W�hrend die trinitarischen und die christologischen Irrlehren kirchenspaltende und somit teilweise bis heute anhaltende Konsequenzen hatten, gab es mit den Pelagianischen Streitig-keiten eine ebenfalls tiefe Kontroverse in der alten Kirche, die aber zu keiner organisatorischen Spaltung f�hrte. Allerdings hat die abendl�ndische Christenheit die damals aufgetretenen unbiblischen Irrlehren nie ganz �berwunden. Sie traten sp�ter in unterschiedlicher Weise sowohl in der katholischen Lehre, in mittelalterlichen Sekten wie auch in protestantischem und evangelikalem Gewand auf.
Die Streitigkeit entwickelte sich auf dem Hintergrund der Gnadenlehre des >Augustin. Augustin vertrat die Erkenntnis, da� der Mensch von Natur unter der Erbs�nde steht und unf�hig ist, irgendetwas zu seiner Erl�sung beizutragen. Augustins Hauptgegner in dieser Frage war Pelagius. Pelagius kam um 380 nach Rom, wo er sich unmittelbar nach seinem juristischen Studium taufen lie� und ein Leben der Askese begann. Er meinte, da� es keine Weitergabe der S�ndhaftigkeit durch die Generationen gebe. Er lehnte somit die Lehre von der Erbs�nde ab. Nach seiner Meinung sind die Christen durch die Taufe wieder in den Urzustand, der vor dem S�ndenfall herrschte, zur�ckgekehrt. Deshalb sollte der Christ durch ein Leben der Askese, was auch den Verzicht auf Eigentum und Ehe beinhalten kann, anstreben, ein s�ndloses Leben zu f�hren. Er sollte wissen, da� dieses Ziel erreichbar sei. Pelagius fand bald Anh�nger f�r seine Lehre. Auf Grund der Eroberung Roms im Jahr 410 durch die Goten floh Pelagius nach Nordafrika und sp�ter nach Jerusalem, wo er jeweils seine Lehre vertrat. 415 fand seine Sicht auf einer Synode in Jerusalem Anerkennung.
Augustin, der im Mittelalter mit dem Beinamen "doctor gratias" (Doktor der Gnade) bedacht wurde, war der heftigste Gegner des Pelagius. Vor allem die Bitte des Vaterunsers "und f�hre uns nicht in Versuchung" war dem durchaus auch asketischen Augustinus ein Gegenargument gegen den Perfektionismus des Pelagius. Augustin erkl�rte:
"Sie nennen die menschliche Natur frei, um keinen Befreier suchen zu m�ssen. Sie erkl�ren sie f�r heil, um den Heiland als �berfl�ssig zu bezeichnen. Sie behaupten, die menschliche Natur sei so stark ... da� sie meinen, ohne Gott die Begierden b�ndigen zu k�nnen ... Die Familie Christi aber spricht: `Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark� (2. Kor 12,10); und zu ihr spricht der Herr: `Dein Heil bin ich� (Ps 35,3)."
418 wurde Pelagius, allerdings auch nach Einsatz verschiedener Intrigen, als Irrlehrer verurteilt. Bald darauf starb er. Zwar hinterlie� Pelagius keine Kirchenspaltung, aber seine Gedanken blieben besonders auf humanistisch denkende Menschen einflussreich (Humanismus). Bischof Julian von Eclanum setzte sich f�r die Lehre des Pelagius ein. Er fand bei Nestorius, der damals noch Patriarch von Konstantinopel war, Unterst�tzung und Zuflucht.
Zur gleichen Zeit trat der Pelagianismus in der abgeschw�chten Form der "Massilienser" (ab dem 16. Jahrhundert Semipelagianismus genannt) wieder auf. Der als besonders kirchentreu geltende Abt Johannes Cassian von Massilina (gest. 435) widersprach der Gnadenlehre des Augustin. Er lehrte: Die Gnade und der Wille des Menschen wirken zum Heil gemeinsam. Der Mensch mu� dabei die Initiative ergreifen. Nach Cassian wurde Bischof Faustus von Reji f�hrender Vertreter des Semipelagianismus. 475 verfa�te er eine entsprechende Schrift f�r die Synode von Arelate.
Bischof C�sarius von Arles, der einflu�reichste Theologe seiner Zeit, lie� den Semipelagianismus 529 durch die Synode von Arausio (Orange) widerlegen, indem er ein Bekenntnis zu den sogenannten 25 Kanones des Augustin verabschieden lie�. Papst Bonifatius II. (530-532) verurteilte daraufhin den Semipelagianismus. Obwohl die Katholische Kirche bis heute hinter den Beschl�ssen der Synode von Arausio steht, hat sie in der Praxis den Semipelagianismus zur Gnadenlehre gemacht. Sie h�lt den Menschen im Prinzip f�r f�hig, Gutes zu tun.
Zur Beurteilung siehe: Semipelagianismus.
Lit.: Art. "Pelagius/Pelagianismus", in: Evangelisches Lexikon f�r Theologie und Gemeinde Bd. III, 1994, S. 1532 f.
Rainer Wagner
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