Der Begriff Libertinismus (lat. libertinus = "der Freigelassene") (Libertinismus) wird in mehrfacher Weise benutzt.
1. Allgemein bezeichnet er ein Abweichen von anerkannter Norm, Lehre, Moral. Der Begriff wird im Regelfall abwertend gebraucht.
2. Oft wird er im historischen Sinne benutzt.
- In Apostelgeschichte 6,9 werden Mitglieder einer Synagoge "Libertiner" genannt, die zur Verfolgung des Stephanus aufforderten.
- Am ausgehenden Mittelalter werden Genfer Patrioten, die f�r die politische Unabh�ngigkeit der Stadt eingetreten waren, als solche betrachtet. Hatten sie zun�chst Calvin unterst�tzt, so standen sie sp�ter gegen ihn, da sie (als "Perrinisten") dessen strenge Kirchenzucht und den Zustrom von Franzosen nach Genf ablehnten.
- Ebenfalls am ausgehenden Mittelalter wird eine "Spiritualisten"-Bewegung ("Loisten") in Antwerpen vor denen Luther 1525 in einem Brief gewarnt hat, mit dem Begriff Libertinismus bezeichnet.
- Schlie�lich wird eine nur etwa zwei Jahrzehnte sp�ter auftretende Gruppe, die m�glicherweise mit den "Loisten" von Antwerpen in Zusammenhang stand, als Libertinismus bezeichnet. Diese 1545 u. a. von Calvin bek�mpften Anh�nger der Niederl�nder Coppin bzw. Quintin ("Quintinisten"), die in Frankreich auftraten, waren quietistische, pantheistische Mystik er. Quintin wurde 1546 wegen Unsittlichkeit und H�resie in Tournay hingerichtet.
3. Wird der Begriff Libertinismus gegenw�rtig nicht im historischen Sinn gebraucht, so bedeutet er abwertend moralische Freiz�gigkeit.
4. Dar�ber hinaus bezeichnet Libertinismus eine ungebundene, ja z�gellose Lebensweise, die dem Neuen Testament g�nzlich widerspricht und sich deshalb zu Unrecht auf die evangelische Freiheit beruft. Es ergeben sich also Ber�hrungspunkte mit dem Antinomismus. Die Heilsbotschaft des Neuen Testaments wird missverstanden als Freiheit von jeglicher Ethik und damit faktisch zum Beharren in der S�nde (gegen R�m 6,1f.). � Das steht freilich gegen Jesus (Mt 5,17), Paulus und die gesamte Tendenz des Neuen Testaments, die die bleibende Bedeutung des Gesetzes in dreifacher Weise festhielten, wie dies durch die Reformation wieder ins Bewusstsein gerufen wurde: als Riegel (usus politicus), Spiegel (usus elenchticus seu theologicus), Regel (tertius usus). Vom Neuen Testament her ist eine positive Aufnahme des Begriffes Libertinismus nicht m�glich. Auch in seiner historischen Verwendung bezeichnet er durchweg negative Erscheinungen.
5. Libertinismus stellt das Gegenteil des Perfektionismus dar. In der Praxis ist der Libertinismus mit "Z�gellosigkeit" zu �bersetzen. Alles sei erlaubt. Dietrich Bonhoeffer spricht von einer "billigen Gnade", welche der Libertinismus vertrete. Ein Christ k�nne leben wie er wolle, so wird behauptet, er habe ja die Gnade.
"Tue was Du willst, das sei dein ganzes Gesetz",
war aber auch das Motto des >Satanisten Aleister Crowley. Der Libertinismus stellt die Aufl�sung aller Werte und g�ttlichen Gebote in der Gegenwart dar.
Kritik: Jesus Christus spricht:
"Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten" (Joh 14,15).
Als Frucht des Glaubens ist dies m�glich. Paulus ist auch kein Gegner des Gesetzes an sich, sondern er wandte sich nur dagegen, dass das Gesetz als Heilsweg verstanden werde. In R�m. 13,8-10 beschreibt er, wie der Glaube durch den Gehorsam Auswirkungen hat:
"Seid niemand etwas schuldig, au�er, dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den anderen liebt, der hat das Gesetz erf�llt ... Die Liebe tut dem N�chsten nichts B�ses. So ist nun die Liebe die Erf�llung des Gesetzes."
Es gibt also keine g�ttliche Liebe ohne die Gebote Gottes. Dies w�re eine willk�rliche Interpretation und letztendlich Verf�hrung. Der Libertinismus wird im >antichristlichen Reich enden.
S. auch: >Ethik; Gemeinde; Liebe; >Gnade; Autonomie; Anarchismus; Antichrist.
Lit.: Art. Libertiner 1. � 3. RE (Realenzyklop�die f�r protestantische Theologie), hg. v. A. Hauck, Bd. 11, 456-461, 1902.
Walter Rominger (1-4) / Lothar Gassmann (5)
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