Ökumenischer Rat der Kirchen

Klick auf den Kompass öffnet den IndexZeitweise war der Ökumenischer Rat der Kirchen die einflussreichste ökumenische Gruppe weltweit. Auch noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist er der größte Dachverband verschiedener christlicher Kirchen. Ihm gehören rund 350 Kirchen in über 120 Ländern an. Die Kirchen kommen aus fast allen christlichen Traditionen. Über die im gleichen Geist arbeitenden und mit ihm verbundenen so genannten Nationalen Christenräte, in Deutschland ACK, ist er auch regional präsent.   

Seit dem Untergang des kommunistischen Ostblocks hat er allerdings an Bedeutung verloren. Die Sowjetunion versuchte, über ihr wohl gesonnene westliche Kirchenvertreter und über von ihr abhängige Kirchenvertreter den Ökumenischer Rat der Kirchen für ihre außenpolitischen Ziele zu missbrauchen. Teilweise waren Ökumenischer Rat der Kirchen-Mitarbeiter KGB-Agenten.

Die Römisch-Katholische Kirche übt zwar geistigen Einfluß auf den Ökumenischer Rat der Kirchen aus und ist auch mit Gast- bzw. Beobachterstatus bei vielen Ökumenischer Rat der Kirchen-Aktivitäten vertreten. Selbst aber war sie nie Mitglied des Ökumenischer Rat der Kirchen und kann es von ihrem exklusiven Kirchenverständnis her auch nie sein. Ihre Verhandlungen im Sinne katholischer Einheitsbewegungen übt sie in den letzten Jahrzehnten meist über die anderen Kirchen bzw. deren konfessionelle Bünde (Lutherischer Weltbund, Charismatische Bewegung) direkt aus (Rückkehr-Ökumene).

A. Vier Wurzeln des Weltkirchenrates

Meist geht man heute von nur drei historischen Wurzeln des Ökumenischen Rates der Kirchen aus:

1. Weltmissionskonferenz von 1910 in Edinbourgh

2. Konferenz für Praktisches Christentum 1925

3. Konferenz für Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order) von 1927.

Allerdings gibt es noch eine heute in ihrer Bedeutung meist übersehe Vorläuferorganisation des Ökumenischer Rat der Kirchen, nämlich:

4. Weltbund für Freundschaft der Kirchen.

Es ist bemerkenswert, daß ähnlich wie bei der Entstehung der einzelnen Kirchen, einzelne aktive Persönlichkeiten die Ökumenische Bewegung voran brachten. Bei der Entwicklung des Ökumenischer Rat der Kirchen waren es u.a. der evangelikal geprägte John Mott, der liberale lutherische Erzbischof Nathan Söderblom, Willem A. Visser´t Hooft, der spätere Generalsekretär des Ökumenischer Rat der Kirchen, und William Temple, der seit 1942 ranghöchster anglikanischer Erzbischof (Canterbury) war. Sie trieben den ökumenischen Gedanken in Richtung Ökumenischer Rat der Kirchen aktiv und erfolgreich voran.

B. Die Gründung des Ökumenischer Rat der Kirchen

Am 23. August 1948 kam es in Gegenwart von 351 Delegierten von 146 Kirchen aus 47 Ländern zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (Ökumenischer Rat der Kirchen) oder — wie er auch in Anlehnung an die englische Bezeichnung "World Council of Churches" (WCC) genannt wird -: "Weltrat der Kirchen" bzw. "Weltkirchenrat". Zum ersten Generalsekretär wurde der Niederländer Willem A. Visser t´Hooft gewählt. Einer der Präsidenten war der Hessen-Nassauische Kirchenpräsident Martin Niemöller (1882-1984), der seines mutigen Auftretens und seiner Inhaftierung im 3. Reich wegen weltweit hohe Achtung besaß. In der Gründungserklärung hieß es:

"Der Ökumenische Rat der Kirchen, in Amsterdam versammelt, grüßt alle, die Jesus Christus angehören. Wir preisen Gott den Vater und unseren Herrn Jesus Christus, daß er die verstreuten Kinder Gottes sammelt und uns hier in Amsterdam zusammengeführt hat. Wir sind darin einig, daß wir ihn als Gott und Herren anerkennen."

Es vereinigten sich 1948: Anglikaner, Lutheraner, Reformierte, einige Altorientalische und Orthodoxe Kirchen, Methodisten, einige Baptistenkirchen, Heilsarmee, Quäker und Altkatholische Kirche.

C. Die theologische "Basis" des Ökumenischer Rat der Kirchen

Der schmale theologische Konsens der Mitgliedskirchen wird im Wortlaut der kurzen Basis deutlich: "Der Ökumenischer Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen". Dabei wurde auch diese Basis noch sehr weitherzig interpretiert. Unter den Gründungsmitgliedern war z.B. die religiöse Gemeinschaft der Quäker, eine zwar sehr karitativ wirkende, aber sich nicht im Sinne der Basis als Kirche verstehende Denomination, die auch von ihrer Lehre her ganz am Rand des christlichen Spektrums angesiedelt ist.

Auf der 4. Vollversammlung 1961, als eine größere Zahl orthodoxer Kirchen beitrat, wurde auf deren Drängen die Basis erweitert:

"Der Ökumenischer Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes".

Der Bezug auf die Bibel und auf die Dreieinigkeit war den stark von der altkirchlichen Theologie geprägten Orthodoxen wichtig und verlieh der Basis etwas mehr an Substanz. In dieser Form gilt sie bis heute. Diese Minimalbasis erlaubt einem breiten Spektrum sich christlich verstehender Gruppierungen, selbst mit sektenhaften Lehren und Ordnungen, die Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat. Das geht so weit, daß 1998 mit der "Harristen-Kirche" von der Elfenbeinküste erstmalig eine Kirche aufgenommen wurde, die ihren neuen Mitgliedern die Vielehe (>Polygamie) genehmigt.

D. Die Entwicklung des Ökumenischer Rat der Kirchen am Beispiel der Vollversammlungen

Da die Vollversammlungen das oberste Gremium des Ökumenischer Rat der Kirchen sind, werden auf deren Tagungen die Weichen und Ziele der Arbeit festgelegt. Dadurch soll der Ökumenischer Rat der Kirchen Organ der Kirchen bleiben. Allerdings bereiten der Exekutivausschuß und die Bürokratie des Generalsekretariats und der Kommissionen die Vollversammlungen und andere Tagungen vor. In der Auswahl der Referenten, der Bedeutung der Arbeitsgruppen und des Materials, das die Delegierten vor den Vollversammlungen erhalten, hat die Leitung des Ökumenischer Rat der Kirchen viele Möglichkeiten, auch an einzelnen und mehreren der Mitgliedskirchen vorbeizumanipulieren. Dies führte besonders bei den Vertretern der >Orthodoxen Kirche in den letzten Jahren zu großer Verärgerung.

Fazit:

Daß sich der Ökumenischer Rat der Kirchen nicht von der westlich-liberalen Theologie distanzierte, trieb den Ökumenischer Rat der Kirchen zur Spaltung. Nach der Vollversammlung beschloß der "Heilige Synod", die oberste Kirchenbehörde der Russisch-Orthodoxen Kirche, die "aktive Beteiligung" an der laufenden Arbeit des Ökumenischer Rat der Kirchen auszusetzen. Da sich die Russisch-Orthodoxe Kirche auch durch die dem Ökumenischer Rat der Kirchen nahestehende Konferenz Europäischer Kirchen schlecht vertreten sieht, will sie eine eigene Vertretung bei der Europäischen Union in Brüssel einrichten. Die Griechisch-Orthodoxe Kirche und das Ökumenische Patriarchat in Konstantinopel handhaben es ebenso.

Obwohl der Ökumenische Rat der Kirchen zur Zeit noch rund 350 Mitgliedskirchen umfasst, geht seine kirchen- und weltpolitische, sowie seine theologische und moralische Bedeutung seit Jahren permanent zurück. Als Gesprächspartner mit Regierungen oder der Katholischen Kirche hat der Ökumenischer Rat der Kirchen seine Autorität weitgehend eingebüßt. Nach dem Untergang des kommunistischen Imperiums gibt es keine politische Macht, die über den Ökumenischer Rat der Kirchen ihre Außenpolitik in kirchliche und politische Kreise des Westens einführen will. Rom führt seine ökumenischen Gespräche unter weitgehender Umgehung des Ökumenischer Rat der Kirchen mit den konfessionellen Bünden. Sicher hofft der Papst, über die kleineren konfessionellen Gruppen seine Vorstellungen von christlicher Einheit eher durchsetzen zu können als im Gespräch mit dem mitgliederstarken Ökumenischer Rat der Kirchen.

Zu den heftigsten Kritikern des Ökumenischer Rat der Kirchen gilt der sich als biblische Alternative zum Weltkirchenrat verstehende >Internationale Rat Christlicher Kirchen (ICCC).

Lit.: R. Wagner, Gemeinde Jesu zwischen Spaltungen und Ökumene, 2002.

Rainer Wagner


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de