Orthodoxe Kirche

Klick auf den Kompass öffnet den IndexNeben der Reformation war die Spaltung (Schisma) der Kirche in Griechisch-Orthodoxe und R�misch-Katholische Kirche die folgenschwerste Kirchenspaltung �berhaupt. Sie wirkt bis in unsere Zeit hinein. Aus dem Schisma gingen die Ostkirchen, die sich auch Orthodoxe Kirchen nennen, und die R�misch-Katholische Kirche in ihren heutigen Erscheinungsformen hervor. Die Orthodoxe Kirche versteht sich, genau wie die R�misch-Katholische Kirche, als die eigentliche Kirche. Sie sieht in der jeweils anderen die Abspaltung. Die Orthodoxe Kirche verwendet f�r sich den Begriff der wahren Kirche, die R�mische Kirche den Begriff der Katholischen, also alleinigen (eigentlich w�rtlich: allgemeinen) Kirche. Die Katholische Kirche betrachtet sich als Inhaber des Bischofsstuhles des Petrus und die Orthodoxe Kirche des Bischofsstuhles des Apostels Johannes.

In Theologie und Kult sind beide Kirchen eng verwandt. Allerdings ist festzustellen, da� sich die Orthodoxe Kirche nach den altkirchlichen Konzilien theologisch nicht mehr stark ver�ndert oder weiter-entwickelt hat. Sie sieht dies als Vorzug und betrachtet sich von daher als orthodox, was zu deutsch "rechtgl�ubig" hei�t. Aufgrund dieses weitgehenden Stillstandes in ihrer Theologie und liturgischen Ordnung behauptet die Orthodoxe Kirche, die wirkliche Nachfolgerin der Urkirche zu sein. Dies ist allerdings weder biblisch noch historisch richtig. Wenn �berhaupt, so ist die Ostkirche die Nachfolgerin der zur Staatskirche erhobenen byzantinischen Kirche des 8. und 9. Jahrhunderts.

Wie kam es zum Bruch zwischen der Griechisch-Orthodoxen und R�misch-Katholischen Kirche? Kaiser Konstantin verlegte den Regierungssitz des R�mischen Reiches im Jahre 330 von Rom nach Konstantinopel. Die Kaiser, die sich in Rom je l�nger je mehr durch die Germanen bedroht f�hlten, residierten von nun an in dem griechisch gepr�gten, kulturell h�her als Rom entwickelten vormaligen Byzantion. In Rom residierte der sehr einflu�reiche Bischof von Rom, der sp�tere Papst. Ebenso wie die Bisch�fe von Jerusalem, Antiochien und Konstantinopel galt er als ein sogenannter Patriarch. Genauso wie der R�mische Bischof betrachtete sich der Patriarch von Konstantinopel als der wichtigste Bischof des R�mischen Reiches. Er residierte in der neuen Reichshauptstadt und hatte engsten Kontakt zum Kaiserhof. Die Weltkirche teilte sich in der Zeit vor dem Schisma in vier Patriarchate ein.

Schon sehr fr�h versuchte der Bischof von Rom eine Art Vorherrschaft in der Kirche zu erlangen. Er berief sich darauf, da� er ja in der Hauptstadt ans�ssig sei und da� hier sowohl Petrus wie auch Paulus den M�rtyrertod erlitten haben. Durch das Dazukommen der Germanen zur Kirche von Rom vergr��erte sich sein Einflu�. Allerdings ver�nderte sich auch das Gepr�ge der r�mischen Kirche. Die Ostkirche blieb weitgehend in der Ordnung der alten Zeit.

Das westr�mische Reich entglitt im Laufe der V�lkerwanderung den H�nden des r�mischen Kaisers, der nur noch das Ostr�mische Reich regierte. W�hrend im westr�mischen Reich langsam alle Nachbarv�lker zum Christentum dazukamen, verlor die Ostkirche an Einflu�. In ihrem fr�heren Einflu�bereich breitete sich nach und nach der aggressive Islam aus. Im ehemaligen westr�mischen Reich bildeten sich neue wichtige Staaten: Frankenreich, sp�ter Burgund und das Heilige R�mische Reich Deutscher Nation.

Der sich Papst nennende Bischof von Rom beanspruchte in Europa die Oberhoheit auch �ber die politischen Verh�ltnisse. Er meinte auf Grund seines Amtes, K�nige ein- und absetzen zu k�nnen. Das ganze europ�ische Mittelalter war von Machtk�mpfen zwischen Papsttum und deutschem Kaisertum und sp�ter auch franz�sischem K�nigtum gepr�gt. Um ihre Macht auszubauen, waren der R�mischen Kirche und ihrem Papst auch sehr fragw�rdige Mittel recht. Der Papst berief sich vor allem auf die gef�lschte sogenannte Konstantinische Schenkung. Dabei handelt es sich um eine im 9. Jahrhundert gef�lschte Urkunde, nach der Kaiser Konstantin dem Papst die Herrschaft �ber den westlichen Teil des R�mischen Reiches �bertragen h�tte. So wie der Papst die Vorherrschaft in der Politik anstrebte, versuchte er auch die Vorherrschaft in der ganzen Kirche zu gewinnen. Diesen Anspruch aber machten ihm alle Patriarchen des Ostens streitig.

Ein Mittel, um ihren Einflu� auszubauen, war f�r die P�pste der Versuch, sich immer wieder in die Belange der Ostkirche einzumischen. Die P�pste warfen sich, gebeten und ungebeten, zum Schiedsrichter in allen m�glichen Streitigkeiten der Ostkirche auf. So herrschte in der Ostkirche 120 Jahre ein Streit �ber die Benutzung von >Ikonen (Bildern) im Gottesdienst. Auch kam die Frage auf, ob Statuen verehrt werden d�rfen. In der Ostkirche entschied man schlie�lich im Jahr 787, Ikonen, also Bilder, im Gottesdienst zu verwenden und zu verehren (Bilderkult). Statuen aber wurden verboten. Der Papst mischte sich ein und erlaubte ausdr�cklich die Verehrung von Statuen. Dies aber duldete die Ostkirche nicht. Auch in anderen kultischen Fragen entwickelte sich die morgen- und abendl�ndische Kirche auseinander. In der Ostkirche verwendete man die orientalische und die griechische Sprache als Gottesdienstsprache. Im r�mischen Gottesdienst sprach man lateinisch. In der r�mischen Kirche wurde der Z�libat f�r alle Geistlichen durchgesetzt. In der Ostkirche gilt der Z�libat nur f�r Bisch�fe und M�nche.

Als der R�mische Bischof dann immer h�ufiger seine Vorherrschaft gegen�ber der Ostkirche ausdr�ckte, kam es 1054 zum endg�ltigen Bruch. �u�erer Anla� war ein politisches Ereignis. Die byzantinischen Kaiser hatten territoriale Anspr�che in S�ditalien, was zu einem Krieg f�hrte, in dem kurzzeitig auch der Papst gefangen gesetzt wurde. Sp�ter versuchte der in Byzanz residierende Kaiser Konstantin Monomachos eine Ann�herung an die r�mische Kurie, um den griechischen Einflu� in S�ditalien auf diplomatischem Wege durchzusetzen. Das verstimmte den Patriarchen von Konstantinopel, der wie alle Kirchenf�rsten der Ostkirche den Einflu� der r�mischen Kirche begrenzen wollte. Der Streit um die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen Ost- und Westkirche kochte st�rker auf denn je. Das Ende war, da� Friedrich von Lothringen und Petrus Amilfa als Gesandte des Papstes am 16. Juli 1054 den p�pstlichen Bannfluch gegen Patriarch Michael Cerularius auf dem Hauptaltar der bedeutendsten Orthodoxen Kirche von Konstantinopel, der Hagia Sophia, niederlegten. Die Byzantiner ihrerseits bezichtigten den r�mischen Papst der Ketzerei und exkommunizierten ihn und seine ganze sogenannte lateinische Kirche.

Diese Trennung nennt man das Schisma. Die Feindschaft zwischen Katholischer und Griechischer Kirche verfestigte sich durch die nachfolgenden Entwicklungen. Der von Papst Innozenz III. angeregte 4. Kreuzzug 1202-1204 f�hrte zur Eroberung Konstantinopels. Stadt und Kirchen wurden gepl�ndert. Es wurde ein lateinisches Kaisertum eingef�hrt, das sich bis 1261 hielt. Die P�pste dachten, dadurch die Orthodoxe Kirche vernichtet zu haben, was sich aber als Fehlschlu� zeigte. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Moslems wurde die Russisch-Orthodoxe Kirche wichtigste Kraft der Orthodoxie, ohne aber dem Patriarchen von Konstantinopel seine Rolle als Ehrenoberhaupt der Gesamtorthodoxie streitig zu machen.

Die Orthodoxen Kirchen zeigen bis heute ein recht gemischtes Erscheinungsbild. Auf der einen Seite versucht man in der Ostkirche, eine gute und durchdachte, an den Lehren der Alten Kirche orientierte Theologie zu betreiben. Dies war auch ein Anla�, sich im 11. Jahrhundert dem Machtanspruch des Papstes nicht zu unterwerfen. Heute mahnen gerade die Orthodoxen Kirchen im Weltkirchenrat (�kumenischer Rat der Kirchen) zu einer Abwendung von dem in den westlichen Kirchen herrschenden Zeitgeist. So gab die Russisch-Orthodoxe Kirche wegen der in den liberalen Kirchen des Westens eingedrungenen Akzeptanz von nichtehelichen Lebensgemeinschaften, der >Homosexualit�t, der Akzeptanz heidnischer Religionen als "Offenbarung des Heiligen Geistes" und der Frauenordination 1999 ihre aktive Mitarbeit in der Genfer �kumene auf.

Andererseits neigen die Orthodoxen Kirchen, fast noch mehr als die R�misch-Katholische Kirche, zu Bilderkult und Selbsterl�sungslehre in sogenannten guten Werken. Vieles im Kult der Orthodoxen hat eindeutig heidnische Wurzeln. Da gibt es Weihehandlungen und Vergottung der "heiligen Mutter Erde" bzw. "Ru�lands" usw. Der Klerus ist ebenso ausgebaut wie in der Kirche von Rom. Die Volksfr�mmigkeit des Ostens ist eine Mischung von Aberglaube, Heidentum und christlichen Gedanken.

Auch geh�rt zum Wesen dieser Kirchen eine besondere Unterordnung unter den jeweiligen Staat (z.B. ist die Anbiederung gro�er Teile der Ostkirchen an die jeweilige Staatsmacht un�bersehbar). Hier verhalten sie sich wie die Kirche nach der Konstantinischen Wende. Diese Kirche wurde immer mehr Hofkirche der r�mischen Kaiser in Konstantinopel. Heute versuchen sie, besonders in den Staaten der fr�heren Sowjetunion gr��ten Einflu� im Staat zu bekommen. Die Russisch Orthodoxe Kirche bem�ht sich, andere Kirchen in Russland mit Hilfe des Staates in die Knie zu zwingen. Die neuen Religionsgesetze in Ru�land degradieren alle anderen Kirchen zu religi�sen Gruppen minderer Bedeutung. Die Orthodoxe Kirche hat es mit viel Diplomatie, L�gen und mafiaartigen Verbindungen durchgesetzt, da� nur Kirchen, die schon 1977, also zu kommunistischer Zeit, in der Sowjetunion vom Staat anerkannt waren, in Ru�land frei arbeiten d�rfen. Im heutigen Russland versucht die Orthodoxe Kirche, Staatskirche zu werden

Auch die Orthodoxe Kirche hat unter Stalin eine un�bersehbare Zahl von M�rtyrern gehabt. Aber die blutig verfolgte Kirche wird, kaum hat sie wieder die M�glichkeit, selbst zur Verfolgerin der anderen Christen. Selbst im demokratisch regierten Griechenland war die Orthodoxe Kirche immer wieder in die Verfolgung von missionarischen Protestanten verwickelt.

Da die Orthodoxen Kirchen immer ein enges B�ndnis mit der jeweiligen Nation und dem Staat hatten, lie�en sie sich oft in polit-ische Aktivit�ten ihres Staates verwickeln. Unr�hmlich war die Begleitung der Serbischen Nationalisten in den Kriegen beim Zerbruch des jugoslawischen Staates. Patriarch und Kirche stan-den hinter dem autokratischen Regime von Miloschowitsch. In Russland ist die enge Bindung der Orthodoxe Kirche an die Regierung Putins zu erkennen. Der religi�s unterbaute Nationalismus der O.n K. Russlands wird zur neuen Ideologie, nachdem der Kommunismus abgewirtschaftet hat.

Weltweit gibt es zu Beginn des 21. Jahrhunderts ca. 400 Millionen Orthodoxer Christen. Ihr geistiges Ehrenoberhaupt ist der �kumenische Patriarch von Konstantinopel (Sitz Istanbul) Bartholomaios.

Bedingt durch Zuwanderung sch�tzt man die Zahl der zur Zeit in Deutschland lebenden Orthodoxen auf ca. 1.000 000.

Nach eigenen Angaben z�hlen Griechisch-Orthodoxe 450 000, Serbisch-Orthodoxe 150 000, Rum�nisch-Orthodoxe 80 000, Russisch-Orthodoxe 50 000 (im Jahr 1999), Syrisch-Orthodoxe 70.000, Armenisch-Apostolische 35 000. Dazu kommen weitere kleinere Orthodoxe Kirchen. Einige von ihnen geh�ren zur ACK (Orthodoxe Kirche in Deutschland � Verband der Di�zesen � Dachorganisation von acht Orthodoxen Kirchen in Deutschland, �thiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland, Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland, Koptisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland, Syrische Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland). Die Orthodoxe Kirchen in Deutschland geh�ren in der Regel zum ACK.

Lit.: E. Bryner, Die Ostkirche vom 18 bis zum 20. Jahrhundert (KGiE III/10) 1996; E. Bryner, Die orthodoxe Kirche von 1274-1700 (KGiE II/9) 2004.

Rainer Wagner


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de