Mit Skeptizismus (von griech. skeptomai = "beobachten, untersuchen, prüfen, Ausschau halten") wird eine (philosophische) Richtung bezeichnet, die den Zweifel zum Denk-Prinzip erhebt, allerdings in der Möglichkeit der Erkenntnis der Wahrheit unterschiedliche Grade zulässt, von einer Unmöglichkeit bis zu einer teilweisen. Die Skepsis richtet sich vor allem gegen (zur jeweiligen Zeit) allgemein Anerkanntes, gegen das, was als wahr gilt. Skeptizismus ist das immer wieder modifizierte Prinzip des bezweifelnden Denkens. Anlass zum Skeptizismus ist nicht allein empirisch feststellbar Falsches, sondern genauso, dass rational, metaphysisch Plausibles zueinander in sich ausschließendem Gegensatz stehen kann.
Um der Erscheinung des Skeptizismus gerecht zu werden, sind unterschiedliche Formen zu unterscheiden.
Dieser kann u. U. eine völlige ethische Beliebigkeit und damit eine Auflösung der Ethik vertreten. Eine Negierung ethischer Forderungen ist ethischem Skeptizismus inhärent. b. Erkenntnistheoretischer Skeptizismus:
Bei ihm ist zu unterscheiden in einen universalen und einen partiellen. Universaler Skeptizismus stellt die Erkennbarkeit der Wahrheit prinzipiell in Frage. Partieller Skeptizismus bestreitet nur bestimmte Methoden und Wege zur Wahrheitserkenntnis. Bei beiden Formen ist es angebracht, zwischen einer relativen und / oder einer absoluten Form zu unterscheiden. Während relativer Skeptizismus lediglich eine Wahrheitserkenntnis z. Zt. verneint, vertritt absoluter Skeptizismus eine für alle Zeiten und für jedermann. Unerkennbarkeit der Wahrheit postuliert allerdings Allwissenheit, worauf schon Hegel (1770-1831) hingewiesen hat, der erkannte, dass der Skeptizismus eine negative Form von Allwissenheit sein kann, indem er alles Wissen bestreitet. Zu erwähnen ist auch "methodischer" Skeptizismus, der die Grundvoraussetzungen für kritisches Denken liefern will. Der "methodische Skeptizismus" wird auf Descartes (1596-1650) zurückgeführt. Um den verschiedenen Typen des Skeptizismus gerecht zu werden, ist Unterscheidung nötig.
Der Skeptizismus hat seinen historischen Ursprung in der dritten nacharistotelischen Schule des Pyrrhos von Elis (ca. 360-270). Pyrrhoismus und Skeptizismus sind gleichbedeutend. Die Einstellung zum Skeptizismus war im Christentum nicht durchgehend dieselbe. Hat Augustinus (354-430) die Einstellung zum Skeptizismus mit seiner ablehnenden Haltung wesentlich beeinflusst, indem er im Skeptizismus den natürlichen Gegner der Gewissheit des Glaubens gesehen hat, so haben fast tausend Jahre später Duns Scotus (1266-1308) und Wilhelm von Ockham (um 1300-1349/50) den Skeptizismus wesentlich positiver beurteilt, da sie im Zweifel eine Möglichkeit erblickten, durch seine Überwindung den Glauben zu festigen.
Auf die Skepsis des Pyrrhos und seiner Anhänger haben sich Skeptiker (z. B. Montaigne, 1533-1592) und Antidogmatiker (z. B. Bayle, 1647-1706) berufen und damit Einfluss auf die Entwicklung der Moderne genommen. Kant (1724-1804) hatte die Absicht, einerseits sowohl Wissenschaft als auch Moral auf ein sicheres Fundament zu stellen, andererseits aber auch die dogmatismus- und ideologiekritische Haltung des Skeptizismus zu bewahren. Deshalb entwickelte er einen Weg zwischen Skeptizismus und Dogmatismus, die "skeptische Methode". Kant zufolge ist sie "nur der Transzendentalphilosophie allein wesentlich eigen" (Kritik der reinen Vernunft B 452). Mit seiner "skeptischen Methode", die allein schon begrifflich eine Umkehr des "methodischen Skeptizismus" Descartes bedeutet, machte Kant seine Unterscheidung zu Descartes deutlich. Hegel (1770-1831) hat in seiner "Phänomenologie des Geistes" (Kap. B IV B) den Skeptizismus zu überwinden versucht, indem er den Skeptizismus als negative Form von Allwissenheit betrachtete, der selbst alles weiß und von daher alles Wissen bestreitet. Hegel will auf dialektischem Wege durch doppelte Negation zur Position absoluten Wissens gelangen und dadurch den Skeptizismus auflösen. Ein modifizierter methodischer Zweifel ist im 20. Jahrhundert durch den Einfluss von Kants "skeptischer Methode" unbestreitbar für die Wissenschaftsphilosophie geworden. Einflussreich wurde der >Positivismus.
Wie der Skeptizismus in der Kirche unterschiedlich beurteilt wurde und bis heute wird, zeigt sich bereits an der unterschiedlichen Beurteilung durch Augustinus auf der einen Seite und Duns Scotus und Wilhelm von Ockham auf der anderen. Eine differenzierte Beurteilung ist in der Tat nötig, da nur so gerade auch aus christlicher Sicht eine dem Skeptizismus gerecht werdende Bewertung möglich erscheint. Im Unterschied zur absoluten Skepsis, die auch aus logischen und philosophischen Überlegungen inakzeptabel erscheint, erscheint die Auseinandersetzung mit einer relativen, partiellen, gemäßigten Skepsis zwingend. Sie kann nicht von vorneweg abgelehnt werden, da sie ja Wahrheitserkenntnis an sich nicht bestreitet, sondern bewusst offen lässt. Ein Skeptizismus, der sich gegen alle kritischen Rückfragen immunisiert, ist abzulehnen. Zuweilen mag der Skeptizismus auch Negativ-Entwicklungen und -Trends (z. B. in der Ethik) hinterfragen und kann dann, wenn er nicht an deren Stelle ebenso Verwerfliches setzt, positiv wirken. Das wird allerdings die Ausnahme sein. Meist wird er verstärkend wirken, da "Böses fortwährend Böses muss gebären" (Schiller). Nicht übersehen werden darf, dass sich, wenn auch von ganz unterschiedlicher Voraussetzung herkommend, biblische Anthropologie und Skeptizismus im Wissen um die Begrenztheit des Menschen und seiner Erkenntnis treffen. Freilich, die Einsicht aufgrund biblischer Offenbarung ist ungleich tiefer: der Mensch ist "Fleisch" und deshalb fehlerhaft; er ist Sünder. Solche Einsicht hat Skeptizismus in keiner seiner Ausformungen. Offenbarungsqualität eignet ihm nicht. Deshalb darf der genannte Berührungspunkt nicht über die grundlegende Differenz hinwegtäuschen, dass letztlich biblischer Glaube und Skeptizismus unvereinbar sind. Der natürliche Mensch steht Gott skeptisch, ja ablehnend gegenüber. Erst durch den Ruf des Wortes Gottes wird er aus seinem Skeptizismus befreit, löst sich seine Selbstbezogenheit und in-se-incurvatum-ipsum-Haltung (Selbstverkrümmtheit) auf. So wird der bezüglich der Erkenntnis Gottes, der Welt und seiner selbst jedem Menschen anhaftende absolute Skeptizismus überwunden und lässt er sich auf Gott und sein Evangelium ein. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei der wissenschaftlichen Arbeit an biblischen Texten nicht die Anwendung historischer und philologischer Methoden an sich verwerflich ist, sondern der Skeptizismus, mit dem diesen Texten begegnet wird (Bibelkritik).
S. auch: >Offenbarung; Glaube und Vernunft; Bibel; >Wahrheit; Wunder; Auferstehung.
Lit.: H. Bürki, Zwischen Glaube und Skepsis, 1967; H. Hempelmann, Kritischer Rationalismus und Theologie als Wissenschaft, 1987; K. Löwith, Wissen – Glaube – Skepsis, Göttingen 1958
Walter Rominger
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de