Antitrinitarier

Klick auf den Kompass öffnet den IndexAntitrinitarier lehn(t)en die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes (Trinität) ab. Erstmalig kam diese Lehre im 4. Jahrhundert, in Gestalt des Arianismus, zu Einfluß. Sie prägte die erste germanische Kirche (Ostgoten). Einige Religionsgeschichtler meinen, dass die Lehre Mohammeds (Islam) auch durch Begegnungen mit Anhängern arianischer Kirchen beeinflußt wurde. Während der Reformationszeit bekam die Lehre der Antitrinitarier erneut kirchengeschichtliche Bedeutung. Sie entwickelte sich auf dem Hintergrund der rationalistischen Philosophie der Renaissance und des Humanismus im 16. Jahrhundert.

Für die Antitrinitarier war Jesus nicht Gott, sondern nur ein Mensch, der zwar, weil man im 16. Jahrhundert noch an der sachlichen Irrtumslosigkeit der Bibel festhielt, von der Jungfrau Maria geboren wurde, aber erst später von Gott belehrt wurde und so besondere Heiligkeit erwarb. Gott hätte ihn dann auch nach dem Tode auferweckt. Sündenvergebung meinten die Antitrinitarier durch gute Gesinnung zu erlangen. Toleranz gegen Andersdenkende und strenge Zucht in den eigenen Reihen prägte ihre Ethik der antitrinitarischen Glaubensgemeinschaft. Durch den spanischen Arzt Michael Servet (1511-1553), der unter Mitwirkung Calvins wegen seiner Irrlehre am 27. Oktober 1553 in Genf verbrannt wurde, ist diese Gruppe bis heute sehr bekannt geblieben.

Die Irrlehre der Antitrinitarer wäre nie so einflußreich wie im 16. und 17. Jahrhundert geworden, wäre die religiöse Landschaft Europas nicht durch die Reformation in Umbruch gekommen. Trotzdem ist das Gedankengebilde der Antitrinitarier dem Denken der Reformation nicht zuzurechnen.

Teile der alten Irrlehren der Arianer traten im Antitrinitarier in neuem Gewand auf. Sie verbanden sich mit der katholischen Lehre von der Werkgerechtigkeit. Das theologische Denken der Antitrinitarier wurzelte im kritisch-denkerischen Ansatz des ebenfalls im 16. Jahrhundert wirkenden Humanismus. Ihr Schwerpunkt war die Ablehnung der dem Verstand nicht voll zugänglichen Lehre von der Dreieinigkeit Gottes. Die Antitrinitarier waren in vielfältiger Hinsicht Wegbereiter der späteren Aufklärung.

Erste Hinweise auf Antitrinitarier finden sich in Oberitalien. Verbreitung erlebten sie dann in Südfrankreich, Italien, Polen und Siebenbürgen. Unter dem Namen >Sozinianer gelang ihnen eine Kirchenbildung in Rakow in Polen. Der Name ging auf einen ihrer Theologen und früheren Führer Fausto Sozzini (1539-1604) zurück. Neben Servet und Sozzini waren die Theologen und Philosophen Gribaldi, Gentile, Stancaro, Ochino, Biandrata, Gonesius, Pauli, Davidis die wichtigsten Denker und Führer der Antitrinitarier Rakow war für etwa 60 Jahre Mittelpunkt dieser sich als Kirche verstehenden Sekte. Als Bekenntnisschrift galt der Rakower Katechismus von 1605. Nach 1658 wurden die Antitrinitarier aus Polen vertrieben und suchten Zuflucht in Siebenbürgen und den Niederlanden. Reste der Bewegung dort verschmolzen mit den Mennoniten und >Arminianern in Holland.

Ihre theologischen Gedanken wirkten auf einige Sekten und auf Teile der rationalistischen Theologie des 18. und 19. Jahrhunderts. Die einflussreichste Gruppe mit Lehre der Antitrinitarier sind heute die Zeugen Jehovas, die allerdings nur in geistiger Tradition der Antitrinitarier stehen.

Zur Beurteilung: Dreieinigkeit.

Lit.: L. Gassmann, Zeugen Jehovas, 2000; R. Wagner, Gemeinde Jesu zwischen Spaltungen und Ökumene, 2002.

Rainer Wagner


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de