Humanismus

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1. Begriff

Es erscheint zweckm��ig, bei H. (von lat. homo = Mensch; lat. humanus = menschlich) (H.) zu unterscheiden in H. als Geschichtsepoche (n) und H. als Geisteshaltung, wobei diese dann auch wieder korrelieren, insofern der Mensch, dessen Vollkommenheit angestrebt wird, im Mittelpunkt steht. Gebr�uchlich ist zwar, seit G. Voigt (1859), H. historisierend zu verwenden f�r die Gelehrtenbewegung, die an der Antike orientiert ist, in der Renaissance entstand und sich als kulturelle, philosophische und theologische Bewegung im 15. Jahrhundert von Italien ausgehend auch �ber Nord-Europa ausdehnte. Davon zu unterscheiden sind dann Neuhumanismus um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und der Dritte Humanismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Als Fachbegriff ist H. ein recht junger Ausdruck und geht auf den P�dagogen J. Niethammer (1808) zur�ck, der an Cicero ankn�pfte, welcher "studia humanitas" kannte und darunter die "freien K�nste" verstand, die der Ausbildung vor allem des Redners und Dichters dienten. Es gab und gibt freilich Versuche, den Begriff H. aus dem historischen Verst�ndnis zu befreien und sein "Wesen" zu bestimmen. Damit wird der Begriff H. zu einer au�erordentlich vielf�ltig verwendeten und verwendbaren Bezeichnung f�r philosophische, ideologische und politische Richtungen, Theorien und �berzeugungen, die oft in keine �bereinstimmung miteinander gebracht werden k�nnen. Im weitesten Sinne bedeutet H. jegliche Hochsch�tzung menschlicher W�rde und Werte, womit der Mensch im Mittelpunkt der �berlegungen steht. Gegen die Bestimmung des H. seinem "Wesen" nach ist eingewendet worden, damit verliere der Begriff seine Pr�zision (Rainer Mayer, ELThG, Bd. 2, S. 936). Doch ist dem entgegenzuhalten, dass mit H. etwas faktisch Unpr�zises bezeichnet wird, so dass aufgrund dessen auch der Begriff zwangsl�ufig an Unsch�rfe leiden muss. H. ist als eine geschichts�bergreifende Geisteshaltung aufzufassen, die verschiedene Geschichtsepochen umfasst. Dennoch l�sst sie sich am besten chronologisch darstellen.

2. Biblischer Befund

2.1. Allgemein

3. Geschichtlich

Geschichtlich betrachtet sind verschiedene Auspr�gungen des H. zu unterscheiden:

4. Christlicher Glaube und H

Nicht zu bestreiten ist, dass in allen Konfessionen die philosophischen und p�dagogischen Motive des H. erhalten blieben (Luthertum: Melanchthon; Calvinismus: Calvin, Beza; Katholizismus: Jesuiten). Eine Synthese von Christentum und H. wie im traditionellen Renaissance-H. � seine Vertreter (z. B. Erasmus) blieben in aller Regel r�misch-katholisch � findet vor allem Vertreter in der r�misch-katholischen Kirche. Es wird eine �hnlichkeit und Verwandtschaft von christlichem Glauben und H. angenommen, indem beide das Wohl des Menschen im Auge h�tten (wobei es dem christlichen Glauben um mehr als um das Wohl geht, n�mlich um das davon zu unterscheidende Heil) und zudem darauf verwiesen, der nat�rliche H. sei auf die �bernat�rliche Wahrheit der Offenbarung angewiesen.

Jedoch wird von ganz unterschiedlicher Seite die Sicht einer Affinit�t von christlichem Glauben und H. bestritten. Der Streitpunkt liegt darin, ob Gott oder der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtung steht. In der Ablehnung einer Affinit�t von christlichem Glauben und H. sind sich so unterschiedliche Anschauungen wie Dialektische Theologie (Karl Barth) und Humanistische Union einig; w�hrend allerdings bei der Dialektischen Theologie Gott im Mittelpunkt steht, steht bei der Humanistischen Union der Mensch im Mittelpunkt.

Zwar wird zu vertreten sein, "die Gottesoffenbarung geht ins Humanum ein, nicht im Humanum auf" (Rainer Mayer, ELThG, Bd. 2, S. 937), was aber noch lange nicht bedeutet, christlicher Glaube und H. seien in ihrem (tieferen) Wesen von einer Affinit�t gekennzeichnet. Die Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther (1524 / 25) und der daraus hervorgehende Bruch zwischen humanistischer und reformatorischer Bewegung (wiewohl schon bald wieder humanistische Ideen �bernommen wurden) zeigen, dass eine solche Affinit�t nicht besteht, wiewohl Luther freilich manche Erkenntnisse des Renaissance-H. positiv aufnehmen konnte (R�ckgriff auf die Quellen, vor allem AT und NT; philologische Methoden). Von daher hatte die Dialektische Theologie, die nicht einfach eine direkte Fortsetzung der reformatorischen Lehre war, recht, wenn sie eine Disparatheit von Offenbarung und christlichem Glauben einerseits und H. andererseits, feststellte. Eine Synthese von christlichem Glauben und H., wie dies vor allem im Renaissance-H. versucht wurde, l�sst sich nicht herstellen, da die Unterschiede im Gottes- und Menschenverst�ndnis viel zu gro� sind. Deshalb ist "einen christlichen H. zu vertreten eine Gratwanderung" (Rainer Mayer, ELThG, Bd. 2, S. 937), da zwar die biblische Offenbarung die Entfaltung des Humanen nicht hindert, sondern eher fordert und f�rdert, die Missverst�ndlichkeit, eine Synthese von christlichem Glauben und H. im Sinne des Renaissance-H. aber nahe legt, weshalb besser auf diese "Gratwanderung" verzichtet wird.

5. Humanismus apologetisch beurteilt

H. (lat. humanum = das Menschliche) ist "das voll entfaltete edle Menschentum, das in der harmonischen Ausbildung der menschlichen Kr�fte und in der Herrschaft des Geistes �ber die eigenen Leidenschaften gr�ndet und sich besonders in Teilnahme und Hilfsbereitschaft f�r den Mitmenschen, in Verst�ndnis und Duldsamkeit f�r seine Lebensart �u�ert. In diesem Sinn ist H. besonders seit Lessing, Herder, Goethe, Schiller, W. v. Humboldt zum Inhalt einer der h�chsten sittlichen Ideen des Abendlands geworden" (Meyers Gro�es Handlexikon, Art. "Humanismus"). Dieses Verst�ndnis des Menschen ist optimistisch. Der optimistische H. geht davon aus, dass der Mensch von Natur aus gut sei; nur die Gesellschaft habe ihn verdorben, wie etwa der Philosoph Jean Jacques Rousseau formulierte. Dieser wollte deshalb Kinder in besonderen Heimen aufziehen lassen, um sie dem sch�dlichen Einfluss der Gesellschaft zu entziehen und das von Natur aus Gute zu erhalten. In enger Verbindung mit dem optimistischen H. steht der Idealismus. Der Idealismus behauptet, dass im Menschen etwas Gutes oder gar G�ttliches vorhanden sei: etwa die g�ttliche Idee (>Plato), ein guter Kern (Aufkl�rungsphilosophie), ein g�ttlicher Funke (verschiedene Mystiker), eine unsterbliche Seele (verschiedene >Romantiker u.a.). Oder die Vernunft sei das G�ttliche im Menschen, so die Ansicht des Rationalismus, welcher im Zusammenhang steht mit dem optimistischen H. mit seinem optimistischen Menschenbild. Der Mensch sei von Natur aus vollkommen rein und gut. So setze er autonom und selbstherrlich seine Gebote selbst. Der optimistische H. steht auch in Verbindung mit dem >Kollektivismus: Das Reich der vereinigten Menschheit, die Welt�kumene, bringe den Weltfrieden. Diese Gedanken sind im �kumenischen Rat der Kirchen aktuell geworden, aber auch in vielen anderen Gremien existiert diese Vorstellung.

Um die Ideologie des H. zu beurteilen, ist zu fragen, was die Bibel �ber das Wesen des >Menschen sagt. In biblischer Sicht ist der Mensch nicht autonom, sondern Gesch�pf Gottes, eine "lebendige Seele", wie es in 1. Mose 1,27-28 hei�t. Dort steht, dass der Mensch geschaffen ist aus Erde (hebr. adama) und aus Lebensatem (hebr. ruach oder neschama), also aus Materie und Geist. Der Mensch existiert in der Beziehung zum Sch�pfer, welcher urspr�nglich die Ewigkeit in ihn hineingelegt hat. Aber der Mensch ist gefallen, v�llig verderbt durch die S�nde, nicht nur krank, sondern tot in S�nde. Er kann jedoch erneuert werden durch Jesus Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist, indem er mit ihm in Gemeinschaft tritt durch den Glauben, indem er Jesu stellvertretendes Opfer am Kreuz und seine Auferstehung f�r sich annimmt. So wird er ein neues Wesen: Aus dem gefallenen Gesch�pf wird ein gerettetes Kind Gottes, welches die Verhei�ung ewigen Lebens hat. Daraus ergeben sich folgende Kritikpunkte am H.:

S. auch: Aufkl�rung; Einheit, wahre und falsche; >Freimaurerei; Toleranz.

Lit.: K. Barth, Die Menschlichkeit Gottes, Theologische Studien, Bd. 48, 1956; K. Bockm�hl, Reich Gottes und Humanismus, in: ders., Theologie und Lebensf�hrung, 1982; E. Brunner, Der Mensch im Widerspruch, 4. Aufl. 1965; Das Menschenbild im Lichte des Evangeliums, Festschrift f�r Emil Brunner; Historisches W�rterbuch der Philosophie, Bd. 3, 1974, S. 1217-1232; W. Jaeger, Humanismus und Theologie, dt. 1960; H. Liebing, Humanismus � Reformation � Konfession, 1986; H. Lilje, Atheismus, Humanismus, Christentum, 1962; G. Rohrmoser, Lutherische Rundschau, 19, 1969, S. 271-280; C. Walter, Lutherische Rundschau, 19, 1969, S. 179-193.

Walter Rominger (1-4) / Lothar Gassmann (5)


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de