Spirituelle Interpretation

Klick auf den Kompass öffnet den IndexSpirituelle Interpretation (geistige Deutung) beruft sich auf die Freiheit, von einem mehrfachen Schriftsinn her über den vorfindlichen Bibeltext hinauszugehen zu einer "symbolistischen" – oder allgemeiner formuliert: spirituellen – Deutung.

Dieses Bestreben findet sich etwa bei >Origenes, aber auch bei zahlreichen modernen Sekte n und esoterischen Richtungen (z.B. Anthroposophie) und auch Theologen wie z.B. Eugen >Drewermann (>Tiefenpsychologische Interpretation) und Vertretern einer >Feministischen Theologie. Obwohl sich deren Ergebnisse im einzelnen unterscheiden, ist doch der methodische Ausgangspunkt derselbe:

die Behauptung eines mehrfachen Schriftsinns und die daraus abgeleitete Freiheit zu einer eigenwilligen Deutung der Schrift.

1. Klassische Modelle der spirituellen Interpretation:

Die altägyptische >Mysterienreligion kennt einen dreifachen Schriftsinn:

Hierzu der Kommentar des Clemens Alexandrinus:

"Die erste Art von Buchstaben ist die im Leben gebräuchliche, dann folgt die symbolische Schrift. Die symbolische Schrift bleibt noch, indem sie dieselbe nachahmt, den Dingen der äußeren Welt ähnlich, aber sie geht dazu über, einen geistigen Sinn auszusprechen, und schließlich nimmt sie, gleichnishaft werdend, Rätselgestalten in sich auf" (Stromateis V,4 §§ 19-20).

Auch die jüdische >Kabbala spricht von einem "dreifachen Schriftsinn" bzw. einer "dreifachen Hülle der Thora":

"Die Erzählungen sind ihr Kleid; die aus ihnen hervorgehende Moral ist ihr Körper; der verborgene geheimnisvolle Sinn endlich ist die Seele der Thora! Die Toren halten die Erzählungen selbst schon für den Körper der Thora und dringen nicht tiefer ein. Die Verständigen sehen auch noch auf das, was dieses Kleid umschließt. Die wirklich Weisen aber blicken ganz allein auf die Seele der Thora" (Buch Sohar III,152).

Bedeutsames Vorbild für die spirituelle Bibelauslegung ist der Alexandriner >Origenes (ca. 185-254). Origenes seinerseits war wiederum von den ägyptischen Mysterien sowie (über >Philo) von der jüdischen Kabbala und der >platonischen Philosophie (v. a. Trichotomie) beeinflusst. Auch er vertritt einen dreifachen Schriftsinn, den er so definiert:

"Der Einfältige mag sich erbauen am Fleische der Schrift (so wollen wir die buchstäbliche Auffassung nennen); der schon Fortgeschrittene an ihrer Seele; der Vollkommene aber ... an dem geistigen Gesetz, das die Schattenbilder von den zukünftigen Gütern gibt. Denn wie der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht, so auch die nach dem göttlichen Haushalt den Menschen zum Heil verliehene Schrift" (De principiis IV,2,4).

Die drei Schriftsinne nach Origenes werden auch bezeichnet als a. historischer (Leib), b. moralischer (Seele), c. mystischer (Geist), wobei in der Auslegung c. vor b. kommt. Denn – so kommentiert J. Pietron – die Auslegung bei Origenes geht aus "von der Geschichte, müht sich um das Mysterium Christi und damit Gottes und sucht nach Weisen, das Mysterium im einzelnen Christen Gestalt annehmen zu lassen" (Geistige Schriftauslegung und biblische Predigt, 1979, 91). Der moralisch-seelische erweist sich somit als Entfaltung des mystisch-geistigen Sinns, weshalb man strenggenommen von nur zwei Schriftsinnen reden kann: Auf der einen Seite steht der historisch-buchstäbliche, auf der anderen Seite der geistige Schriftsinn mit seinen Differenzierungen.

Diese Unterscheidung von "Buchstabe" und "Geist" wird hauptsächlich mit 2. Korinther 3,6 begründet.

"Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig"

Origenes deutet diese Stelle so, dass man über den wörtlichen, buchstäblichen. "toten" Sinn eines Textes hinaus zu seinem "lebendigen" inneren Geist vordringen müsse. Seine Kernaussage lautet: "Die ganze Schrift hat wohl in allen ihren Einzelheiten einen geistigen Sinn, aber keineswegs durchgehend einen >leiblichen< (bzw. buchstäblichen) Sinn" (De principiis IV,3,5). G. Ebeling stellt fest:

"Mit dieser Deutung von 2. Korinther 3,6 hat Origenes die Geschichte der Hermeneutik entscheidend bestimmt und die Allegorese angeblich vom innersten Kern der paulinischen Theologie her legitimiert" (Evangelische Evangelienauslegung, 1942, 109).

Auch in der Auslegung der spätmittelalterlichen Scholastik steht auf der einen Seite der "buchstäbliche" oder "historisch-grammatische", auf der anderen Seite der "geistige" (auch: "geistliche") oder "allegorisch-mystische" Sinn. Letzterer untergliedert sich wiederum in (zumeist) drei "Untersinne", so dass von einem "vierfachen Schriftsinn" gesprochen wird. Jeder Bibeltext wird somit auf eine vierfache Bedeutungsmöglichkeit hin befragt, wie sie folgender Merkvers (die sogenannte Quadriga) zusammenfasst:

"Der buchstäbliche Sinn lehrt, was geschehen ist, der allegorische, was zu glauben ist, der moralische, was zu tun ist, der anagogische, was kommt."

2. Beurteilung der spirituellen Interpretation:

Origenes hatte die Ansicht vertreten: "Die ganze Schrift hat wohl in allen ihren Einzelheiten einen geistigen Sinn, aber keineswegs durchgehend einen >leiblichen< (bzw. buchstäblichen; d. Verf.) Sinn" (De principiis IV,3,5). Diese Ansicht, auf der die spirituelle Interpretation beruht, ist in der Kirchengeschichte von Anfang an auf vielfachen Widerspruch gestoßen. Sie hat die Formulierung von Kriterien zur Verhältnisbestimmung zwischen geistigem und buchstäblichem Schriftsinn erforderlich gemacht.

Schon zu Lebzeiten des Origenes proklamierte ihm gegenüber die antiochenische Exegetenschute "grundsätzlich das Festhalten am buchstäblichen Sinn des Bibelworts, auf dem sich dann keineswegs durchgehend, sondern an nur besonders dazu ausgezeichneten Stellen der typologische Sinn aufbaut".

Wegen ihrer vielfach willkürlichen Art wurde

"die allegorische Auslegung ... nicht nur möglichst vermieden, sondern auch ausdrücklich bekämpft" (Ebeling 1942, 117).

Obwohl Hieronymus (347-419/20) die Deutung des Origenes von 2. Korinther 3.6 (s.o.) übernahm und wie dieser den geistigen Sinn als Ziel der Auslegung ansah, ging er doch nicht so weit, ihn in allen Einzelheiten der biblischen Berichte finden zu wollen. Für Hieronymus gab es auch Stellen, an denen eine weiterführende geistige Auslegung "überflüssig" erschien – nämlich dann,

"wenn die Geschichte oder Prophetie ganz klar ist und wenn schon in ihr die wahre Ordnung der Dinge sichtbar wird" (W. Hagemann, Wort als Begegnung mit Christus, 1970, 213).

Augustin (354-430) stellte die hermeneutische Grundregel auf, dass

"jede Auslegung Irrtum ist, die den heiligen Schriften einen andern Sinn unterlegt, als die Verfasser beabsichtigt haben" (De doctrina christiana I,36).

Um den von den Verfassern beabsichtigten (und damit wahren) Sinn herauszufinden, gelte es, "jede einzelne Stelle der Bibel ... aus dem Zusammenhang der ganzen (sc. Bibel) heraus auszulegen", wobei sich vom "Wortlaut" her "zunächst der Sinn der klaren Stellen" erschließe. Die klaren Stellen verdichteten sich zur "Glaubensregel" der Kirche, die nun ihrerseits die "Norm" zum Verständnis auch der unklaren Stellen – und somit zur geistigen Auslegung – werde. Die Auslegung müsse dabei immer am "Gebot der Gottes- und Nächstenliebe" als "Summe des biblischen Zeugnisses" – und damit an Christus als "Maß für die Liebe" – orientiert sein. "Wenn durch die Auslegung die (christliche: d. Verf. ) Liebe vermehrt wird, dann kann sie nie letztlich >falsch< sein" (nach Pietron 1979, 134f.)." Durch seine Berücksichtigung des Kontextes und seine Hochschätzung des Literalsinns durchbrach Augustin den logischen Zirkel, in dem Origenes seine allegorische Auslegung durch allegorisch ausgelegte Bibelstellen begründet hatte. Darüber hinaus entwand er durch seine – dem gesamtbiblischen Kontext (neben 2. Kor 3 selbst v. a. Röm 5,20-6,11) gerecht werdende – Deutung von "Buchstabe" und "Geist" in 2. Korinther 3,6 als "Gesetz" und "Gnade" den spiritualistischen Exegeten ihre wichtigste Waffe und ebnete dem Schriftverständnis eines Paulus von Burgos und Martin Luther den Weg (s. u.).

Thomas von Aquin (1225-1274) als Vertreter der mittelalterlichen Exegese hielt am vierfachen Schriftsinn fest; er schränkte den Anwendungsbereich der drei zum sensus spiritualis zählenden Sinne gegenüber dem buchstäblichen jedoch stark ein. Zunächst stellte er fest, dass bildhafte Ausdrücke (also Metaphern, Gleichnisse usw. ) gar nicht zum geistigen, sondern zum buchstäblichen Sinn gehören, wo es sich von Wortsinn und Kontext her um uneigentliche Rede handelt. Zum zweiten forderte er die völlige Bindung des geistigen Sinnes an den buchstäblichen Sinn. Zum dritten lehnte er aus dem "Wissen darum, dass der geistige Sinn nie mit absoluter Gewissheit erkannt werden kann", dass ihm – wie J. Pietron formuliert – "das oft nicht präzise Auszudrückende, das Verschwebende, das Verbergend-Entbergende" eignet, den Gebrauch des geistigen Sinns zur theologischen Argumentation ab. ">Symbolische Theologie ist nicht argumentativ<, so zitiert er Pseudodionysius Areopagita: Wer theologisch argumentieren will, kann sich nur auf den buchstäblichen Sinn berufen<" (Pietron 1979, 147ff.). Schließlich war Thomas der Ansicht: "Es gibt nichts, was verborgen an irgendeiner Stelle der Schrift überliefert wird, das nicht anderswo in Klarheit herausgestellt wird" (ebd., 151). Der geistige Schriftsinn sei letztlich gar nicht erforderlich, "weil nichts Glaubensnotwendiges sub spirituali sensu enthalten ist, was nicht schon irgendwo durch den Literalsinn klar geoffenbart ist" (P. Fleig, Die hermeneutischen Grundsätze des Thomas von Aquin, 1927, 3).

Unter dem Einfluss von Augustin, Thomas und Nikolaus von Lyra (ca. 1270-1349) erarbeitete Paulus von Burgos (ca. 1351-1435) seine Kriterien zur Verhältnisbestimmung von sensus literalis und sensus spiritualis (nachfolgend: "sens. lit." und "sens. spir."). G. Ebeling fasst sie so zusammen: "1. 2. Korinther 3.6 geht nicht auf die Unterscheidung von sens. lit. und spir., sondern auf die Unterscheidung von altem und neuem Gesetz ... 2. Der sens. lit. gibt nicht nur historia, der sens. spir. gibt keine nicht auch sonst durch den sens. lit. belegten glaubensnotwendigen Dinge. 3. Gerade als Fundament ist der sens. lit. würdiger. 4. Der sens. lit. enthält oft unmittelbar den sens. parabolicus (vgl. Thomas!). 5. Gerade die Universalität (Verständlichkeit für die rudes) gibt dem sens. lit. seine Würde. 6. Beim sens. lit. ist anzufangen, weil er die Prinzipien gibt, also wichtiger ist. 7. Nur wo der sens. lit. versagt, ist auf den sens. spir. zurückzugreifen. Dieser Fall tritt ein: a) in parabolischer Redeweise, b) wenn die Schrift selbst auf figürliche Deutung anspielt, c) wenn eine Geschichte nicht erbaulich, sondern anstößig ist" (Ebeling 1942, 136).

Die Hermeneutik Martin Luthers (1483-1546) ist Anknüpfung und Neuerung zugleich. Wir fassen einige seiner Erkenntnisse zusammen. In der Auslegung der entscheidenden Stelle 2. Korinther 3,6 hätten "Origenes, Hieronymus. Dionysius und ettlich mehr . . . geyrret und gefeyllet" – "außgenommen S. Augustino", der spricht:

"Der buchstab ist nichts anders denn das GESETZ ON GNADE. Also muegen wir wiederumb sagen, das der geyst sey nit anders denn die GNADE ON GESETZ" (WA 7,647ff.). In 2. Korinther 3 (Kontext!) schreibe Paulus nämlich nicht von zwei Schriftsinnen ("nit ein tuttel von diessen tzweyen sinnen"), sondern "von zweyerlei predigtenn oder prediger ampten. Eynis ist des alten testaments, das ander des newen testaments. Das alte testament prediget den buchstaben, das new predigt den geyst" (ebd.). Infolge seiner Nichterfüllbarkeit durch den "fleischlichen" Menschen werde das – auf "steinerne Tafeln" geschriebene und an sich "geistliche" (Röm 7,14) – alttestamentliche Gesetz zum tötenden Buchstaben, während die in Christus erschienene und durch den Geist in "fleischerne Tafeln des Herzens" geschriebene Gnade Leben und Freiheit bewirke. "Denn das geschriebene Gesetz vermag nicht das Herz zu ändern, während der G (eist) das umwandelnde Geschehen und Vernehmen der göttlichen Selbstmitteilung ist" (G. Ebeling, Art. "Geist und Buchstabe", RGG II, Sp. 1291).

Luther dreht somit die Schriftauffassung des Alexandriners Origenes um:

"Nach dem alexandrinischen Verständnis ist die Schrift an sich litera. Geistlich wird sie erst durch die sie erschließende Methode ... Umgekehrt steht es bei Luther im Gefolge Augustins: Die Schrift an sich ist spiritualis. >Litera< wird sie erst durch den gegen sie sich verschließenden Unglauben" (Ebeling 1942, 288). Werde die "Decke" des Unglaubens entfernt (vgl. 2. Kor 3,13ff), dann komme es zur Entdeckung des Geistes der Schrift im Buchstaben. Die Folge: es gibt für Luther "keinen mehrfachen Schriftsinn. Der buchstäbliche ist der geistliche, der geistliche ist der buchstäbliche Sinn. Das geistliche Verstehen ist nicht Produkt einer Auslegungsmethode, sondern ist Wirkung des Heiligen Geistes durch den Glauben" (ebd., 311).

G. Gloege spricht von einer "litera spiritualis", einem "Geist-Buchstaben" bei Luther:

"Luthers >Wort< ist geisthaltig; und umgekehrt: Luthers >Geist< wortgebunden."
"In dieser verwegenen Konzeption Luthers liegt ... die Überwindung des mittelalterlichen Dualismus von buchstäblicher und geistlicher Auslegung." An die Stelle der Nebeneinanderordnung von litera und spiritus (s. o. das Schema der spätmittelalterlichen Scholastik) tritt die Überordnung der litera spiritualis als christologischer "Quellsinn" über alle anderen Sinne, die an jenem auszurichten sind oder – wo das nicht möglich ist – nicht gebraucht werden sollten" (G. Gloege, Mythologie und Luthertum, 1963, 74.135).

H. Stadelmann formuliert die entscheidende Regel. die sich aus Luthers Hermeneutik ergibt:

"Der Literalsinn ist die einfache, normale Wortbedeutung, wie der jeweilige Kontext sie sprachlich und geschichtlich nahe legt."

Ausschlaggebend ist jeweils "der vom Autor intendierte und vom gesamtbiblischen Kontext sich nahelegende Wortsinn". "Von daher fordert der Literalsinn, Prosa als Prosa. Geschichtsbericht als Geschichtsbericht, Allegorie als Allegorie, Bildwort als Bildwort, Poesie als Poesie usw. auszulegen." Nicht von unserem "subjektiven Sprachempfinden" ist dabei auszugehen. sondern von dem "Sprachempfinden und Sprachgebrauch des hebräisch- und griechischsprechenden Menschen zu alt- und neutestamentlicher Zeit" (Grundlinien eines bibeltreuen Schriftverständnisses, 1985, 106).

Folgt man dieser Regel, dann bereitet z. B. die Frage, wie die biblischen Gleichnisse oder die in Galater 4,22ff. gebrauchte Allegorie zu verstehen sind. kein Problem: Sie sind als Gleichnisse oder Allegorie – und als nichts anderes – aufzufassen, da der Kontext dies fordert. Paulus verwertet etwa die – in Genesis 16 wörtlich zu nehmende – Geschichte von Hagar und Ismael in Galater 4,22 ff. "mit Bewusstsein als Bild, um den unverständigen Galatern die schwierige Lehre von der Glaubensgerechtigkeit näherzurücken".

Das Bild ist im Kontext der paulinischen Argumentation der Literalsinn; ein "wörtliches Verstehen" wäre dort der Spiritualsinn.

K. Holl betont:

"Mit herrlicher Klarheit hat er (Luther) es schon im Jahr 1519 ausgesprochen, daß da, wo aus dem Zusammenhang sich die Bildlichkeit der Redeweise ergibt, dieser bildliche Sinn nicht etwa als ein >uneigentlicher< neben dem buchstäblichen, sondern als der eigentliche und einzige, weil vom Schriftsteller allein beabsichtigte, anzusehen ist. Der Schriftsteller hat die Freiheit, sich das eine Mal eigentlich, das andere Mal bildlich auszudrücken, aber es ist doch in jedem Fall nur ein einziger Sinn, den er meint" (Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. 1: Luther, 1923, 554f.).

3. Ergebnis:

Weil Geist und Buchstabe in der Bibel eine untrennbare Einheit sind, darf der geistige Sinn nicht neben, sondern muss im buchstäblichen Sinn (als Erstsinn) gesucht werden. Eine spirituelle Interpretation darf sich gegenüber dem Bibeltext nicht verselbständigen. Sie muss den unmittelbaren und gesamtbiblischen Zusammenhang beachten und von den klaren Stellen der Schrift – d. h. von ihrem buchstäblichen Wortsinn – ausgehen. Wenn sie bei der Interpretation unklarer oder "geheimnisvoller" Stellen zu weitergehenden Aussagen gelangt, so dürfen diese nicht in Widerspruch zum Inhalt der klaren Stellen treten; vielmehr muss sich die "geistige" von der buchstäblich-wörtlichen Deutung her verifizieren oder falsifizieren lassen. Die spirituelle Interpretation soll Exegese (Auslegung) des Bibeltextes, keine "Eisegese" ("Einlegung", Hineininterpretation) sein. Lassen sich ihre Aussagen nicht am klaren. buchstäblichen Wortsinn verifizieren, so sind sie nicht zur Argumentation geeignet, da ihnen Eindeutigkeit fehlt. Diese Zurückhaltung wird von heute einflussreichen Formen der spirituellen Interpretation (z.B. anthroposophische, esoterische, tiefenpsychologische und feministische Exegese) nicht gewahrt. Ihr Selbstanspruch. die Rettung des Christentums, der Religion oder der Gesellschaft zu bringen, ist daher äußerst kritisch zu beurteilen.

S. auch: Bibel; Hermeneutik; Anthroposophie; Drewermann, Eugen; Feminismus; u.a.

Lit.: G. Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung, 1942; J. Pietron, Geistige Schriftauslegung, 1979; L. Gassmann, Das anthroposophische Bibelverständnis, 1993.

Mehrfacher Schriftsinn: Spirituelle Interpretation

Buchstabe und Geist: Spirituelle Interpretation

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de