Im Gegensatz zum Weltkirchenrat (�kumenischer Rat der Kirchen) oder anderen kirchlichen Sammlungsbewegungen ist die Evangelische Allianz kein Kirchenbund. Sie versteht sich seit ihrer Gr�ndung als loser Bund von gl�ubigen Einzelpersonen aus verschiedenen reformatorischen Kirchen. Wenn die Evangelische Allianz auch von vielen als ein Kirchenbund der mehr evangelikal ausgerichteten Denominationen erscheint, lehnt sie eine solche Einordnung aber bis heute weitgehend ab.
Der Gedanke der Gr�ndung eines solchen Bruderbundes entstand auf dem Hintergrund der Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts in Gro�britannien. Evangelistisch und missionarisch ausgerichtete Pers�nlichkeiten pflegten zueinander Kontakt �ber die bestehenden Konfessionsgrenzen hinaus. Viele standen unter dem Eindruck, da� ein gemeinsamer Evangelisationsdienst n�tig ist, um den Missionsauftrag Jesu zu erf�llen. Die konfessionelle Zerrissenheit erschien dabei hinderlich. Auch gab es in Gro�britannien innerhalb der Anglikanischen Kirche hochkirchliche Tendenzen, die zu �bertritten in die katholische Kirche f�hrten. Dr.Thomas Chalmers (1780-1847), der Gr�nder der Schottischen Freikirche, war die wichtigste Pers�nlichkeit, die hinter dieser Bewegung stand.
1845 trafen erstmalig 217 Theologen und Laien verschiedenster protestantischer Konfessionen in Liverpool zu einer Vorbereitungsversammlung zusammen, um M�glichkeiten gemeinsamen Dienstes und Zeugnisses auszuloten. Am 14. April 1846 schickte das Londoner Vorbereitungskomitee Einladungen f�r eine Gr�ndungsversammlung der Evangelische Allianz an evangelische Pers�nlichkeiten aus verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften, die als "korrespondierende Mitglieder vorgeschlagen" waren, aus. Von vornherein verbanden sich mit der Gr�ndung der Evangelische Allianz unterschiedliche Ziele.
Nach Meinung der �berwiegenden Mehrheit der Teilnehmer sollte die Allianz keine Vertretung von Kirchengemeinschaften, sondern "ein einigendes Band ihrer lebendigen biblisch-gl�ubigen Glieder" (P.Scharpff) sein. Deshalb bestand die Evangelische Allianz vom Anfang an auch nur aus Einzelpers�nlichkeiten, die aufgrund ihres pers�nlichen Bekenntnisses zu Jesus Christus dem Bruderbund der Allianz angeh�rten. Allerdings gab es von Anfang an auch schon andere Tendenzen und W�nsche. So findet sich in ersten Verlautbarungen der Allianz das Wort "�kumenisch". Es wurde sp�ter in den Kreisen der Allianz vermieden, um nicht im Zusammenhang mit den altkirchlichen �kumenischen Konzilien genannt zu werden, die in den erweckten Kreisen nur selten positiv betrachtet wurden. Die sehr stark freikirchlich gepr�gten Christen, die die Allianz im ersten Jahrhundert ihres Bestehens unterst�tzen, sahen hinter den altkirchlichen "�kumenischen" Konzilien meist Veranstaltungen der entstehenden Staatskirche der nachkonstantinischen Zeit, die sie ablehnten.
Karl Heinz Voigt zeigt aber in seinem Buch "Die Allianz als �kumenische Bewegung", da� die Allianz von einigen ihrer Vertreter durchaus im heutigen Sinn als �kumenisch verstanden wurde. So bezeichnet sie Pastor Wilhelm Nast vor der Londoner Gr�ndungsversammlung in dem von ihm herausgegebenen deutschsprachigen Wochenblatt der bisch�flichen Methodistenkirche der USA "Der Christliche Apologet" als "Zusammenkunft zur Vereinigung aller Protestanten". Die Zeitschrift der Evangelischen Gemeinschaft in den USA, "Der christliche Botschafter", �bernahm diesen Artikel und stellte sich damit hinter die Sicht Nasts. Auch Allianzgegner, wie der orthodox-lutherische Theologe Ernst Wilhelm Henstenberg (1802-69), lehnten eine Mitarbeit ab, da sie darin eine theologisch unerlaubte Vereinigung sahen. Obwohl es, wie Pfarrer Joachim Cochlovius schreibt, Zweck der Allianz war, "die wesentliche Einheit der Kirche, soweit m�glich, sichtbar zu gestalten", fanden diese �kumenischen Gedanken in der in London angenommenen "Basis" (9 Richtlinien) keinen Niederschlag.
Vom 19. August bis 2. September 1846 kamen 920 Teilnehmer in den f�r �ffentliche Veranstaltungen allgemein genutzten R�umen einer Londoner Freimaurerloge zur Gr�ndungsversammlung zusammen. Sie geh�rten etwa 50 verschiedenen Denominationen an. Zu den deutschen Teilnehmern geh�rte der pietistische Hallenser Theologe Tholuck, Missionsinspektor Hoffmann aus Basel, Pfarrer Gottlob Barth aus Calw und der Gr�nder der deutschen Baptisten Johann Gerhard Oncken. In den 9 Punkten, den sogenannten Richtlinien, gab man sich einen biblisch ausgerichteten Ma�stab f�r Lehrvoraussetzungen, denen sich die Allianz verpflichtet sah:
In Berlin fand mit Unterst�tzung des f�r den Gedanken der Allianz sehr aufgeschlossenen preu�ischen K�nigs Wilhelm IV. 1857 eine Generalversammlung statt. Am 28. Juli 1857 bildete sich der Deutsche Zweig urspr�nglich unter dem Namen "Evangelischer Bund". Prof. Tholuck (Halle), Prof. Christlieb (Bonn) und Friedrich Adolf Krummacher geh�rten zu den Gr�ndern oder ersten wichtigen F�rderern der Bewegung. Sp�ter wurden solche bekannten Pers�nlichkeiten wie Pastor Ernst Modersohn, Graf Andreas v. Bernstorff, General v. Viebahn, Pastor Stockmayer oder Karl de Neusville, Otto Melle und andere Erweckungsprediger F�rderer dieser Bewegung.
Neben dem deutschen Zweig der Allianz spielte die 1886 ins Leben gerufene Blankenburger Allianzkonferenz eine wichtige Rolle. Sie war anf�nglich stark von der >Heiligungsbewegung und der Br�derbewegung gepr�gt. Heute besteht ein Weltdachverband der Evangelische Allianz: die World Evangelical Fellowship (WEF). Seit 1952 gibt es einen europ�ischen und seit 1943 einen amerikanischen Verband.
In Deutschland ist die Basis der Evangelische Allianz Lehrma�stab vieler freier Werke. Neben Konferenzen und Evangelisationen, der Unterst�tzung der >ProChrist-Evangelisationen und F�rderung der >Willow Creek-Evangelisationsmethoden ist die j�hrliche Allianzgebetswoche Anfang Januar Hauptwirkungsgebiet der Allianz. Sitz ist das Allianzhaus in Bad Blankenburg (Th�ringen).
In den letzten Jahren ist zu beobachten, da� durch den Einflu� charismatischer Kreise auch katholische Pers�nlichkeiten zu Einflu� kommen. Auch >Adventisten wirken immer st�rker in der Allianz mit. Bei den von der Evangelische Allianz mitgetragenen Evangelisationen >ProChrist, dem Jahr mit der Bibel und auch anderen Aktivit�ten gibt es Ber�hrungen und Zusammenarbeit zwischen Allianz und Katholischer Kirche (Katholisches Kirchenverst�ndnis). Im Namen der Deutschen Evangelische Allianz wurde 1996 eine gemeinsame Erkl�rung (Kasseler Erkl�rung) mit dem Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden abgegeben, die praktisch auf die Au�erkraftsetzung der Berliner Erkl�rung von 1909, in der die Zusammenarbeit mit den Pfingstlern abgelehnt wurde, hinaus geht (Pfingstbewegung). Ohne dies der deutschen Leitung der Allianz anlasten zu wollen, ist zu bemerken, da� sich teilweise �rtliche Allianzkreise nicht mehr als Br�derbund bibeltreuer Christen, sondern als Zusammenschlu� �rtlich arbeitender Kirchen und Gemeinschaften verstehen. Oft geh�ren dem Kreis dann auch schon katholische Priester als Vertreter ihrer Kirche an. Von konservativ-bibeltreuen Pers�nlichkeiten und Kreisen werden solche Aktionen und Schulterschl�sse von Seiten der Allianz als "unbiblisch" und "Verrat an der Reformation" kritisiert.
Lit.: R. Wagner, Gemeinde Jesu zwischen Spaltungen und �kumene, 2002; E. Br�ning / H.-W. Deppe / L. Gassmann, Projekt Einheit. Rom, �kumene und die Evangelikalen, 2004; L. Gassmann, Pietismus wohin?, 2004.
Rainer Wagner
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de