Am 19. April 1993 erschütterten die Berichte von der Erstürmung des Zentrums der Davidianer-Sekte in Waco, Texas die Weltöffentlichkeit.
Nachdem Polizei und FBI, die sich in der "Ranch Apocalypse" 51 Tage verbarrikadierten Davidianer belagert hatten, kam es bei der Einnahme des Anwesens zu einem furchtbaren Fiasko. Insgesamt 86 Menschen, zumeist Anhänger der Glaubensgemeinschaft, unter ihnen 21 Kinder, kamen bei der Aktion ums Leben.
Bei den Davidianer handelt es sich um eine Abspaltung der Gemeinschaft der >Siebenten-Tags-Adventisten. Ihr Gründer, der US-Amerikaner Viktor Hontett, lehrte, im Unterschied zu den übrigen Adventisten, dass vor Jesu Wiederkunft eine kleine Gruppe ernster Christen in besonderer Weise geistlich gereinigt werden müsse. Um dieses zu befördern, gründete er das "St. Carmel Center" in Waco. Obwohl es schon zuvor, wegen der besonders extremen Betonung des nahen Endes der Welt und der adventistischen Ernährungslehre durch Hontett, Spannungen mit der übrigen adventistischen Gemeinschaft gab, kam es erst 1942 zum endgültigen Bruch. Anlaß war, daß die bisher pazifistisch ausgerichtete Gemeinschaft der Siebenten–Tags-Adventisten ihren Mitgliedern gestattete, als unbewaffnete Hilfsmannschaften die US-Armee im 2. Weltkrieg zu unterstützen. Dies lehnte Hontett absolut ab. Seine nun selbständige Gruppe nannte sich "Davidian Seventh Day Adventists".
Nach Hontetts Tod übernahm dessen Witwe Florence Honntet die Führung der Davidianer Sie lehrte, dass Jesus am 22.4.1959 wieder käme. Kurzzeitig brachte diese neue Irrlehre der Sekte öffentliche Aufmerksamkeit und Zulauf. F. Hontetts Nachfolger wurde Benjamin Roden, der sich selbst zum König David ernannte. Wenn die Davidianer auch weiter die adventistischen Grundlehren vertraten, so fanden sich bei ihnen, besonders in der Zeit unter B. Roden und dessen Nachfolger Davidianer Koresh, weitere Extrempositionen und vielfältige neue Irrlehren. Von Waco aus verbreitete man, David Koresh sei ein von Gott gesandter Prophet und gleichzeitig das Lamm der Offenbarung des Johannes (Offb.5). Alle nach 32 n. Chr. Geborenen könnten nur durch die Davidianer gerettet werden. Sie selber würden in der Schlacht von Harmagedon eine entscheidende Rolle spielen und die einzigen sein, die entrückt würden. Der Weltuntergang fände 1995 in Jerusalem statt.
In den achtziger Jahren kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Benjamin Roden und dem vormaligen Rocksänger Vernon Howell. Roden, der mit Waffengewalt gegen seinen Rivalen Howell vorging, wurde inhaftiert. Im Gefängnis erschlug Roden 1989 einen Zellennachbarn. Nach einer dramatischen Flucht wurde Roden für geisteskrank erklärt und starb bald an Herzinfarkt in einer Nervenklinik.
Seit 1990 war Vernon Howell unangefochtener Führer der Davidianer und nannte sich nach König David und dem Perserkönig Cyros" DAVID KORESH. 1992 wurde die Zentrale in Waco in "Ranch Apocalypse" umbenannt, da Koresh glaubte, die Schlacht von Hamagedon nähme ihren Anfang in Waco. Seine Anhänger nannten sich jetzt "Schüler der sieben Siegel" und warben international, vor allem unter unzufriedenen Adventisten, um Anhänger. In Waco führten die Davidianer ein einfaches, streng an der adventistischen Ernährungslehre angelehntes Leben, mit eigenem Pflanzenanbau und religiösen Studien. Koreshs Sexualleben sorgte außerhalb der Glaubensgemeinschaft für wilde Gerüchte und Anfeindungen.
Er "eignete sich spirituelle Frauen an",
darunter sollen auch 12- und 13jährige Mädchen gewesen sein. Koresh hatte bald mehr als 12 Kinder. Gerüchte über Unmengen von in der "Ranch Apocalypse" angehäuften Waffen und von Kindesmißbrauch im Zentrum der Davidianer veranlaßten die Behörden zum Eingreifen. In ihrem Fanatismus interpretierten die Davidianer das Anrücken der 76 Polizeibeamten am 28.2.1993 mit dem Anbruch von Harmagedon und gingen zur gewaltsamen Verteidigung ihres Zentrums über. Bei dem Versuch, Koresh festzunehmen, wurden vier Polizisten getötet. Daraufhin übernahm das FBI den Fall und startete eine 51tägige Belagerung des Davidianer-Camps. Am 19. April 1993 kam es, unter Einsatz von Panzern und großen Tränengasattacken, zum Sturm auf das Lager. Es brach ein Feuer aus und kam unter den Davidianer zu einer Panik. David Koresh und 75 seiner Nachfolger starben an Rauchvergiftungen, Waffenschüssen und Stichwunden.
Einige Davidianer begingen eher Selbstmord, als sich dem FBI zu ergeben. Eine spätere Untersuchung ergab, daß der FBI von Experten vor einem solchen Angriff gewarnt wurde. Allerdings verließ man sich auf religiös nicht informierte Psychologen, was nach heutigen Erkenntnissen zur Fehlentscheidung führte. Die genauen Hintergründe der verhängnisvollen Entscheidung des FBI sind bis heute ungeklärt.
Die Reste der Davidianer spalten sich in eine Gruppe, die Koresh ablehnte, und eine sehr kleine Gruppe (1996 noch 24 Mitglieder), die mit David Koreshs Rückkehr am 13.12.1996 rechnete. Man glaubt, dass der prophezeite 2300 Tage-Countdown am 19.4.1993, also am Tag des Massakers, begonnen habe (Dan 8,14). Für den 6.8.1999 hatte man das sechste Siegel mit einer fünfmonatigen Qual für die ganze Welt prophezeit (Offb 6,12ff). Wieder eine falsche Prophezeiung, die sich nicht erfüllte (Falsche Propheten). Zum siebenten Jahrestag des tödlichen Feuers im Davidianer-Zentrum am 19. 4.2000 weihten die überlebenden Davidianer eine neue Kirche in Waco ein, in der gelegentlich Gottesdienste abgehalten werden. Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Feuertod der Davidianer explodierte 450 Kilometer weiter nördlich in Oklahoma City das Gebäude einer US Bundesbehörde. 168 Menschen kamen ums Leben. Der Bombenleger, der inzwischen hingerichtete Timothy McVeigh, wollte mit dem Attentat offenbar die Toten von Waco rächen. Der 19. April bleibt in Waco und in Oklahoma City ein düsteres Datum.
Die Geschichte der Davidianer zeigt, wie anfänglich kleinere Abweichungen von der biblischen Lehre immer tiefer in sektiererische Spekulationen und Irrlehren führen können (vom einer extremen Ausprägung des Adventismus zur militanten Endzeitsekte, die sich mit Polizei und Armee Schlachten liefert ). Die Entwicklung zeigt auch, dass religiöse Menschen und Gruppen, die sich von charismatischen Führergestalten abhängig machen, in geistige Hörigkeit und menschliche Versklavung geraten können. Dies führt oft genug zur Zerstörung der Persönlichkeit, zur finanziellen und sexuellen Ausbeutung und auch zum Tod. Der Massenmord der >Volkstempler, am 18.11.1978 in Jonestown in Guyana, bei dem es zum Tod von 921 Menschen, darunter 276 Kindern, kam, war ein solches Beispiel. Die Ereignisse um die mit den >Rosenkreuzern verbundenen Sonnentempler, bei denen 1994 und 1997 in der Schweiz, Frankreich und Kanada 74 Kultanhänger den Tod fanden, sind ein weiterer Beleg für solche Gefahren.
S. auch: Sekte; Kult; Verführung; Wiederkunft Jesu Christi.
Lit. : G. Vidal, Ewiger Krieg für ewigen Frieden, 2002; D. J. Reavis, The Ashes of Waco: An Investigation, dpa : 19.04.2003 – aktualisiert: 21.07.2003.
Rainer Wagner
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de