Als Placebo-Effekt (lat. placebo = ich werde gefallen) bezeichnet man einen unspezifischen Therapie-Effekt, der nicht durch einen Wirkstoff bedingt ist, sondern durch psychische Reaktionen, die auf dem gläubigen Vertrauen des Patienten in das verabreichte Mittel, die Therapie-Maßnahme und/oder die besondere Fähigkeiten des Therapeuten beruhen.
Der Effekt wird durch einen von seiner Vorgehensweise überzeugten und suggestiv vorgehenden Heiler verstärkt. Je nach Krankheitsbild und Begleitumständen liegt der "Erfolg" des Scheinmedikaments zwischen 30% und 60%. Die vom Patienten selbst bewirkte subjektive Zustandsverbesserung wird unter anderem durch die Ausschüttung von Endorphinen (= körpereigene, schmerzregulierende Substanzen) und psychischen Veränderungen in der Schmerzwahrnehmung hervorgerufen. Die Wirkung des Placebo-Effekts kann unterschiedlich lange anhalten, und scheint nur unwesentlich von der Persönlichkeitsstruktur des Patienten abzuhängen. Neben reinen Placebos werden auch Pseudo-Placebos eingesetzt, die deutlich unterdosiert sind oder von der eigentlich notwendigen Wirkweise abweichen. Dieses Phänomen kann auch im negativen Sinn beobachtet werden (Nocebo-Effekt), wenn die geplante Therapie als bedrohlich beschrieben und dann auch erlebt wird. Wahrscheinlich sind alle medizinischen Therapien in der Praxis mehr oder weniger vom Placebo- oder Nocebo-Effekt beeinflusst.
Entgegen landläufiger Überzeugung kommt der Placebo-Effekt nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren vor. Durch einen Lerneffekt (Konditionierung) wird er wiederholt auslösbar. Placebos können bei Arneimittelprüfungen als Vergleichssubstanz verwendet werden, um nachzuweisen, ob die zu überprüfende Substanz eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung entfaltet. Vom Placebo-Effekt unterschieden werden müssen Spontanheilungen, die auf bisher weitgehende unerforschte Selbstheilungskräfte des Körpers oder einen übernatürlichen Eingriff Gottes zurückgeführt werden können.
In der Therapie ist die unbewusste Verabreichung von Placebos – wie in zahlreichen alternativen Heilmethoden üblich – problematisch, weil er zu einer Fehleinschätzung des Mittels und einer Gefährdung des Patienten kommen kann, da die Symptome zwar zurückgehen können, das möglicherweise zugrunde liegende körperliche Problem aber unbehandelt bleibt. Bewusst eingesetzte Placebos sind meines Erachtens für Christen ebenfalls abzulehnen, weil sie die erstrebte Heilung mittels Täuschung des Patienten zu erreichen versucht. Ethisch muss der bewusst beim Patienten erweckte Eindruck, es handle sich bei dem wirkungslosen Scheinmedikament um ein physisch wirksames Mittel, als Lüge bezeichnet werden. Biblisch zurückgewiesene Verhaltensweisen ändern ihren Charakter nicht allein aufgrund einer möglicherweise positiven Auswirkung. Mord, Lüge oder Diebstahl können von Christen nicht eingesetzt werden, um ein durchaus gutes Ziel zu erreichen, ohne das dieses durch den falsch gewählten Weg dekretiert würde.
S. auch: Alternativmedizin; Esoterische Medizin; Akupunktur; Homöopathie; Geist- und Wunderheilung; Okkultismus.
Michael Kotsch
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2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
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