis. � Die Heilige Schrift hingegen zeigt uns die offenbarte Wahrheit:
"Jesus spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater � au�er durch mich" (Joh 14,6).
Die Frage ist nur, wie das von Gott kommende Offenbarungsgeschehen in menschliche Worte gefasst werden kann. Die menschliche Sprache ist ein unvollkommenes Gef��. Wie soll aber in einem unvollkommenen Gef�� der vollkommene Gott zur Sprache kommen? Die Schreiber der Bibel k�nnen nicht anders, als die g�ttliche Offenbarung, geleitet vom Heiligen Geist, in menschlichen Worten und Bildern auszudr�cken. Nur so ist und wird sie verst�ndlich. Diese Bilder k�nnen der Form nach an Bilder der Mythen erinnern, sind aber dem Inhalt nach radikal vom Mythos unterschieden. Der Mythos zeigt den Menschen als Fragenden und Spekulierenden, die Heilige Schrift zeigt Gott als Antwortenden.
b) Deshalb kommt den Berichten der Bibel, auch wenn sie zum Teil formale �hnlichkeiten mit mythischen Erz�hlungen haben, historische Wirklichkeit zu. Denn Gott antwortet in der Weltgeschichte. Er ist kein ideenhaftes G�tterwesen, das irgendwann einmal vom Himmel herniedersteigt, sondern er wird wirklich und ganz Mensch in seinem Sohn Jesus Christus, als die Zeit erf�llt ist. Im Gegensatz zu allen mythischen Erz�hlungen "wimmelt" es in der Bibel geradezu von konkreten Personen-, Zeit- und Ortsangaben.
c) Der Mythos sieht den Erl�ser als Symbol f�r eine allgemeine Wahrheit jenseits aller Geschichte. � Der Bibel hingegen geht es um die Botschaft von Jesus Christus, dem gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Herrn. Gott, der in Jesus ganz Mensch geworden ist, wurde f�r die J�nger konkret erfahrbar (und l�sst sich � auf der Grundlage ihrer Bezeugung � auch heute erfahren!).
d) Tod und Auferstehung Jesu Christi unterbrechen radikal den Kreislauf von Werden und Vergehen, der in den mythischen Gedankenbildern vorherrscht. Nun ist der Tod ein f�r allemal besiegt. Der, der glaubt, erh�lt ewiges Leben bei Gott. Nicht endlose Wiederholung des immer Gleichen, sondern Einmaligkeit und Neusch�pfung zeichnen das Wirken Gottes aus.
e) Nochmals: Die Mythen sind Ausdruck einer Religiosit�t, die aus dem Suchen des Menschen kommt, aber letztlich in den menschlichen Ideen stecken bleibt. � Die Botschaft der Bibel hingegen �bersteigt alle menschliche Vorstellungskraft. In ihr bricht eine Wirklichkeit in die Welt ein, �ber die der Mensch von sich aus nicht verf�gt:
"Was kein Auge gesehen und kein Ohr geh�rt hat ..." (Jes 64,3; 1. Kor 2,9).
Die Folge: Viele k�nnen es nicht glauben.
"Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen" (1. Kor 1,18).
Selbst die J�nger konnten zun�chst nicht verstehen, dass Jesus f�r die Welt leiden, sterben und auferstehen musste (Lukas 18,34). Sogar als sie den Auferstandenen sehen, sind sie zuerst blind und k�nnen die Neuartigkeit des Geschehens nicht fassen.
f) Die Kreuzes- und Auferstehungsbotschaft ist somit radikal anders als alles bisher Dagewesene und vielen ein �rgernis (1. Korinther 1). Gerade deshalb konnten die J�nger allein dadurch, dass ihnen der Auferstandene tats�chlich, historisch und leiblich erschienen ist, zum Glauben an ihn finden.
g) Jesus, der von Gott beglaubigt wurde und wirklich lebendig ist (im Gegensatz zu allen anderen "Religionsstiftern"), erhebt einen umfassenden und absoluten Anspruch an jeden Menschen. Deshalb konnte die heidnische Umwelt schon zur Zeit der Apostel das Christentum nicht dulden. Die gro�e Offenheit, die man sonst gegen�ber neuen Religionen besa�, lie� (und l�sst!) sich nicht mit dem Absolutheitsanspruch Jesu (Joh 14,6) vereinbaren. Dass man die Christen zu verfolgen begann, ist ein sicherer Hinweis, dass sie etwas radikal Anderes brachten als die geduldeten Mythenreligionen, Totenfeiern und Mysterienkulte.
Lit.: L. Gassmann, Auferstehung � das zentrale Ereignis, 1999.
Lothar Gassmann
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de