Die Taufe wird im Neuen Testament – im Unterschied zum Glauben – nicht als heilsnotwendig betrachtet. Es heißt in Mk 16,16: "Wer da glaubt und getauft wird, wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden." Die Taufe ist in der zweiten Satzhälfte nicht genannt. Auch der Verbrecher am Kreuz, der am gleichen Tag wie Jesus Christus starb, ging – ohne vorherige Taufmöglichkeit – mit dem Herrn ins Paradies ein (Lk 23,42f.). Dennoch freilich stellt die Taufe eine wichtige Handlung für die Aufnahme in die christliche Gemeinde dar.
Im Neuen Testament wird explizit nur von der Taufe Gläubiger berichtet, nicht von der Taufe Unmündiger oder gar Unbekehrter. Der Ablauf ist in der Regel so: Der Betreffende hört die Botschaft vom Heil, kehrt zu Jesus Christus um, glaubt an ihn und wird getauft. Diese Reihenfolge finden wir beim Volk an Pfingsten (Apg 2,41), beim äthiopischen Schatzmeister (Apg 8,35ff.), bei Saulus (Apg 9,17f.), bei Krispus (Apg 18,8) und anderen.
Es gibt jedoch auch Stellen, welche die Unmündigen-Taufe zumindest als möglich erscheinen lassen. In erster Linie sind hier die Oikos-Formeln ("mit seinem ganzen Hause") zu nennen, etwa in Apg 16,15, vor allem aber in Apg 16,30–34: Der Kerkermeister von Philippi fragte die Apostel:
"Liebe Herren, was soll ich tun, daß ich gerettet werde? Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, dann wirst du und dein Haus selig! Und sie sagten ihm das Wort Gottes und allen, die in seinem Hause waren ... Und er ließ sich taufen und alle die Seinen alsbald und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er an Gott gläubig geworden war."
Hier fällt auf, daß sich die Apostel zunächst an den Kerkermeister als das Oberhaupt seines Hauses, als pater familias, wenden. Er und die Seinen hören das Wort, aber es wird nur erwähnt, daß er gläubig wird. Dennoch veranlaßt er, daß sich alle taufen lassen. Er hat über sein Haus auch hier die Befehlsgewalt (ähnlich wie im Alten Bund bei der Beschneidung). Freilich handelt es sich hier nur um ein argumentum e silentio (Argument aus dem Schweigen heraus), nicht um eine ausdrückliche Bestätigung der Kinder- oder Säuglings-Taufe (Kinder und Säuglinge werden nicht ausdrücklich erwähnt!).
Ähnliches gilt für Stellen wie Mt 28,19f.:
"Gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker, indem ihr sie tauft (baptizontes) auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was ich euch befohlen habe."
Hier sind zwar die Völker als Kollektiv angesprochen, was bedeuten könnte, daß die Taufe auch Kinder und Säuglinge einschließt. Doch kann die Taufe – gerade wegen der Verbindung mit dem Lehren – auch selektiv (auswahlweise) verstanden sein: Menschen aus allen Völkern sollen zu Jüngern werden sowie Taufe und Lehre empfangen.
Die Tatsache, daß hier die Heilige Schrift eine gewisse Bandbreite von Interpretationen zuläßt, erklärt es, daß es in dieser Frage – leider – so viele Spaltungen gegeben hat und gibt. Es wäre zu wünschen, daß Christen, die in dieser Frage unterschiedliche Erkenntnis haben, einander den Glauben und die Seligkeit nicht absprechen. Heilsnotwendig ist – wie gesagt – der Glaube an Jesus Christus und sein Erlösungsopfer am Kreuz. Daraus folgt dann – hoffentlich – ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi, wenn die Bekehrung echt und der Betreffende wiedergeboren ist. Taufe ohne Glaube kann niemanden retten, aber Glaube ohne Taufe (wo diese nicht möglich ist) sehr wohl.
S. auch: Gemeinde; Täuferisches Kirchenverständnis; Reformatorisces Kirchenverständnis.
Lothar Gassmann
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