Erw�hlungslehre

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Erw�hlungslehre bei Karl Barth: Eine besondere und sehr einflussreich gewordene Form der � besonders im >Calvinismus betonten und verbreiteten � Erw�hlungslehre hat der reformierte Theologe Karl Barth, Hauptvertreter der >Dialektischen Theologie entwickelt. Um diese zu verstehen, m�ssen wir uns erst den Lehren Barths �ber "Sch�pfung und Bund", "Evangelium und Gesetz" und "Das Nichtige" zuwenden.

1. Sch�pfung und Bund

Barths Sch�pfungslehre ist untrennbar mit der Lehre von den Bundesschl�ssen Gottes mit den Menschen verbunden. Den Zusammenhang dr�ckt er � insbesondere in KD III/1, � 41 � in folgenden Gedanken aus: Die Sch�pfung ist der �u�ere Grund des Bundes, und der Bund ist der innere Grund der Sch�pfung. Die Sch�pfung hat den zeitlichen Vorrang vor dem Bund, der Bund hat den sachlichen Vorrang vor der Sch�pfung. Der erste "Sch�pfungsbericht" der Genesis handelt von der Sch�pfung, der zweite vom Bund, den Gott mit den Menschen schlie�t.

Gemeint ist folgendes:

Der Tatsache, dass Gott die Welt geschaffen hat, kommt der zeitliche Vorrang vor dem Bund zu. Dass aber der Bund schon vor Grundlegung der Welt von Ewigkeit her von Gott bestimmt war, das hat den sachlichen Vorrang vor der Sch�pfung. Schon bevor die Welt geschaffen war, hat Gott den Bund seiner ewigen Erw�hlungsgnade gelegt. Wir sp�ren hier den Einfluss der calvinistischen Erw�hlungslehre auf Barth.

Nach Barth erstellt die Sch�pfung den Raum f�r die Geschichte des Gnadenbundes. Die Sch�pfung ist gewisserma�en das "Vorwort" der Gnadengeschichte � r�umlich und zeitlich gesehen. Die Sch�pfung ist f�r Barth ein zeitliches Ereignis, wenn auch au�erhalb der Historie. Barths Wertung der biblischen Sch�pfungsgeschichte ist zwiesp�ltig. Er h�lt sie zwar nicht f�r eine reine Erfindung, ein "M�rchen" (wie radikale Vertreter der historisch-kritischen Methode), aber dennoch interpretiert er sie � einer gem��igten Bibelkritik verhaftet � als "heilige Sage von Gott dem Sch�pfer" unter Zuhilfenahme menschlicher Phantasie, allerdings unter Lenkung des Heiligen Geistes.

Der Bund nun, der schon vor Grundlegung der Welt von Gott beabsichtigt war, ist der innere Grund der Sch�pfung. Die Sch�pfung wurde notwendig, um den Bund zu verwirklichen. Gott erschafft die Welt und den Menschen, schlie�t einen Bund mit ihm und bet�tigt die Freiheit seiner Liebe in der Geschichte mit den Menschen.

Barth schreibt:

"War die Sch�pfung der �u�ere Grund des Bundes, so war er ihr innerer Grund. War sie seine formale, so war er ihre materiale Voraussetzung. Hatte sie den geschichtlichen, so hatte er den sachlichen Vorrang" (KD III/1, 261f.).

Mit dieser pr�destinatianischen (vorherbestimmenden) Sicht der Sch�pfung legt Barth den Grund f�r seine eigentliche Erw�hlungslehre

2. Evangelium und Gesetz

Bei Martin Luther lautete die Reihenfolge: zuerst das Gesetz, dann das Evangelium. Das Evangelium setzt das Gesetz und seine Verk�ndigung voraus. Das Gesetz fordert und klagt an, das Evangelium spricht die Gnade und Vergebung zu. Das Gesetz t�tet, das Evangelium macht lebendig. Dementsprechend wurde bei Luther und seinen Nachfolgern ein dreifacher Gebrauch des Gesetzes unterschieden:

1. der politische Gebrauch (usus politicus),
der das Zusammenleben der Menschen im Staat regelt und erm�glicht und zum Gebiet der Sch�pfungsordnungen geh�rt ("Riegel");

2. der �berf�hrende oder anklagende Gebrauch (usus elenchticus),
der den Menschen von seiner Schuld und Unf�higkeit �berf�hrt, das Gesetz Gottes zu halten, und ihn f�r das Evangelium vorbereitet ("Spiegel"); und

3. � namentlich vor allem bei Melanchthon � der dritte Gebrauch (tertius usus) des Gesetzes,
der dem Menschen Regeln f�r sein Leben als Christ an die Hand gibt ("Regel").

Barth kehrt die Reihenfolge Luthers um: nicht Gesetz und Evangelium, sondern: zuerst das Evangelium, dann das Gesetz. Das Gesetz ist f�r ihn eine Form des Evangeliums. Gottes Gnade ist gr��er als sein Zorn, das Evangelium ist st�rker als das Gesetz. Die Umkehrung der klassischen Reihenfolge h�ngt mit der inhaltlichen Vorordnung des Bundes vor der Sch�pfung zusammen (s.o.): Zuerst kommt die Gnade in Form des Bundesschlusses Gottes � und dann erst tritt die Sch�pfung in Kraft, welche Abweichungen vom Bund enth�lt, die das Gesetz notwendig machen. Ethik ist Ethik der Gnade. Der Mensch soll tun, was der im Evangelium verk�ndigten Gnade entspricht.

Kritik:

Barth geht aus vom Apriori (Vorgeordnetsein), ja der �bermacht der Gnade �ber den Zorn Gottes und �ber die Unbu�fertigkeit des Menschen. F�r ihn verschwimmt die Scheidelinie zwischen bekehrten und unbekehrten Menschen sehr stark, die in der Heiligen Schrift durchgehend festgehalten wird (vgl. Hes 3,17ff.; Mt 7,13f.; Apg 3,19; 1. Thess 1,9 u.a.). Der Unbekehrte steht nach biblischer Aussage nicht unter der Gnade, sondern unter dem Zorn Gottes, auch wenn Gottes Gnadenangebot f�r ihn bereit liegt. So lange er dies aber nicht f�r sich in Anspruch nimmt, bleibt er unter dem Zorn und Urteil des Gesetzes Gottes (usus elenchticus) � und dieses Urteil lautet: Tod (R�m 6,23). Sicherlich � und darin liegt das berechtigte Anliegen Barths begr�ndet � besitzt die Gnade Gottes und das Evangelium eine �bermacht in dem Sinne, dass

"Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1. Tim 2,4).

Wo ein Mensch das Evangelium annimmt, kommt diese �bermacht zum Zuge. Aber diese �bermacht dr�ngt sich niemandem dergestalt auf, dass die Ablehnung des Evangeliums mit ihren Folgen (Zorn, Gericht, Tod) einfach ausgeblendet w�re. Der Zorn Gottes ist keineswegs nur eine andere Form der Gnade � er kann das auch sein -, aber in seiner Ursache und Auswirkung ist er bittere Realit�t. Wo eine �bermacht der Gnade und des Evangeliums im Stil Barths postuliert wird, droht die Gnade zu einer "billigen Gnade" zu werden, der die Gegenseite der Gesetzeswirklichkeit und der Folgen der Gesetzes�bertretung fehlt. Auf diese Gefahr hat Dietrich Bonhoeffer in seiner Schrift "Nachfolge" hingewiesen. Die Reihenfolge "zuerst das Evangelium, dann das Gesetz" mag im biblischen Sinn vielleicht als Erkenntnisfolge (noetisch) stehen gelassen werden: Der vom Evangelium, von der Gnadenbotschaft Erfasste erkennt pl�tzlich seine Schuld als Ungen�gen an Gottes Gebot. Aber als Seinsfolge (ontisch) bleibt die Reihenfolge "zuerst das Gesetz, dann das Evangelium" unumkehrbar. Bei Barth findet sich eine �berbetonung des Gesetzesaspektes, den die Reformatoren als "tertius usus" bezeichnet hatten: das neue Leben aufgrund der bereits erfahrenen Erl�sungswirklichkeit. Dabei tritt aber der erste und zweite Gebrauch des Gesetzes zur�ck und es kommt zu einer Vereinseitigung.

3. Das Nichtige

Das Nichtige ist f�r Barth das, was gew�hnlich bezeichnet wird als S�nde, �bel, Tod, H�lle und Teufel. Es bezieht sich somit sowohl auf die Hamartiologie (Lehre von der S�nde) als auch auf die D�monologie (Lehre vom Teufel und seinen D�monen). Warum spricht Barth in diesem Zusammenhang von dem "Nichtigen"? Alle diese Dinge � S�nde, H�lle, Tod, Teufel � sind f�r Barth Fremdk�rper in Gottes Vorsehung und ewigem Bundesschluss. Sie sind Elemente, denen Gott die Wohltat seiner Vorsehung verweigert. Das Nichtige ist der Feind, der vom Sch�pfer und Gesch�pf verschieden ist, das Negative. Es ist die Wirklichkeit, die Jesus am Kreuz besiegt hat. Es ist nichtig infolge des Sieges Jesu.

F�r Barth ist das Nichtige durchaus ein wirklicher Angreifer Gottes, wirkliches �bel, wirkliche S�nde, wirklicher Tod, wirkliche H�lle, wirklicher Teufel, aber in seiner vernichtenden und verdammenden Auswirkung durch den Tod Christi �berwunden. Das Nichtige ist also nicht einfach nichts, sondern es hat eine Wirklichkeit, aber nur in dem Zusammenhang des Erw�hlungshandelns Gottes � und dadurch wird es eben zum Nichtigen, weil es in der Erw�hlungstat Gottes verworfen ist und keine Wirklichkeit im Sinne einer Macht �ber den Menschen mehr besitzt.

Das Nichtige ist f�r Barth die Negation der Gnade � und dadurch das B�se und das Chaos, indem es diese Gnade verweigert. Barth kann es auch bezeichnen als das Widerliche, St�rende, Abnormale. Es ist nie ein Naturgeschehen oder Naturzustand, sondern die Wirklichkeit, die letztendlich doch keine Wirklichkeit mehr besitzt, die n�mlich keinen Bestand hat, weil sie keinen Bund mit Gott hat. In Christus ist sie vergangen. Das Nichtige ist noch nicht vernichtet, aber sein Reich ist zerst�rt � und deshalb hat der von der Erw�hlung ergriffene Mensch die Freiheit, das Nichtige f�r abgetan zu halten (vgl. v.a. KD III/3, 403ff.).

Nach Barth ist das Nichtige eine dritte Existenzweise:

"nicht wie Gott und nicht wie das Gesch�pf, aber von Gott selbst ernstgenommen".

Es ist

"ein Element der Geschichte zwischen Gott und dem Gesch�pf". "Der ontische Zusammenhang, in welchem das Nichtige wirklich ist, ist das auf Erw�hlung begr�ndete Handeln Gottes: ... Gott erw�hlt und eben damit verwirft er auch, was er nicht erw�hlt ... Er sagt Ja und eben damit auch Nein zu dem, wozu er nicht Ja sagt ... Er ist Herr zur Rechten und zur Linken. Nur von da auch ist auch das Nichtige. Aber von da aus ist es" (a.a.O., 404f.).

Kritik: Solche Entgegensetzungen erinnern sehr stark an Johann Gottlieb >Fichtes Gegen�berstellung von Ich und Nicht-Ich. Das Ich, das sich selber gesetzt hat (vgl. Descartes: "Ich denke, also bin ich") setzt sich die Welt als das Nicht-Ich gegen�ber, mit dem es dann in Beziehung treten kann. Oder bei Barth: Was Gott in der Sch�pfung kraft seines Bundes grundgelegt hat, tritt dem Nichtigen gegen�ber und wird durch dieses bedroht, um es schlie�lich zu �berwinden. Das Nichtige erscheint hier wie ein philosophisches Prinzip, das in dialektischer Gegensatz-Dynamik aufgehoben ist kraft der Erw�hlung (auch wenn Barth einmal bemerkt, dass das Nichtige als das Chaos selbst die Dialektik sprengt; KD III/3, S. 408). Das Nichtige ist ein Begriff, der nach meiner Beurteilung f�r Barth von der Vorstellung her definiert wird, dass alles nur in actu (im Handeln) Realit�t besitzt. Der Aktualismus kommt auch hier zum Tragen (s. Dialektische Theologie). Das Nichtige ist f�r ihn keine statische, faktische Gr��e in dem Sinne, dass es etwas Festes, Wesenhaftes sei, sondern es ist nur in actu wirklich � und das heisst: in seinem �berwundensein durch die Erw�hlung und den Bund.

Gehen wir einmal von dem Begriff "Nichtiges" weg und auf die von Barth darin zusammengefassten urspr�nglichen Begriffe wie "S�nde", "H�lle" und "Teufel" zur�ck, so zeigen sich allerdings gravierende Unterschiede im Vergleich zum biblischen Gesamtzeugnis. Sicher ist es richtig, dass Jesus durch seinen stellvertretenden Opfertod am Kreuz die Macht der S�nde, der H�lle, des Teufels und des Todes �berwunden und in diesem Sinne "genichtet" hat. Aber dieser Sieg wird nur f�r diejenigen Menschen wirksam, die ihn im Glauben f�r sich in Anspruch nehmen. Alle anderen bleiben im Machtbereich der S�nde, des Teufels und des Todes. F�r diese sind diese M�chte deshalb keineswegs "nichtig", sondern eine h�chst grausame Realit�t. Und auch der wiedergeborene Christ wird noch oft genug von diesen M�chten angefochten, wenn er aus dem Schutzraum der Gnade heraustritt (vgl. Joh 3,15-21; 3,36; 8,24; 1. Petr 5,8f. u.a.). Auch wenn man sich einerseits dar�ber freuen kann, wie Barth den Sieg und die Macht Jesu Christi gro� macht, so geht dieser Siegesruf bei Barth doch mit einer Verharmlosung der >S�nde, der H�lle, des >Todes und der d�monischen M�chte einher. Bei Barth scheinen die D�monen eher ein philosophisches Prinzip (z.B. "die unm�gliche M�glichkeit"; KD III/3, S. 405) als eine gesch�pflich-personale Wirklichkeit gefallener Engel (Eph 6,10ff.; 2. Petr 2,4; Jud 6 u.a.) zu sein. Und die S�nde wird in grober Verharmlosung als "Zwischenfall" bezeichnet, der nur "zur Linken" Gottes und von seinem "Nein" her existiert (KD III/3, S. 347ff.). Diese Verharmlosung h�ngt zusammen mit Barths Erw�hlungslehre, der wir uns nun zuwenden.

4. Die Erw�hlungslehre

Mit der Erw�hlungslehre sind wir im Kern von Karl Barths Denken angelangt. Hier � bei "Erw�hlung" und "Pr�destination" � wird ein Bereich angesprochen, den wir als Menschen nie ganz ausloten k�nnen, der letztlich ein Geheimnis Gottes bleibt. Dennoch wurden und werden verschiedene L�sungsversuche vorgenommen, so auch bei Barth und dem f�r ihn vorbildhaften Calvin. Mit Barths revolution�rer Deutung der Erw�hlungslehre werden wir uns nun besch�ftigen.

Barth kn�pft in seiner Erw�hlungslehre an die Lehre Calvins von der doppelten Vorherbestimmung (gemina praedestinatio) an, aber deutet diese in umw�lzender Weise neu. Calvin war davon ausgegangen, dass es nicht nur eine Erw�hlung zum Heil, sondern auch eine (negative) "Erw�hlung" � oder richtiger: Verwerfung � zur ewigen Verdammnis gibt. Die Menschheit war f�r ihn deutlich in zwei Gruppen geteilt. So schrieb er:

"Gott hat in seinem ewigen und unwandelbaren Ratschluss einmal festgestellt, welche er einst zum Heil annehmen und welche er andererseits dem Verderben anheimgeben will. Dieser Ratschluss ist, das behaupten wir, hinsichtlich der Erw�hlten auf Gottes unverdientes Erbarmen begr�ndet, ohne jede R�cksicht auf menschliche W�rdigkeit. Den Menschen aber, die er der Verdammnis �berantwortet, denen schlie�t er nach seinem zwar gerechten und unwiderruflichen, aber unbegreiflichen Gericht den Zugang zum Leben zu!" (J. Calvin, Institutio Christianae Religionis III,21,7).

Anders bei Karl Barth! Auch f�r ihn gibt es Erw�hlung und Verwerfung, aber die Verwerfung l�dt Gott in Christus auf sich selbst � und dadurch wird sie aufgehoben. Christus ist der erw�hlende Gott und der erw�hlte Mensch zugleich. In Christus hat Gott die gesamte Menschheit erw�hlt und die Verwerfung aller stellvertretend auf sich selbst genommen. Die Verwerfung wird aufgehoben durch die �bermacht der im Kreuzesopfer Christi manifest gewordenen Gnade. Der pr�existente Gottmensch Jesus Christus ist allerdings schon von Ewigkeit her der Grund allen g�ttlichen Erw�hlungshandelns. Der entscheidende Unterschied zu Calvin liegt bei Barth darin, dass f�r ihn die Erw�hlungsgnade so universal ist, dass sie die gesamte Menschheit umfasst und es f�r ihn somit keine Unterscheidung zwischen erw�hlten und verworfenen Menschen im Blick auf ihre ewige Bestimmung mehr gibt. Aus der augustinischen Auffassung, die Menschheit sei weit �berwiegend eine "Masse der Verlorenheit" (massa perditionis), wird bei Barth das Gegenteil: sozusagen eine "Masse des Heils". F�r Barth gibt es au�er und neben Christus keinen Verworfenen. In Christus zeigt sich die �berordnung der Erw�hlung �ber die Verwerfung. In Christus zeigt sich die �bermacht der Gnade und die Ohnmacht der menschlichen Bosheit der Gnade gegen�ber.

Die Barthsche Erw�hlungslehre h�ngt, wie schon angedeutet, untrennbar mit seiner Vorstellung von Sch�pfung und Bund zusammen: Der Bund ist der innere Grund der Sch�pfung, die Sch�pfung ist der �u�ere Grund des Bundes. Bevor die Sch�pfung (mit dem S�ndenfall als "Zwischenfall") zur Verwirklichung kam, war von Ewigkeit her schon das Heil im pr�existenten Christus und im g�ttlichen Bund beschlossen. Barth beruft sich auf Bibelstellen wie Eph 1,4:

"In ihm (Christus) hat er (Gott) uns erw�hlt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten."

(Hier ist, wie der Kontext zeigt, jedoch nur von den "Heiligen" und "Gl�ubigen" und nicht von der Welt allgemein die Rede: Eph 1,1ff.).

Barth schreibt:

"Wollen wir wissen, was Gott f�r sich selbst w�hlte, indem er die Gemeinschaft mit dem Menschen erw�hlte, dann k�nnen wir nur antworten, er w�hlte unsere Verwerfung. Er machte sie zu der seinigen ... Er w�hlte unser Leiden ... zu seinem eigenen Leiden. So sehr ist seine Wahl Gnadenwahl, Liebeswahl, Wahl sich selbst hinzugeben, sich seiner selbst zugunsten des von ihm Gew�hlten zu ent�u�ern und zu erniedrigen" (KD II/2, S. 179).

Glaube an Gottes Pr�destination heisst "Glaube an die Nicht-Verwerfung des Menschen, Nicht-Glaube an seine Verwerfung" (a.a.O., S. 182). Ankn�pfend an Anselm von Canterburys Werk "Cur Deus homo?" ("Warum wurde Gott Mensch?") charakterisiert Barth Gott als den Richter, der sich in seinem Sohn Jesus Christus stellvertretend f�r die Menschen selbst richten l�sst, so dass es f�r diese keine Verdammnis mehr gibt. Dieses stellvertretende S�hnopfer Jesu Christi dehnt Barth in seiner Wirkung von den Gl�ubigen auf die gesamte Menschheit aus, indem er betont: "Es g�be nur eine verlorene Welt und nur verlorene Menschen, wenn dieses wunderliche Gericht nicht Ereignis geworden w�re. Da es Ereignis wurde, bleibt uns nur �brig, zu erkennen und zu glauben, der ganzen Welt, allen Menschen, das zuzurufen: Nicht verloren!" (KD IV/1, S. 244).

Wenn die Erw�hlung und Verwerfung f�r alle schon vollzogen ist, dann geht es nur darum, dass der Mensch dies erkennt. Deshalb soll nach Barth die Gemeinde, welcher "die Heiligung ... schon de facto" (faktisch) widerfahren ist, der "ganzen Menschenwelt" deren schon "de iure" (rechtlich) geschehene Heiligung bekannt machen (a.a.O.). Insofern kennt Barth auch einen Auftrag zur Mission (s.u.). Der Mensch ist Erw�hlter aufgrund der Unm�glichkeit und Unwirklichkeit, der "Nichtigkeit" der satanischen Gottlosigkeit. Das B�se hat ja � in Christus betrachtet � "nur die Existenzm�glichkeit des Unm�glichen, nur die Existenzwirklichkeit des Unwirklichen ... nur die selbst�ndige Macht der Ohnmacht" (KD II/2, S. 185). Damit der Mensch aber auch als Erw�hlter leben kann, braucht er die kirchliche Bekanntmachung seiner Erw�hlung. Die Erw�hlung und das Heil beruhen hier auf Seiten des Menschen in einem rein noetischen (erkenntnism��igen), keinem ontischen (seinsm��igen) Akt. Der Mensch soll erkennen, dass alles f�r ihn getan ist. Was geschieht allerdings mit den Menschen, welche die "de iure" schon am Kreuz geschehene Heiligung erkennen, aber nicht f�r sich annehmen? Bleibt ihnen die � wenn auch schreckliche � M�glichkeit, zum Erw�hlungshandeln Gottes "nein" zu sagen? Betrachtet man Barths Gesamtkonzept, dann sieht man, dass ein solches letztes "Nein" eine innere Unm�glichkeit ist. Es widerspr�che der vor Grundlegung der Welt von Gott beschlossenen Erw�hlung. Selbst bei Judas Ischarioth, dem Verr�ter Jesu, bleibt es f�r Barth unsicher, ob er erw�hlt oder verworfen ist. Barths Aussagen hierzu sind von einer kaum zu �berbietenden Dialektik gepr�gt.

So schreibt er: Gott will,

"dass der Verworfene glaube und als Glaubender ein erw�hlter Verworfener werde. Er hat vor ihm keine selbst�ndige Existenz als Verworfener; er ist von ihm nicht dazu bestimmt, nur ein Verworfener zu sein, sondern vielmehr dazu, sich sagen zu lassen und selber sagen zu d�rfen, dass er ein erw�hlter Verworfener ist" (KD II/2, S. 563).

Kritik:

Wegen ihrer universalistischen Tendenz hat Barth Erw�hlungslehre � und ich denke zu Recht � viel Kritik erfahren. Ist Calvins Auffassung von der doppelten Pr�destination auf der einen Seite zu schroff und macht das Gnadenhandeln Gottes, der sich seiner Gesch�pfe erbarmt, zu klein (vgl. Ps 103,8; Mi 7,19; Lk 6,36; Jak 2,13; 5,11 u.a.), so nimmt Barth auf der anderen Seite den Zorn und das Gerichtshandeln Gottes nicht ernst genug. Nicht ohne Grund wurden ihm Tendenzen zur >Allvers�hnung vorgeworfen, die er zwar nicht explizit lehren wollte, auf die aber sein System in letzter Konsequenz hinausl�uft. Die Bestreitung der Allvers�hnung h�ngt damit zusammen, dass Barth immer wieder die Freiheit Gottes und seines Gnadenhandelns betonen m�chte. Ein "Gesetz der Allvers�hnung" st�nde hierzu im Widerspruch. Aber andererseits wird die �bermacht der Gnade so sehr von ihm hervorgehoben, dass Gott gar nicht mehr anders kann, als alle Menschen zu retten. Dies geht � trotz aller Dialektik � z.B. aus folgendem Zitat deutlich hervor:

"Die Kirche soll ... keine Apokatastasis (Wiederbringung aller Dinge, Allvers�hnung; L. G.), sie soll ... aber auch keine ohnm�chtige Gnade Jesu Christi und keine �berm�chtige Bosheit des Menschen ihr gegen�ber predigen, sondern ohne Abschw�chung des Gegensatzes, aber auch ohne dualistische Eigenm�chtigkeit die �bermacht der Gnade und die Ohnmacht der menschlichen Bosheit ihr gegen�ber" (KD II/2, S. 529).

Barths faktisch auf die Allvers�hnung hinauslaufende Vers�hnungslehre steht � wie die Allvers�hnungs-Vorstellungen allgemein � im Gegensatz zu zahlreichen biblischen Aussagen von einer Scheidung zwischen Geretteten und Verlorenen und einer ewigen Verdammnis (z.B. Mt 3,12; 7,13; 13,42; 18,8; 23,33; 25,41.46; Mk 9,47f.; 16,16; Offb 14,10; 20,11-15; 21,8). Sicherlich wird der Heilswille Gottes ("alle sollen gerettet werden"; 1. Tim 2,4) und sein Wesen als "Liebe" (1. Joh 4,16) immer wieder betont. Aber auf der anderen Seite malt die Heilige Schrift un�bersehbar das Schicksal derjenigen Menschen vor Augen, die sich gegen�ber dem Heilswillen Gottes verschlie�en. Sicherlich gilt die Feststellung:

"Gott war in Christus und hat die Welt vers�hnt mit sich selber."

Wenn aber alle automatisch � auch gegen ihren Willen � vers�hnt w�ren, m�sste der Apostel nicht unmittelbar darauf schreiben:

"So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch vers�hnen mit Gott!" (2. Kor 5,19f.).

Als abschlie�endes Votum zur � auch in pietistischen Kreisen verbreiteten und umstrittenen � Allvers�hnungslehre seien folgende S�tze von Heinrich Jochums, dem langj�hrigen Pr�ses der Evangelischen Gesellschaft in Deutschland, wiedergegeben:

"Gewiss lehnt er (Barth) die Wiederbringungslehre in den bekannten alten und neuen Auspr�gungen mit den allerdings oft recht eigent�mlichen spekulativen Sonderheiten ab. Aber die Eschatologie, auf die seine Theologie hinausl�uft, liegt auf derselben Linie wie die Wiederbringungslehre ... Die Lehre Barths in der Ablehnung einer ewigen Verwerfung und eines Ewig-Verlorengehens ist zudem im Grunde weit radikaler als die der eigentlichen Vertreter der Apokatastasis und f�hrt zu einer weit gef�hrlicheren Haltung als die auch in manchen pietistischen Kreisen verbreitete Allvers�hnungslehre, bei der, wenn auch irrt�mlich, wenigstens noch von Gerichten und besonderen Entscheidungen in '�onen` nach dieser Erdenzeit die Rede ist. Hier gibt es Karl Barth gegen�ber nur ein hartes Nein" (Die grosse Entt�uschung, 53.55).

5. Erw�hlungslehre und Missionsverst�ndnis

Wenn die Menschheit in das universale Erw�hlungshandeln Gottes hineingenommen ist und diesem unausweichlichen Ereignis nur noch die Erkenntnis des Erw�hltseins folgen soll, dann hat dies gravierende Auswirkungen auf das Verst�ndnis von "Mission". Mission im Sinne Barths bedeutet, dass die Tatsache des Erw�hltseins denen mitgeteilt wird, die das noch nicht wissen. Es ist eine Verk�ndigung der Wissenden an die noch nicht Wissenden, aber bereits Erw�hlten. Ein bestimmter Sachverhalt, eine bereits gefallene Entscheidung wird denjenigen anvertraut, die �ber das ihnen widerfahrene Gl�ck noch ahnungslos sind. Barth f�hrt aus, dass kein Nicht-Christ � u

nd zwar "kein einziger unter ihnen, und wenn er sich als der erbittertste und verstockteste Gottlose g�be und geb�rdete"

� zur "Geistlosigkeit" verurteilt ist.

Vielmehr kann

"keine Abwendung, keine Revolte und Resistenz und Ungeb�hr des Nicht-Christen etwas �ndern, dass auch er in der von Gott gut, n�mlich als �u�erer Grund des Bundes und so auch zu seinem Heil geschaffenen � mehr noch: in der in Erf�llung dieses Bundes, in Vollstreckung der Erw�hlung, in der auch er erw�hlt ist, in Jesus Christus vers�hnten Welt, dass auch er als ein mit Gott Vers�hnter existiert".

Der Geist "ist auch ihm verhei�en. Er ist nicht einfach nicht sein Empf�nger, Tr�ger und Besitzer: er ist es noch nicht, indem er Jesus Christus noch nicht erkennt" (KD IV/3, S. 410). Also gilt es, das Erw�hlungshandeln Gottes in der Welt bekannt zu machen. Was aber geschieht mit denjenigen, welche die Heilsbotschaft nicht erreicht oder die sich ihr gegen�ber verschlie�en? Sie existieren nach Barths Lehre dennoch als mit Gott Vers�hnte. Eine ewige Verdammnis gibt es folglich f�r sie nicht.

Kritik:

Damit hat Barth der Mission im biblischen Sinn, der es um die Errettung solcher Menschen geht, die ohne die Heilsbotschaft von Jesus Christus verloren gehen, die Spitze abgebrochen. Die biblische Lehre fasse ich folgenderma�en zusammen: Auf Golgatha wurde das Heil f�r die ganze Welt erworben und grundgelegt. Aber wirksam wird das Heil nur f�r diejenigen, die es auch f�r sich im Glauben in Anspruch nehmen. Alle anderen gehen ewig verloren. Eine blo�e Erkenntnis des Heils reicht daher nicht aus. Zum Erkennen muss die bewusste Glaubensentscheidung hinzutreten � nicht als menschliches Werk, sondern erm�glicht durch den souver�nen Geist Gottes, dessen Handeln wir als Menschen nicht weiter hinterfragen k�nnen. Hier bewegen sich Luther ("Vom unfreien Willen") und auch Calvin � trotz mancher Anfragen auch an sie � viel eher in den Bahnen der Heiligen Schrift als Karl Barth mit seiner � im Grunde dem neuzeitlich-humanistischen Denken entsprechenden � Verharmlosung des g�ttlichen Verwerfungs- und Gerichtshandelns.

Treffend betont Waldron Scott in seiner Abhandlung �ber "Die Missionstheologie Karl Barths" (1977, 44):

"Das, was Professor Donald Bloesch den 'Barthschen Irrtum` nennt, ist die Aussage, dass die Welt bereits erl�st sei. Erl�sung wird als etwas dargestellt, was in der Vergangenheit f�r jeden Menschen geschehen ist. Nicht nur die M�glichkeit, sondern die tats�chliche Wirklichkeit der Erl�sung wurde auf Golgatha erworben. Dies ist jedoch eine allzu objektive und allzu pauschale Betrachtungsweise. Die der Bibel eher entsprechende Sicht ist die: W�hrend Christus zwar durch seinen S�hnetod wirklich alles getan hat, was f�r die Erl�sung n�tig ist, so bleibt es doch die Aufgabe des Menschen, sich im Glauben und von Gottes Geist bewegt, darauf einzulassen. Folglich ist mehr als die blo�e Bekanntmachung n�tig. Ein Missionar oder Evangelist muss zu �berzeugen versuchen."

Lit.: K. Barth, Kirchliche Dogmatik, 1937-1967. � Kritisch: L. Gassmann, Karl Barth, 1994; ders., Kampf um die Wahrheit, 1999.

Lothar Gassmann


Index

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6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
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