Nat�rliche Theologie

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1. Nat�rliche Theologie � was bedeutet das? � Der Begriff

Nat�rliche Theologie (n. Th.) (lat. theologia naturalis) ist der alte, stets wiederkehrende Versuch, die Frage zu beantworten, was wei� der Mensch vor bzw. au�erhalb der Offenbarung Gottes von Gott. Damit verbunden ist die Frage des Verh�ltnisses von christlichem Glauben und nichtchristlichen Religionen. N. Th. baut bez�glich der Gotteserkenntnis auf der nat�rlichen Vernunft auf und steht damit im Gegensatz zur Offenbarungstheologie. N. Th., wie sie sich besonders seit dem Rationalismus (3. Phase der deutschen Aufkl�rung, Anfang 19. Jhd.) zeigt, ordnet die Vernunft der >Offenbarung �ber. Seit der Aufkl�rung wird n. Th. als dem nat�rlichen Verm�gen m�glich gehalten. Damit wird n. Th. zu einem st�ndig virulenten Thema in Theologie und Kirche und kann nicht als gewisserma�en eigenst�ndig betrachtet werden. Sie l�sst sich charakterisieren mit dem Postulat, der Mensch sei durch seine Vernunft zu einer gewissen Gotteserkenntnis f�hig, wobei die Ansichten dar�ber, wie weit diese reicht, auseinander gehen. Die Gotteserkenntnis wird bei n. Th., gleichg�ltig wie viel ihr zugetraut wird, aus einer besonderen Offenbarung herausgenommen. Beruft sich n. Th. auf das Neue Testament, wird auf Joh. 1,9; Apg. 14,17; 17,27f.; R�m. 1,19f.; 2,14f. verwiesen, wonach es ein "nat�rliches" Wissen von Gott gebe.

2. Nat�rliche Theologie � ein altes, aber immer wiederkehrendes Ph�nomen. � Ihre Geschichte

Begriff und Sache n.r Th. gehen bereits in vorchristliche Zeit zur�ck, in die mittlere Stoa, welche die dreifache Einteilung traf in mystische, nat�rliche und politische ("zivile") Theologie. Diese Einteilung l�sst sich �ber Augustinus (354-430) und Thomas von Aquin (1225-1274) bis in die Anf�nge der Aufkl�rung (Hugo Grotius) verfolgen. Altkirchliche Theologen, die vom >Platonismus abh�ngig waren, gingen von der Teilhabe an ewigen Ideen (Gottes) aus, welche der Seele bei denkender Ann�herung oder mystischer Versenkung mit dem ewigen Licht zuteil werde (Mystik). Dagegen hielt der vom >Aristotelismus beeinflusste >Thomas von Aquin eine Teilhabe an den ewigen Ideen sowie eine zumindest teilweise Kenntnis des ewigen Gesetzes f�r angeboren. Spanische Sp�tscholastiker (Suarca, Vasques) schufen aufgrund der Annahme einer "nat�rlichen Teilhabe an ewigen Gesetzen in der rationalen Kreatur" ein System nat�rlicher Gotteserkenntnis und nat�rlichen Rechts. Dieses entfernte die Aufkl�rungsphilosophie (z. B. Grotius, Pufendorf) aus seinem theologischen Zusammenhang. Fortsetzung dieses Weges bedeutete, dass Offenbarung �berfl�ssig wurde (z. B. >Rousseau), so dass die Aufkl�rung n. Th. zugunsten von Offenbarung vertrat. Aufkl�rungstheologie rechnet mit zwei verschiedenen Erkenntnisquellen. Die Unterscheidung einer zweifachen Offenbarung, einer nat�rlichen und einer �bernat�rlichen, hatte es schon vordem gegeben. I. >Kant (1724-1804) zufolge vermag die Vernunftreligion lediglich ethische Feststellungen zu treffen. Diese Ersch�tterung wurde sp�ter durch die (Natur)Wissenschaften fortgesetzt, da diese das nat�rlich Erkennbare auf das Wahrnehmbare beschr�nkten. W�hrend all diese Ablehnungen der n. Th. nicht aus der Theologie selbst kamen und deshalb auch nicht theologische Kriterien den Ausschlag gaben, erfolgte die Ablehnung n. Th. durch die "Dialektische Theologie " (Karl Barth), die als Neoorthodoxie gilt, mitten aus der Theologie heraus.

Die Problematik n. Th. stellte sich auch in der neueren r�misch-katholischen Theologie und zwar in der Zuordnung von Natur und Gnade. Diese werden zwar nicht auf derselben Stufe gesehen, aber keineswegs als Gegens�tze, sondern positiv aufeinander bezogen. Die Natur ist der Gnade vorlaufend; die Gnade setzt die Natur voraus und bleibt auf die ergehende Offenbarung bezogen. Der Glaube nimmt die nat�rliche Vernunft in Dienst. Das 1. Vatikanische Konzil hat denn auch die M�glichkeit einer Erkenntnis Gottes aufgrund der Vernunft, aber nicht, dass dies tats�chlich geschieht, festgehalten. Damit ist die Funktion der n.n Th. Bestimmt als die "von Natur her" bestehende Ausrichtung des Menschen auf die Offenbarung. Haben sich auch Funktionen und der jeweilige Stellenwert der n.n. Th. in ihrer langen Geschichte immer wieder gewandelt und sich damit als variabel erwiesen, so blieb das Anliegen der n.n Th., gleichg�ltig wie diese beurteilt wird, bestehen, weil es ein st�ndiges Fragen zum Ausdruck bringt, das Verh�ltnis von sinnlich-rationalem Erkennen und Glauben. Die Besch�ftigung mit dieser Spannung ist des Nachdenkens wert.

3. Nat�rliche Theologie im Widerstreit mit Offenbarungstheologie

Wegen n.r Th. ist im 20. Jhd. ein langandauernder Streit entstanden. N. Th. stand durchaus in hohem Ansehen, erfuhr dann innerhalb der evangelischen Theologie eine schroffe Ablehnung (z. B. durch K. Barth, K. Heim; anders z. B. A. Schlatter, P. Althaus [Uroffenbarung]). Selbst die M�glichkeit der "Ank�pfung" (E. Brunner) wurde bestritten (K. Barth). Einer n.n Th. wurde die Offenbarungstheologie (lat. theologia revelata) entgegengesetzt. Offenbarungstheologie geht davon aus, Gott habe sich dem Menschen geoffenbart in seinem Wort. Von sich aus kann der Mensch nichts �ber Gott wissen und aussagen und nicht zu Gott gelangen. Zwar setze R�mer 1,18ff. urspr�nglich die M�glichkeit der Erkenntnis des Sch�pfers durch das menschliche Gesch�pf anhand der Werke des Sch�pfers voraus, doch sei das "unverst�ndige Herz" des Menschen seit dem S�ndenfall "verfinstert" (R�m. 1,21) und dieser "dahingegeben" (R�m 1,24.26.28). Demnach bestehe f�r den nat�rlichen Menschen keine Erkenntnis mehr aus der Sch�pfung. Diese M�glichkeit ergebe sich erst wieder durch den Glauben.

Reformatorischer Lehre zufolge ist die Gnade ausschlie�lich an das Evangelium gebunden und kommt der Glaube an Gott aus der Predigt des Wortes Gottes (R�m. 10,17). Die Gnade auch in der nat�rlichen Befindlichkeit des Menschen und seiner Verantwortung zu verorten, wie dies die Gefahr n.r Th. ist, und sei es auch nur, dass darin ein "Ankn�pfungspunkt" (E. Brunner) f�r das Evangelium gesehen wird, wurde als Verleugnung des "solus Christus" angesehen und n. Th. k�nnte als die Postulation eines zweiten Heilsweges erscheinen. Die Barmer Theologische Erkl�rung, welche das "erste Dokument einer bekenntnism��igen Auseinandersetzung ... mit dem Problem der n.n Th." (K. Barth) ist, lehrt in ihrer ersten These, wahre Gotteserkenntnis gebe es nur durch Christus. ("Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu h�ren, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als k�nne und m�sse die Kirche als Quelle ihrer Verk�ndigung au�er und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse und M�chte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen." Barmen 1)

In neuerer Zeit, in der der Einfluss der Dialektischen Theologie geschwunden ist, kommt in der Ethik die n. Th. wieder zum Zuge: Aufgrund ihres universalen Wahrheitsanspruchs ist sie vor allem im angels�chsischen Bereich wieder anziehend geworden. Auch hat sie in die amerikanische >Prozesstheologie durch den Gedanken der "sch�pferischen Umwandlung" (J. B. Cobb) Eingang gefunden.

4. Bewertung und Versuch, aus der Aporie "nat�rliche Theologie oder Offenbarungstheologie" herauszufinden

Ob n. Th. jemals zur richtigen Gotteserkenntnis gef�hrt hat, l�sst r�misch-katholische Lehre offen. Ihre Aufgabe ist, auf die Offenbarung vorzubereiten. Auch die Vorstellung einer "Uroffenbarung" (P. Althaus), die in den Bereich n.r Th. geh�rt, besagt gerade nicht, dass Gott dadurch zum Heil erkannt wird; schlie�lich steht ihr die "Heilsoffenbarung" entgegen. Zweifache Erkenntnisweise Gottes, einerseits aufgrund n.r Th. und andererseits aufgrund von Offenbarung, scheidet aus. Das liefe auf zwei m�gliche Heilswege hinaus und negierte das "solus Christus". Aufgrund biblisch-reformatorischer Position ist solch eine Vorstellung abzuweisen. Christliche Theologie gr�ndet n�mlich auf >Offenbarung. Sie ist auf die Selbstmitteilung Gottes in seinem Wort unabdingbar angewiesen. Dieses Wort wirkt den Glauben. Der Mensch als S�nder hat nicht die qualitativen Voraussetzungen in sich, um zum Glauben zu finden. Dies ist ein Werk au�erhalb seiner. Kritik an n.r Th. erledigt nicht schon die Fragestellungen einer "Theologie der Natur". Die "Dialektische Theologie" (K. Barth) schoss �ber das Ziel hinaus, indem sie, da sie jegliche n. Th. verwarf, auch jede nat�rliche Ethik verneinte, wobei die Empirie dem widerspricht und auch die biblische und reformatorische Sichtweise eine solche festh�lt. Zum menschlichen Miteinander mag diese gen�gen. Wenn man so will, mag man sie dem 1. Glaubensartikel zurechnen. Zum Heil tr�gt sie nichts bei. Den allein rettenden Glauben an den dreieinigen Gott wirkt sie nicht. Dazu bedarf es der besonderen Offenbarung (nicht theologia naturalis, sondern theologia revelata). Der Glaube, der zum Heil f�hrt, "kommt ... aus der Predigt, das predigen aber durch das Wort Christi" (R�m. 10,17). Dieser Glaube kommt allein durch die Offenbarung in Christus. Keine Religion (der christliche Glaube hat es mit >Offenbarung, nicht einfach mit >Religion zu tun) vermag das Heil zu schenken. Von daher darf der Begriff Religion nicht positiv gef�llt werden. N. Th. bringt durchaus theologisch Relevantes zur Sprache, ist aber mehrdeutig und interpretationsfreudig, wie dies auch die Entwicklung belegt (allgemeinreligi�se, v�lkische, >pantheistische oder zumindest >panentheistische Vorstellungen k�nnen sich damit verbinden und zu einer zweiten Offenbarungsquelle werden lassen), so dass der Begriff nicht sorglos verwendet werden kann und am besten auf ihn verzichtet wird, bedenkt man, welche falschen Vorstellungen schon mit ihm verbunden wurden. Geeigneter und weniger missbr�uchlich erscheinen Begriffe wie "Sch�pfungstheologie" oder "Theologie der Natur".

S. auch: >Offenbarung; Glaube und Vernunft; Dialektische Theologie; u.a.

Lit.: K. Barth, Kirchliche Dogmatik II/1, IV/3; K. Rahner, Die anonymen Christen, in: ders., Schriften zur Theologie VI, 1965, 545-554; W. Pannenberg, Einsicht und Glaube, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie, 1967, 223-236; C. Gestrich, Die unbew�ltigte nat�rliche Theologie, in: Zeitschrift f�r Theologie und Kirche (ZThK) 68, 1971, 82-120; E. J�ngel, Das Dilemma der nat�rlichen Theologie und die Wahrheit ihres Problems, in: ders. Entsprechungen. Gott � Wahrheit � Mensch, 1980, 158-177.

Walter Rominger


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1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
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