Skeptizismus

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1. Definition:

Mit Skeptizismus (von griech. skeptomai = "beobachten, untersuchen, pr�fen, Ausschau halten") wird eine (philosophische) Richtung bezeichnet, die den Zweifel zum Denk-Prinzip erhebt, allerdings in der M�glichkeit der Erkenntnis der Wahrheit unterschiedliche Grade zul�sst, von einer Unm�glichkeit bis zu einer teilweisen. Die Skepsis richtet sich vor allem gegen (zur jeweiligen Zeit) allgemein Anerkanntes, gegen das, was als wahr gilt. Skeptizismus ist das immer wieder modifizierte Prinzip des bezweifelnden Denkens. Anlass zum Skeptizismus ist nicht allein empirisch feststellbar Falsches, sondern genauso, dass rational, metaphysisch Plausibles zueinander in sich ausschlie�endem Gegensatz stehen kann.

2. Unterschiedliche Formen des Skeptizismus

Um der Erscheinung des Skeptizismus gerecht zu werden, sind unterschiedliche Formen zu unterscheiden.

a. Ethischer Skeptizismus:

Dieser kann u. U. eine v�llige ethische Beliebigkeit und damit eine Aufl�sung der Ethik vertreten. Eine Negierung ethischer Forderungen ist ethischem Skeptizismus inh�rent. b. Erkenntnistheoretischer Skeptizismus:

Bei ihm ist zu unterscheiden in einen universalen und einen partiellen. Universaler Skeptizismus stellt die Erkennbarkeit der Wahrheit prinzipiell in Frage. Partieller Skeptizismus bestreitet nur bestimmte Methoden und Wege zur Wahrheitserkenntnis. Bei beiden Formen ist es angebracht, zwischen einer relativen und / oder einer absoluten Form zu unterscheiden. W�hrend relativer Skeptizismus lediglich eine Wahrheitserkenntnis z. Zt. verneint, vertritt absoluter Skeptizismus eine f�r alle Zeiten und f�r jedermann. Unerkennbarkeit der Wahrheit postuliert allerdings Allwissenheit, worauf schon Hegel (1770-1831) hingewiesen hat, der erkannte, dass der Skeptizismus eine negative Form von Allwissenheit sein kann, indem er alles Wissen bestreitet. Zu erw�hnen ist auch "methodischer" Skeptizismus, der die Grundvoraussetzungen f�r kritisches Denken liefern will. Der "methodische Skeptizismus" wird auf Descartes (1596-1650) zur�ckgef�hrt. Um den verschiedenen Typen des Skeptizismus gerecht zu werden, ist Unterscheidung n�tig.

3. Skeptizismus in seiner Geschichte

a. Fr�he Zeit:

Der Skeptizismus hat seinen historischen Ursprung in der dritten nacharistotelischen Schule des Pyrrhos von Elis (ca. 360-270). Pyrrhoismus und Skeptizismus sind gleichbedeutend. Die Einstellung zum Skeptizismus war im Christentum nicht durchgehend dieselbe. Hat Augustinus (354-430) die Einstellung zum Skeptizismus mit seiner ablehnenden Haltung wesentlich beeinflusst, indem er im Skeptizismus den nat�rlichen Gegner der Gewissheit des Glaubens gesehen hat, so haben fast tausend Jahre sp�ter Duns Scotus (1266-1308) und Wilhelm von Ockham (um 1300-1349/50) den Skeptizismus wesentlich positiver beurteilt, da sie im Zweifel eine M�glichkeit erblickten, durch seine �berwindung den Glauben zu festigen.

b. Neuzeit (bis 20. Jhd.):

Auf die Skepsis des Pyrrhos und seiner Anh�nger haben sich Skeptiker (z. B. Montaigne, 1533-1592) und Antidogmatiker (z. B. Bayle, 1647-1706) berufen und damit Einfluss auf die Entwicklung der Moderne genommen. Kant (1724-1804) hatte die Absicht, einerseits sowohl Wissenschaft als auch Moral auf ein sicheres Fundament zu stellen, andererseits aber auch die dogmatismus- und ideologiekritische Haltung des Skeptizismus zu bewahren. Deshalb entwickelte er einen Weg zwischen Skeptizismus und Dogmatismus, die "skeptische Methode". Kant zufolge ist sie "nur der Transzendentalphilosophie allein wesentlich eigen" (Kritik der reinen Vernunft B 452). Mit seiner "skeptischen Methode", die allein schon begrifflich eine Umkehr des "methodischen Skeptizismus" Descartes bedeutet, machte Kant seine Unterscheidung zu Descartes deutlich. Hegel (1770-1831) hat in seiner "Ph�nomenologie des Geistes" (Kap. B IV B) den Skeptizismus zu �berwinden versucht, indem er den Skeptizismus als negative Form von Allwissenheit betrachtete, der selbst alles wei� und von daher alles Wissen bestreitet. Hegel will auf dialektischem Wege durch doppelte Negation zur Position absoluten Wissens gelangen und dadurch den Skeptizismus aufl�sen. Ein modifizierter methodischer Zweifel ist im 20. Jahrhundert durch den Einfluss von Kants "skeptischer Methode" unbestreitbar f�r die Wissenschaftsphilosophie geworden. Einflussreich wurde der >Positivismus.

4. Skeptizismus und christlicher Glaube

Wie der Skeptizismus in der Kirche unterschiedlich beurteilt wurde und bis heute wird, zeigt sich bereits an der unterschiedlichen Beurteilung durch Augustinus auf der einen Seite und Duns Scotus und Wilhelm von Ockham auf der anderen. Eine differenzierte Beurteilung ist in der Tat n�tig, da nur so gerade auch aus christlicher Sicht eine dem Skeptizismus gerecht werdende Bewertung m�glich erscheint. Im Unterschied zur absoluten Skepsis, die auch aus logischen und philosophischen �berlegungen inakzeptabel erscheint, erscheint die Auseinandersetzung mit einer relativen, partiellen, gem��igten Skepsis zwingend. Sie kann nicht von vorneweg abgelehnt werden, da sie ja Wahrheitserkenntnis an sich nicht bestreitet, sondern bewusst offen l�sst. Ein Skeptizismus, der sich gegen alle kritischen R�ckfragen immunisiert, ist abzulehnen. Zuweilen mag der Skeptizismus auch Negativ-Entwicklungen und -Trends (z. B. in der Ethik) hinterfragen und kann dann, wenn er nicht an deren Stelle ebenso Verwerfliches setzt, positiv wirken. Das wird allerdings die Ausnahme sein. Meist wird er verst�rkend wirken, da "B�ses fortw�hrend B�ses muss geb�ren" (Schiller). Nicht �bersehen werden darf, dass sich, wenn auch von ganz unterschiedlicher Voraussetzung herkommend, biblische Anthropologie und Skeptizismus im Wissen um die Begrenztheit des Menschen und seiner Erkenntnis treffen. Freilich, die Einsicht aufgrund biblischer Offenbarung ist ungleich tiefer: der Mensch ist "Fleisch" und deshalb fehlerhaft; er ist S�nder. Solche Einsicht hat Skeptizismus in keiner seiner Ausformungen. Offenbarungsqualit�t eignet ihm nicht. Deshalb darf der genannte Ber�hrungspunkt nicht �ber die grundlegende Differenz hinwegt�uschen, dass letztlich biblischer Glaube und Skeptizismus unvereinbar sind. Der nat�rliche Mensch steht Gott skeptisch, ja ablehnend gegen�ber. Erst durch den Ruf des Wortes Gottes wird er aus seinem Skeptizismus befreit, l�st sich seine Selbstbezogenheit und in-se-incurvatum-ipsum-Haltung (Selbstverkr�mmtheit) auf. So wird der bez�glich der Erkenntnis Gottes, der Welt und seiner selbst jedem Menschen anhaftende absolute Skeptizismus �berwunden und l�sst er sich auf Gott und sein Evangelium ein. Schlie�lich ist darauf hinzuweisen, dass bei der wissenschaftlichen Arbeit an biblischen Texten nicht die Anwendung historischer und philologischer Methoden an sich verwerflich ist, sondern der Skeptizismus, mit dem diesen Texten begegnet wird (Bibelkritik).

S. auch: >Offenbarung; Glaube und Vernunft; Bibel; >Wahrheit; Wunder; Auferstehung.

Lit.: H. B�rki, Zwischen Glaube und Skepsis, 1967; H. Hempelmann, Kritischer Rationalismus und Theologie als Wissenschaft, 1987; K. L�with, Wissen � Glaube � Skepsis, G�ttingen 1958

Walter Rominger


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de