Die Baghavad-Gita (kurz: Gita), die zentrale heilige Schrift der Hindus, lehrt, dass der Mensch ein spirituelles und somit unsterbliches Wesen ist, das in seinem Körper wie in einem Haus lebt. Materieller Körper und immaterielle Seele sind zwei getrennte Dinge; der "wahre Mensch" kann nicht sterben und nicht getötet werden; er handelt und er tötet nicht, auch wenn sein Körper einen Mord begeht (vgl. unten).
Der leibliche Tod ist nicht das Ende des Lebens; es gibt einen unendlichen Kreislauf der Wiedergeburten (Reinkarnation), das heißt, der Mensch wird immer wieder geboren, bis er vom Kreislauf der Wiedergeburten erlöst ist (Die Gita nach Shankara: 4,5). Die Qualität der Wiedergeburt und des nächsten Lebens bestimmt sich durch das "Karma", eine Art Bilanz der guten und der schlechten Taten im vorangegangenen Leben. Da das irdische Leben prinzipiell Leid ist – wie gut die Umstände im Einzelfall auch immer sein mögen – ist die Wiedergeburt kein Glück, sondern Unglück. Folgerichtig besteht das Heilsziel nicht in der möglichst guten Wiedergeburt, die man sich durch gutes Karma verdient, sondern in der Erlösung vom irdischen Leid (Leben), in der Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten durch das Eingehen in das >Nirwana. Die Baghavad-Gita unterscheidet mehrere Wege zum Heil, zur Erleuchtung, Erlösung und Befreiung:
Der "Gott der Gita" ist alles und in allem, in auserwählten Menschen, den Heiligen, den Gurus oder Yogis, er ist in Bergen, Seen und Flüssen, in "Hunden, Elefanten und Kühen" (Gita 5,18); er ist in Ekeltieren wie Ratten und Schlangen und vermutlich auch im Kuhfladen (Pantheismus).
Der "Gott der Gita" sieht sich selbst als Horrorwesen: "Hab keine Angst und laß dich nicht beirren von dieser meiner schrecklichen Gestalt" (Gita, 11,49).
"Beim Anblick deiner unermesslichen Form..., versehen mit vielen Mündern und Augen, vielen Armen, Beinen und Füßen, mit vielen Bäuchen und grausigen Zähnen, sind die Welten und auch ich in Schrecken versetzt worden.... Wenn ich dich sehe ... die Münder weit geöffnet und mit großen feurigen Augen, erbebt mein Inneres, und ich finde weder Mut noch Frieden.(!!!) ... Ich sehe deine Münder, deren Zähne Furcht einflößen und die den Feuern der Zeit gleichen, und weiß nicht mehr die vier Himmelsrichtungen und finde keinen Frieden (!!!) ... Sag mir, wer du bist in dieser furchtbaren Gestalt..." (11, 23 ff)
Dieser "Gott der Gita" hasst nicht und liebt nicht. Die Menschen sind ihm gleichgültig: "Gleich bin ich gegenüber allen Lebewesen. Keines ist mir verhasst oder lieb." (9,29). Wie "Gott" soll auch der Yogi "frei von Liebe und Hass" sein (2,64).
Darüber hinaus kennt die hinduistische Mythologie eine Vielzahl von Göttern und Gottheiten; 330 Millionen, heißt es. Dazu kommen die bösen Geister und Dämonen. Die indischen Götter und Gottheiten sind schreckliche Horrorgestalten, die täglich durch Opfer besänftigt werden müssen. Sie sind furchterregend, grausam, blutrünstig; sie haben mehrere Köpfe, Arme, Augen; sie sind halb Mensch, halb Tier; halb Mann, halb Frau. Sie lieben Schlangen, Totenschädelketten und alle Formen der Unzucht (Sodomie usw.). Der Gott Hanuman ist ein riesengroßer Affe mit einen langen Schwanz; Krisna ist ein flötenspielender Casanova; Kali eine blutrünstige Göttin mit blutroten Augen, die sich mit abgetrennten Händen und Totenköpfen schmückt und auf ihrem toten Ehemann tanzt; Ganesha ist ein elefantenköpfiger Gott; Hayagriva, Kaladevi, Samvara, Mahakala, der "Große Schwarze", und viele andere sind furchterregende Gottheiten.
Die heilige Schrift der Hindus lehrt die "Einheit allen Seins" (>Monismus, Pantheismus). Nach dieser Lehre sind alle Dinge und Wesen letztlich gleich und eins. "Gott" (= Brahman) – so heißt es – ist in allen Dingen, er ist das wahre Wesen aller Dinge (vgl. Gita 4, 35 ff; 5, 18 ff; 6, 28 ff; 9,14 f; Kapitel 11;11,7;13;12,4;18,20). "Gott" (= Brahman) ist angeblich auch in mir, tief verborgen in meinem Inneren, im Kern meiner Seele (= Atman). Mensch und Gott (in diesem Sinne verstanden) sind eine Einheit: Gott ist in mir und ich bin in Gott; ich bin ein Teil Gottes und Gott ist das "wahre Selbst" in allen Wesen. Diese Einheit gilt es in der Meditation zu erkennen und zu erfahren.
Unter Berufung auf die Schriften von >Capra, Bohm, Zukav und anderen mystisch orientierten Physikern behaupten New-Age-Autoren und Esoteriker, die moderne Physik hätte die "Einheit allen Seins" nachgewiesen. Doch bewiesen ist bestenfalls die wechselseitige Interdependenz (gegenseitige Abhängigkeit) der Dinge oder Mikroteilchen, aber nicht die "Einheit allen Seins". Der vermeintliche Nachweis von der Einheit allen Seins gelingt F. Capra nur, indem er zwei völlig verschiedene Einheitsbegriffe miteinander vermischt: den Begriff der systemischen Einheit und den Begriff der homogenen Einheit (vgl. Capra, Wendezeit; Das Tao der Physik u.a.). In der Tat zeigen uns die Sinne, dass die Welt aus Einzelteilen besteht und nicht eine homogene Einheit ist. Die "Einheit allen Seins" erfährt der Yogi ausschließlich in tiefer Meditation, in mystischer Versenkung bzw. in einem veränderten, trance-artigen Bewusstseinszustand.
Die hinduistische Lehre vom Karma sagt, dass man sein irdisches Schicksal durch schlechte Taten im vergangenen Leben selbstverschuldet hat (vgl. 4,5) — mit der Folge, dass der gläubige Hindu sein Elend und seine Krankheiten zu verbergen sucht. Gleichzeitig rechtfertigt die Karmalehre nicht nur die Armut (und auf der anderen Seite ebenso den ungeheuren Reichtum), sondern auch die weitverbreitete Gleichgültigkeit der Hindus gegenüber dem "Schicksal" ihres Nächsten.
In der heiligen Schrift der Hindus fordert der "Gott der Gita" (Krisna) die Menschen zum absoluten Gleichmut und zur "Nichtanhaftung" an die Welt auf (Kapitel 2; insbes. 2,48 f). Der vollkommene Yogi darf an nichts hängen oder haften, nicht an seinem Haus, nicht an seiner Frau und nicht an seinen Kindern; er soll alles aufgeben, auch die Liebe zu seiner Familie, die Liebe zum Nächsten. Er handelt "ohne Verhaftung, ohne Liebe oder Haß" (vgl. Gita 18/23). Wärme und Kälte, ein Stein und ein Klumpen Gold, Freund und Feind, Glück und Leid, Liebe und Hass, Fromme und Sünder (!) sollen dem Yogi gleich sein (6,7 ff; 12,18 f;13,8 f;14,23 f). "Handeln mit Gleichmut", "Handeln mit Nichtanhaftung an die Früchte des Handelns" ist nach hinduistischem Verständnis niemals Sünde und kann die Seele nicht beflecken (vgl. Gita 4,22; 5,7 ff). Im Gegenteil: selbstloses, gottgeweihtes Handeln tilgt "schlechtes Karma" und führt zur Befreiung von "Sünde" (5,25), das heißt für den Hindu: zur Befreiung aus dem unendlichen Kreislauf der Wiedergeburten: "Wer seine Taten dem Brahman opfert und, ohne verhaftet zu sein, handelt, wird vom Bösen ebenso wenig befleckt wie ein Lotusblatt von Wasser" (Gita 5,10; vgl. 5,19).
Zwar lehrt die Gita, dass der Yogi das "Wohl aller Wesen" wünschen (!) soll (3,25; 12,3), dass er alle Wesen lieben, niemanden hassen und verletzen soll (vgl. 7,3; 16,2; 11,55; 12,13 ff), doch gleichzeitig lehrt der "Gott der Gita" die Gleichheit und Gleichwertigkeit vom Gut und Böse, von Sünde und Gerechtigkeit, von Heiligen und Sündern. In den Augen Krisnas sind Gut und Böse, gute und schlechte Taten, Gerechte und Sünder gleich. Das Böse ist gut, die Sünde ist heilig, und der Sünder ist ein Heiliger. Alle Dinge sind gut. Es gibt weder gut noch böse; das "Gute und Böse (muss) als gleich erachtet" (6/9) werden. Dem "Gott der Gita" ist jeder lieb, der "Gutes und Schlechtes aufgibt" (12/17). Im Kommentar des Shankara findet sich der Hinweis, dass der Yogi dem "guten Handeln entsagen" soll (S. 119). Kurz, der "Gott der Gita" lehrt die uneingeschränkte Toleranz gegenüber der Sünde und dem Bösen, einschließlich des Tötens.
Die heilige Schrift der Hindus, die Gita, ist eine religiöse Botschaft "Gottes" (Krisnas) an die Menschen. Ausgangspunkt ist eine Kriegssituation. Ein Krieger (Arjurna) hat Mitleid mit den Feinden, zu denen auch enge Verwandte gehören. Er will nicht kämpfen, nicht morden und nicht töten. Er betrachtet das Töten der Feinde als Unrecht und Sünde, und er bittet "Gott" (Krisna) um Rat, wie er sich verhalten soll. Der "Gott der Gita" fordert zum Kampf und zum Töten auf. Er, Arjurna, solle seine Pflicht tun, Mitleid und Mitgefühl mit seinen Mitmenschen ablegen, seine "Anhaftung an die Früchte (oder Folgen) seines Handelns" aufgeben, Gleichmut demonstrieren und sein Handeln (das Töten) Gott weihen. Mitleid und Nichtkämpfen seien Ausdruck einer verfinsterten Seele und würden den Himmel verschließen. Kämpfen und Töten aber würden zur Erlösung (vom leidvollen Dasein und ewigen Kreislauf der Wiedergeburten) und in den Himmel bzw. zum Eingehen ins Nirwana führen (1. und 2. Gesang nach Shankara, nach Aurobindo, nach Hare Krishna, nach Hartmann, nach Boxberger/Glasenapp).
Im übrigen könne die immaterielle und unsterbliche Seele weder töten noch getötet werden (2,19). Wer tötet, tötet in Wahrheit nicht, lehrt der "Gott der Gita". Das "wahre Selbst" des Menschen sei immateriell und unsterblich und könne überhaupt nicht getötet werden. Die Toten sind gar nicht tot! Ein Mensch kann gar nicht morden (2,21); in Wirklichkeit – so lehrt der "Gott der Gita" – gibt es gar keinen Mord; Mord ist kein Mord und somit auch keine Sünde; im übrigen ist "Morden" oder Töten von Mitmenschen eine heilige Pflicht im Glaubenskampf und eine spirituelle Übung, die Gleichmut lehrt, Karma vernichtet, erleuchtet, befreit und erlöst, wenn es selbstlos, d.h. mit "Nichtanhaftung an die Früchte des Handels" geschieht und dem "Gott der Gita" (Krisna) geweiht ist. Kurz: Morden und Töten mit Gleichmut sind Mittel und Wege zur "göttlichen Vollkommenheit", zu "Gott", zur Erlösung und Befreiung aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten. Es gibt also nach dieser Lehre keinen Grund für ein schlechtes Gewissen beim Morden oder Töten eines Mitmenschen (2,27). Konsequenterweise müssten eigentlich die entsprechenden Strafvorschriften für Mord gestrichen werden.
Kritiker mögen einwenden, es handele sich in der "Gita" um eine Kriegssituation. In Wirklichkeit aber entfaltet die "Gita" eine allgemeingültige Morallehre für die Gläubigen; der Krieg ist hier nur ein exemplarisches Beispiel für allgemeinmenschliches Handeln und Entscheiden auf der Basis einer "göttlich" inspirierten Ethik.
In der heiligen Schrift der Hindus ist Meditation ein religiöser Weg der Befreiung vom irdischen Leid, ein Weg zur "Gotteserkenntnis" und zur Vereinigung mit "Krisna" (vgl. Shankara, S. 164 ff). In der Meditation öffnet sich die Tür zu "himmlischen Welten" oder auch "spirituellen Planeten" (8,13, Hare-Krishna-Version), die Tür zum "Gott der Gita", die Tür zu "Krisna". Zur Meditation, die in einen veränderten, tranceartigen Bewusstseinszustand führt, gehören nach Auffassung der "Gita" vor allem ein ritueller Ort (abgelegen, ruhig; 6,12 ), eine rituelle Körperhaltung (aufrecht, kerzengerade; 6,13), das Abschalten der Sinneswahrnehmung (die fünf Tore der Wahrnehmung schließen; 8,12), der Blick auf die Nasenwurzel, den Punkt zwischen den Augenbrauen (5,28) oder auf die Nasenspitze (6,13), Ruhe, Stille oder Leere des Geistes (6,14; 6,20; vgl. insbesondere Shankara), das Abschalten des Denkens und der Gedankentätigkeit (6,4), die volle Konzentration des Geistes auf "einen Punkt", auf einen und nur einen einzigen Gedanken (ohne jede Abschweifung), auf den Atem, auf "Gott" oder auf die "Götter" (Shankara, S. 163; 6,12; 8,8), das Chanten der "heiligen Silbe" OM (8,13), das eine Anrufung Krisnas ist (8,13), die Kontrolle und Rhythmisierung des Atmens (4,29).
Der Gott und die Götter der "Gita" verlangen (täglich) Opfer. Opfer stimmen die Götter gnädig und sichern das Wohlgefallen der Götter. Opfer können z.B. Blumen-, Speise-, Trank-, Atem- und Wahrnehmungsopfer sein. Speisen und Getränke werden grundsätzlich Krisna geopfert; der Yogi isst immer nur die "Reste". Bei den Atemübungen wird der Atem geopfert, bei der Meditation die Sinneswahrnehmung (das Hören, das Sehen usw.). Der Yogi opfert sein "Selbst" und das Handeln, indem er sein Handeln im Wege der "Nichtanhaftung an die Früchte" Krisna opfert und sich so zum gehorsamen Werkzeug des göttlichen Willens macht (3,11; 4,25 ff).
Alle diese Lehren stehen zur Botschaft der Bibel in völligem Widerspruch. Sie entstammen ganz offensichtlich der Inspiration gottfeindlicher Mächte (Dämonen).
Lit.: J. Reimer, Hinduismus – ewige Lehre oder ewige Täuschung?, 1999; R. Franzke / L. Gassmann / S. Leuenberger; Ökumene der Religionen und Absolutheit Jesu Christi, 2001.
Reinhard Franzke
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de