Drewermann, Eugen

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1. Wer ist Eugen Drewermann?

Eugen Drewermann wurde am 20. Juni 1940 in der westf�lischen Bergarbeiter-Gemeinde Bergkamen geboren und katholisch getauft. Die Mutter war katholisch, der im Kohlebergbau t�tige Vater jedoch evangelisch. In einem Interview im Norddeutschen Rundfunk vom 16. M�rz 1991 bezeichnete Drewermann seinen Vater als "nicht religi�s". Eine Erfahrung, die sich bis in seine sp�tere Theologie hinein auswirken sollte, machte der Vierj�hrige beim Bombenangriff der Alliierten auf Bergkamen 1944. Es war die Grunderfahrung der Angst und inneren Verunsicherung. Von dieser inneren Verunsicherung und Angst erf�llt, fand Drewermann sp�ter seine geistige Heimat in der Weit >existentialistischer Philosophen.

Er berichtet:

"Richtig ist, dass ich mit 17 Jahren damals in einer schweren Krise steckte; wenn es den Existentialismus nicht gegeben h�tte, man hatte ihn meinetwegen erfinden m�ssen, oder ich selber h�tte ihn erfunden. Das ist bis heute mein geistiges Terrain geblieben, sehr erweitert freilich in vielerlei Richtungen. Aber vom Ensemble der Gef�hle her entspricht diese Welt Sartres, Camus?, Kierkegaards`, Heideggers ohne Zweifel mir am meisten. Kierkegaard war derjenige, der die Worte fand f�r das, was ich erlebte. Sein ganzes Denken ging um Angst, um Verzweiflung, um Krankheit zum Tode. Genau das entspricht mir sehr und war f�r mich damals der einzige Weg, um zu �berleben. Und es war wichtiger als jeder Papst, jeder Religionslehrer. Es war die einzige geistige Autorit�t, die ich damals hatte" (WEG, 289).

So f�hlte sich Drewermann eher zu einem liberalen Protestantismus als zu einem engen Katholizismus hingezogen, wie ihm sich dieser vor allem in seiner vorkonziliaren Gestalt (vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil) zeigte. Dass er dann dennoch von 1959-65 in Paderborn und M�nster katholische Theologie und Philosophie studierte und Priester werden wollte, h�ngt mit dem Rat zusammen, den ihm ein Lateinlehrer auf dem Gymnasium gab:

"Drewermann, es gibt gute Protestanten auch unter den Katholiken, so wie es gute Katholiken unter den Protestanten gibt. Ich glaube, Sie sollten katholisch bleiben" (WEG, 290).

1966 wurde er zum Priester geweiht und nahm bis 1968 eine Stelle als Kaplan im lippischen Kurort Bad Driburg bei Paderborn wahr. Als er dort mit den seelischen Problemen der Menschen, ihren "Liebesabenteuern" und ihrer "Verzweiflung �ber die Untreue" konfrontiert wurde, begann er zunehmend, an den katholischen Moralvorstellungen zu zweifeln und sich f�r die psychoanalytischen Erkl�rungsversuche zu interessieren:

"Es war deutlich, dass die Menschen litten, aber nicht schuldig waren, und dass ich, wenn ich sie verstehen wollte, Bereiche des Daseins kennenlernen m�sste, die mir im gesamten Theologiestudium nicht vertraut geworden waren, die Bereiche des Unbewussten. So bin ich damals zur Psychoanalyse gekommen" (WEG, 291).

Ab 1968 lie� er sich in einem psychotherapeutischen Institut bei G�ttingen in der Neopsychoanalyse von Schultz-Hencke ausbilden. 1970 erhielt er die Freistellung zum Promotio nsstudium an der Theologischen Fakult�t der Universit�t Paderborn. Sein Doktorvater war der Systematiker Prof. Heribert M�hlen. 1977 wurde seine Promotionsschrift "Strukturen des B�sen" aufgrund einer das Ma� einer Dissertation weit �bersteigenden Leistung zugleich als Habilitationsschrift angenommen, so dass ihm der Weg an die Universit�t offen stand. Im gleichen Jahr erteilte ihm der Kanzler der theologischen Fakult�t, Bischof Johannes Joachim Degenhardt � sein sp�terer Gegenspieler! � die Zulassung als Privatdozent f�r das Fach "Katholische Dogmatik".

In den 80er Jahren kam es zu einer wachsenden Entfremdung Drewermanns von der r�misch-katholischen Kirche und vom �berlieferten christlichen Glauben �berhaupt, vor allem auf dem Feld des Bibelverst�ndnisses und der Christologie, aber auch der katholischen Moral- und Amtsauffassung. Vorladungen, Lehrgespr�che und ein langdauernder Briefwechsel insbesondere mit Erzbischof Degenhardt f�hrten zu keiner Einigung. So wurde Eugen Drewermann am 7. Oktober 1991 die Lehrbefugnis an der Paderborner Theologischen Fakult�t wieder entzogen � und am 9. Januar 1992 dar�ber hinaus die Predigtbefugnis. Als Gr�nde f�r den Entzug der Predigtbefugnis werden in dem von Erzbischof Degenhardt unterzeichneten Dekret genannt:

"Abweichungen von der Glaubenslehre der katholischen Kirche �ber die Einsetzung der Sakramente, vor allem auch der Eucharistie und des Priestertums durch Jesus Christus, �ber das katholische Verst�ndnis des Kreuzestodes Christi, �ber die Feier der Eucharistie und des priesterlichen Dienstes, �ber die Geburt aus der Jungfrau Maria (Jungfrauengeburt), �ber die Autorit�t der Kirche und der Bisch�fe in Sachen des Glaubens und der Sitten sowie erneut aber die sittliche Beurteilung der Abtreibung durch das kirchliche Lehramt. Unter den ?Anklagen" findet sich der Satz: "Sie leugnen, dass Jesus von Nazareth der 'Christus, der Sohn des lebendigen Gottes' (Mt 16,16) wirklich und in einzigartiger Weise ist" (WEG, S. 455 f.).

Ist Drewermann mit dieser Verurteilung durch die r�misch-katholische Kirche Unrecht geschehen? Oder gibt es doch Punkte in seiner Lehre, die auch nach evangelischem Verst�ndnis eine Kritik aus biblisch-theologischer Sicht rechtfertigen? Darum soll es im folgenden gehen.

2. Was lehrt Eugen Drewermann?

a. Die Grundbefindlichkeit der Angst:

Als ein Journalist Eugen Drewermann fragte, ob sein entscheidendes Anliegen "die Erl�sung aus der Angst" sei, antwortete dieser:

"Das ist vollkommen richtig ... Dazwischen steht unser ganzes Leben: zwischen Angst und Vertrauen" (WEG, S.295).

Dieser Grundkonflikt zwischen Angst und Vertrauen durchzieht wie ein roter Faden sein fr�hes dreib�ndiges Werk "Strukturen des B�sen", in dem er die "jahwistische Urgeschichte" exegetisch, psychoanalytisch und philosophisch deutet. Vereinfacht l�sst sich Drewermanns Anliegen so zusammenfassen: Der "Mythos vom S�ndenfall" in 1. Mose 2-11 ist ein gro�artiges Bild f�r den Menschen, der sich seines Wesens, seines Ausgeliefertseins an das Dasein und seines Ungen�gens bewusst wird. Seine Existenz wird bestimmt von der Angst: Angst vor der eigenen Minderwertigkeit und dem Versagen, Angst vor einem strafenden Gott, Angst vor der Verg�nglichkeit und dem Nichts. Um gegen diese Angst anzugehen, liefert sich der Mensch der Schlange aus, und das heisst: dem Trieb und der Versuchung, die anderen zu beherrschen und auch Herr �ber Gott sein zu wollen. Dadurch aber w�chst die Angst noch mehr, denn ...

"der Mensch, der aus Angst in die S�nde hineinger�t, (hat) nach und in der S�nde noch gr��ere Angst vor Gott" (SdB I, S. 107).

Immer tiefer st�rzt er in die Verzweiflung und Neurose hinein und wird unentrinnbar in den "Strukturen des B�sen" gefangen. Es gibt nur einen Weg zur Befreiung: das Vertrauen auf Gottes Liebe, der dem Menschen seine Schuld frei vergibt. Gott muss hierf�r eine Person sein, die dem Menschen gegen�bertritt und ihm einen angstfreien Raum er�ffnet, in dem er zu Gott und zu sich selbst finden kann. Gott muss sich auch zur Verf�gung stellen, damit der Mensch � wie bei der psychoanalytischen �bertragung � seine neurotischen Hassimpulse auf ihn abladen kann, ohne Angst vor Gott haben zu m�ssen. Dies erm�glicht nach Drewermann die Gottesvorstellung des christlichen Glaubens. Obwohl Drewermann bei dieser Deutung bereits psychoanalytische und philosophische Kategorien heranzog, blieb sein Grundansatz in seinem Fr�hwerk durchaus noch traditionell. Es wurde deshalb auch von der Paderborner Fakult�t als Promotions- und Habilitationsschrift angenommen. Bei den Werken der 80er und 90er Jahre nahmen jedoch die psychoanalytischen, fremdreligi�sen und auch politischen Aussagen immer breiteren Raum ein.

b. Die Entmythologisierung und existentiale Interpretation der Bibel als Voraussetzung:

Hier ist stellvertretend sein gro�es zweib�ndiges Werk "Tiefenpsychologie und Exegese" zu nennen, das in den Jahren 1984 und 1985 erschien. In diesem Werk strebte er das an, was er in einem Brief an Erzbischof Degenhardt vom 2.5.1991 so beschrieb: "Verstehen Sie, Herr Erzbischof, das �Bedenkliche' meiner Theologie liegt nicht in einem Widerspruch zu bestimmten Lehrinhalten, die Sache steht weit schlimmer, oder besser: Was ich m�chte, ist nicht mehr und nicht weniger als eine grundlegende Ver�nderung der gesamten Art und Weise, wie heute Theologie betrieben wird; ich m�chte dies aber aus Glauben, nicht aus Glaubenslosigkeit? (WEG, S. 301). Drewermanns Deutungen setzen die >Entmythologisierung und >existentiale Interpretation des Neutestamentlers Rudolf Bultmann voraus (s. dort). Im Anschluss an Bultmann kann Drewermann schreiben: "Aber andererseits ist die Erkenntnis an sich nicht mehr r�ckg�ngig zu machen, dass es im Neuen Testament � und ebenso im Alten Testament � in der Tat zahlreiche Erz�hlungen gibt, die sich bereits durch ihre Form als Mythen, Legenden und Novellen in historischem Sinne 'verd�chtig' machen und ein Material enthalten, das zahlreiche Analogien zu anderen Religionen aufweist und jedenfalls viel zu schematisiert ist, als dass es in dieser Weise ein wirkliches historisches Geschehen wiederzugeben verm�chte ... Die historisch-kritische Methode hatte darin vollkommen recht, die Mythen und Legenden in ihrer �u�eren Gestalt auch in der Bibel zu zerst�ren, indem sie ihre mangelnde Historizit�t nachwies; ein �usseres Festhalten an den Themen der Mythen und Legenden in einem missverstandenen historischen Sinne liefe in der Tat auf eine bornierte Starre, auf eine krampfhafte Verleugnung der besten Einsichten des 19. Jahrhunderts hinaus? (TuE I, S. 94.96).

Andererseits �bt Drewermann an der historisch-kritischen Methode scharfe Kritik. Er �berschreibt ein einleitendes Kapitel zu "Tiefenpsychologie und Exegese" mit den Worten: "Vom religi�sen Irrweg der historisch-kritischen Methode" (TuE I, S. 23). Sie ist seines Erachtens ein Irrweg, weil sie nur "die �u�erlichste und oberfl�chlichste aller Fragen" stellt, n�mlich die nach dem Ma� historischer Wirklichkeit in den einzelnen biblischen �berlieferungen. Bei diesem Fragen in die Vergangenheit geht die Gegenwartsbedeutung der Texte verloren. Bei dem "Erdrutsch des Historismus" droht sich "Religion in historische Religionswissenschaft, Glauben in Glaubenskunde, Theologie in Arch�ologie" zu verwandeln (TuE I, S. 23.37). Drewermann fragt: "Wie kann man die sogenannte historisch-kritische Methode von ihrem Auslegungsmonopol erl�sen? Wie l�sst sich eine Methode der Schriftauslegung finden, die nach der zweifellos notwendigen historischen Absicherung die eigentlich theologische Aussage bestimmt?" (TuE I, S. 27).

c. Die tiefenpsychologische Interpretation als L�sungsmodell:

Diese Methode findet er in der tiefenpsychologischen Interpretation. Ausgehend von der Psychoanalyse Sigmund >Freuds und vor allem von der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs versucht er, eine "Transformation der historisch-kritischen Exegese" herbeizuf�hren und die Schriftauslegung "vom Kopf wieder auf die F�sse zu stellen" (TuE I, S. 15 f.). Dazu dienen ihm insbesondere Freuds Traumdeutung und Jungs Archetypentehre. "Mit dem Traum, nicht mit dem Wort ist zu beginnen", heisst ein programmatischer Satz Drewermanns (TuE I, S. 92). Und weiter:

"... es ist deutlich, dass wir im Grunde eine vollst�ndige Umkehrung der bisherigen Sichtweise der historisch-kritischen Methode anstreben. Vor allem die zentrale Bedeutung des Traumes f�r die Religion gilt es jetzt als erstes unter Beweis zu stellen, denn sie stellt f�r Exegeten historisch-kritischer Provenienz zweifellos zun�chst eine vollkommen bizarre Hypothese dar" (TuE I, S. 100).

Mit dem Argument, dass die Religion fr�her sei als die Sprache, die tr�umende Imagination fr�her als das begriffliche Denken, wendet sich Drewermann gegen die "Logozentrik der Exegese" (Wortzentriertheit der Auslegung) und m�chte "den Traum zur Grundlage aller weiteren Betrachtungen" erheben. Denn aus dem Traum ...

"entwickelt und versteht sich der Mythos, aus ihm das M�rchen und, an der Grenze zum Historischen, die Sage und Legende" (TuE I, S. 16 f.).

Der Traum steht somit am Anfang, nicht das Wort. Der Traum ist der Ursprung des inneren Erlebens, wie es sich in den Urbildern und Symbolen aller Menschen, V�lker und Religionen, den "Archetypen", niederschl�gt. Im Traum verbindet sich das "kollektive Unbewusste", das allen Menschen gemeinsam ist, mit dem individuellen Unbewussten. Die Traumpsychologie bildet somit f�r Drewermann den "Universalschl�ssel zum Verst�ndnis aller wichtigen religi�sen Ph�nomene" (TuE I, S. 100). Die durch den Traum vermittelten Symbole, Urbilder und Gef�hle sind wichtig f�r den Selbstwerdungsprozess des Menschen, die Individuation. Sie dr�cken menschliche Grundbefindlichkeiten aus wie Leid und Freude, Leben und Tod, Krankheit und Heilung, das Verh�ltnis der Generationen und der Geschlechter usw. Nach C. G. Jung ist es z.B. wichtig, den "Schatten" (die abgelehnten negativen Bestandteile der eigenen Pers�nlichkeit) zu integrieren, das "Selbst" als das Ziel einer ganzheitlichen Personalit�t auszubilden sowie "Animus" und "Anima" als die andersgeschlechtlichen M�glichkeiten in der Person zu entdecken.

An einem Beispiel soll die Anwendung tiefenpsychologischer Prinzipien auf die Bibelauslegung bei Eugen Drewermann verdeutlicht werden. Wenn in Johannes 21,1-14 berichtet wird, dass den J�ngern am See Genezareth der auferstandene Christus am Ufer stehend erscheint, so handelt es sich nach Drewermanns Auffassung um einen "Visionsbericht" (TuE II, S 396), also nicht (oder nicht prim�r) um ein �u�eres Geschehen, sondern um einen Heilungsprozess in der Seele der J�nger. Drewermann f�hrt aus: "Religionspsychologisch kann ... die Erscheinung Christi oder des 'Engels Gottes' oder der MutterGottes nicht anders erfolgen, als dass in der menschlichen Seele Kr�fte angesprochen werden, die ein entsprechendes Gestaltbild hervorrufen ... Wenn sich ein Mensch seelisch in einer gro�en Krise befindet, etwa vor dem drohenden Ausbruch einer Psychose, so kann es sein, dass zu seiner Gesundung wie von selbst aus dem Unbewussten Bilder und Vorstellungen aufsteigen, die wortw�rtlich 'vom anderen Ufer' her Gegenkr�fte zu der bisherigen Bewusstseinseinstellung freisetzen ... Was den J�ngern inmitten des Gef�hls der Lebensleere, der Aussichtslosigkeit, der Haltlosigkeit und der Sinnlosigkeit 'erscheint', ist, psychologisch betrachtet, das Gegenbild ihrer selbst � die Wesensgestalt einer nie geahnten, nie gelebten Menschlichkeit, die in ihnen angelegt ist und zumindest infolge des Leids ihrer Verleugnung nur darauf wartet, entdeckt zu werden" (TuE II, S. 402 f.). In dieser Art, biblische Erz�hlungen symbolisch und psychologisch aufzufassen, geht Drewermann auch an die Bibel insgesamt heran.

d. Wiederentdeckung der Mythen in den verschiedenen Religionen:

Da f�r Drewermann der Traum und die daraus hervortretenden Archetypen als Symbole des kollektiven Unbewussten allen Kulturen und Religionen gemeinsam zueigen sind, stellen sie auch das Bindeglied zwischen den Kulturen und Religionen dar. Die schriftgewordenen B�cher und Lehren sind nun zweitrangig. Ihre trennende Wirkung ist zuende, wo Menschen sich mit ihren Tr�umen, Gef�hlen und Symbolen begegnen. Die unterschiedlichen religi�sen Erfahrungen, Mythen, Sagen, M�rchen und Legenden haben einen gemeinsamen Kern in der Seelengeschichte der Menschheit. Drewermann fordert eine "typologische Hermeneutik der Geschichte", verbunden mit einer "archetypischen Hermeneutik der menschlichen Psyche" (TuE I, S. 66). Der Absolutheitsanspruch irgendeiner Religion ist f�r ihn ein �berbleibsel aus seelenlosen Zeiten einer rationalistischen Worth�rigkeit, ein Anachronismus im erstrebten Zeitalter des universalen Friedens und der Harmonie.

Drewermann f�hrt aus: "Nur in den Archetypen und in den Gef�hlen liegt das Einende und das Verbindende zwischen den Kulturen und Religionen aller Zeiten und Zonen, w�hrend die Sprache, die Ratio, die Kategorientafel der moralischen Wertsetzungen sich als sehr zeitgebunden und voneinander trennend erweist. Auch die Religion, in Gedanken gefasst, ist je nach Volk und Kulturkreis verschieden, aber ihre Wahrheit, niedergelegt und dargestellt in ihren ebenso verh�llenden wie enth�llenden Riten und Symbolen, ist �berall die gleiche. In allen Menschen lebt ein unbewusstes Wissen um ein Absolutes, das in allen Menschen gegenw�rtig ist und aus dem alles Bewusste hervorgeht, und nur auf dieser Ebene des Archetypischen ist eine hermeneutische Verbindung �ber die zeitliche Distanz von Jahrtausenden hinweg denkbar und m�glich? (TuE I, S. 71).

Drewermann geht es also darum, keine Religion gegen�ber der anderen abzuwerten oder gar als "heidnisch" zu bezeichnen, sondern die in allen Religionen und Kulturen verborgenen Sch�tze zu heben, die sich in den Tr�umen, Archetypen, Symbolen, Mythen, M�rchen usw. offenbaren. Er untersucht z.B. abendl�ndische und orientalische M�rchen, indische, �gyptische, griechische, r�mische und germanische Mythen sowie biblische Stoffe auf ihren tieferen, symbolisch verschl�sselten Wahrheitsgehalt. Dabei gelangt er sogar zu einer positiven Wertung von Okkultismus, Schamanismus und Magie, indem er deren Inhalte und Praktiken als innerpsychische Vorg�nge deutet. So kommen nach seiner Ansicht spiritistische Beschw�rungsriten einer "k�nstlichen Herabsetzung des Bewusstseins" gleich, und die "�Unterwelt`, der die Ahnengeister entsteigen, ist deutlich genug als das Unbewusste der betreffenden Person zu erkennen" (TuE I, S. 119). "Feen und Hexen, Engel und D�monen, G�tter und Teufel" seien "die abgespaltenen, zum wachen Bewusstsein bisher nicht zugelassenen Teile der Seele in personifizierter Gestalt, gewisserma�en der Jungsche "Schatten", der im Traum hervortritt. "Nicht selten lassen sich in den Geistern und D�monen �berh�hte Nachfahren der Vater- oder Mutterimago erkennen, in denen die Kleinheit und Ohnmacht des fr�hkindlichen Ichs auf das krasseste zu der �berm�chtigen Allgewalt der Elterngestalten kontrastiert", meint Drewermann (TuE I, S. 121 f.). Magie sei "gewisserma�en nur die praktische Darstellung des Traumerlebens, das Streben der Seele nach �bereinstimmung zwischen innerer und �u�erer Wirklichkeit" (TuE I, S. 127 ff.). Schamanen agieren ihre Heiltr�ume aus, um die Kranken darin einzubeziehen (TuE I, S. 130). Nicht nur der christliche Glaube, sondern auch die anderen Religionen werden auf diese Weise in Drewermanns tiefenpsychologische Deutung einbezogen und mittels der Archetypentehre miteinander vermischt.

Was ist nun nach Drewermann das spezifisch Christliche? Es ist das Prinzip der Personalit�t, die �berwindung der Angst durch Vertrauen, das erm�glicht wird, indem ein personaler Gott dem Menschen frei gegen�bertritt:

"Was die biblische Theologie vom Mythos unterscheidet, ist die wichtige Entdeckung der Personalit�t und Individualit�t des G�ttlichen ebenso wie jedes einzelnen Menschen; aber nur, wenn diese Entdeckung die Welt der archetypischen Bilder in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche integriert und nicht verdr�ngt, bewahrt sie ihre Menschlichkeit und Wahrheit" (TuE I, S. 138).

Mit der geschichtlichen Gestalt Jesu von Nazareth verbinden sich die Archetypen aus den Mythen der Menschheitsgeschichte, etwa der "schon um 2.600 vor Christus" bekannte Begriff "Gottessohn" (WEG, S. 422). Es erfolgt eine Synthese von Kollektivem und Individuellem. Diese Synthese ist es, die nach Drewermann "das individuelle Bewusstsein davor bewahrte, in psychotischer bzw. mythischer Weise von den Inhalten des Unbewussten �berschwemmt zu werden ... Umgekehrt verband es das Individuelle unaufl�slich mit den Inhalten des Unbewussten und wirkte daher auf das Intensivste einer unfruchtbaren Isolation des Bewusstseins entgegen" (SdB III, S. 532). Von dieser Erfahrung der Personalit�t und Individualit�t her ist nach Drewermanns Ansicht eine Erneuerung der Mythen auf einer h�heren Stufe der Entwicklung m�glich. Daraus erfolgt ein neuer Zugang zu einer "Theologie und Ethik der Natur".

e. Eine neue Theologie und Ethik der Natur:

Eine neue Theologie und Ethik der Natur darf nach Drewermann zwar vom christlichen Prinzip der Personalit�t bestimmt sein, aber nicht dem j�disch-christlichen Anthropozentrismus verfallen, der seiner Meinung nach zur gegenw�rtigen Umweltzerst�rung gef�hrt hat. Der Mensch darf nicht mehr als die Mitte und das Mass aller Dinge gelten. Drewermann fordert eine "gelebte Mystik der Natur", die darauf verzichtet, "die Natur s�ndig zu sprechen und die Nat�rlichkeit des Menschen zu unterdr�cken" (Kleriker, S. 740). Statt ein bisschen Umweltschutz erstrebt er "eine weit grundlegendere religi�se Neubesinnung, die mit dem bisherigen j�disch-christlichen Anthropozentrismus bricht und zu einem Einheitsdenken, zu einem religi�sen Welterleben zur�ckfindet, das in der abendl�ndischen Geistesgeschichte stets als unchristlich, ja als quasi pantheistisch oder gottlos bek�mpft wurde" (TF, S. 109). Dieses Einheitsdenken findet er in den Naturreligionen, insbesondere in den indianisch-schamanistischen Stammesriten.

f. Individuelle Autonomie statt vorgegebener Autorit�t:

Drewermanns Mystik der Natur ist unl�sbar verbunden mit der Mystik der menschlichen Seele als Teil der Natur, in der sich ebenfalls das G�ttliche findet. Diese Verg�ttlichung der menschlichen Seele f�hrt unmittelbar zum Postulat individueller Autonomie und zum Widerspruch gegen alle von au�en kommenden "�ber-Ich-Strukturen?, etwa in Gestalt einer kirchlichen Hierarchie. In seinem 1989 ver�ffentlichten Buch "Kleriker" hat Drewermann in bei�ender Sch�rfe das �mter- und Moralsystem der katholischen Kirche, aber auch die traditionelle christliche Ethik allgemein angegriffen. Das Grund�bel des Menschen ist nach Drewermann die Angst. Alles, was die Angst verst�rkt, muss gemieden, alles, was das Vertrauen st�rkt, hingegen gef�rdert werden. Ein festgef�gter Sittenkodex ist nach Drewermanns Ansicht mit der neuen Existenzform des Vertrauens und der Angstfreiheit unvereinbar, da er angstverst�rkend wirkt: "Die Kirche sollte lernen, dass es Verst�ndnis geben muss f�r menschliche Irrungen und Wirrungen und nicht gleich die Wertung: Gut und B�se, S�nde und Tugend" (WEG, S. 234). S�nde ist nach seiner Ansicht nicht als moralische Verfehlung auffassen, sondern als Existenzverfehlung. Sie kann nicht durch Bestrafung, sondern nur durch Vertrauen �berwunden werden. Um dies zu erreichen, m�sse der Mensch aber von allen moralistischen Forderungen verschont werden, auch in Gestalt biblischer Gebote. Dementsprechend f�hrt er aus: "Es w�re n�tig, allen 'anklagenden Gebrauch' (allen 'usus elenchticus') aus dem Gotteswort zu entfernen ... Jedes Wort der Bibel m�sste so lange gepr�ft werden, bis es verr�t, was es zum Verst�ndnis, zur Bes�nftigung und zur Beseitigung der menschlichen Daseinsangst beitragen kann; und ehe dies nicht wirklich verstanden ist, sollte man kein Wort eines Propheten oder Gottesmannes in noch au�erhalb der Bibel f�r von Gott beglaubigt halten" (TuE II, S. 33).

3. Kritik

a. Die Reduktion der Theologie zur Anthropologie:

Trotz seiner Kritik am j�disch-christlichen Anthropozentrismus vertritt Drewermann auf seine Weise ein anthropozentrisches Weltbild. Seine Theorien kommen vom Menschen her und zielen auf den Menschen hin. Sie drehen sich ganz um den Menschen. "Gott" ist nur ein Postulat, das dazu dient, dass der Mensch seine Angstfreiheit verwirklichen kann. Damit aber wird Theologie zur Anthropologie reduziert. F�r Drewermann ist das Objekt des Vertrauens austauschbar. Es muss nicht Gott, sondern es k�nnen auch die G�tter oder ein Mensch, ja es kann sogar das Vertrauen auf die Kraft des eigenen Vertrauens sein. Entscheidend ist f�r Drewermann nicht, wem ich vertraue, sondern dass ich vertraue. So schreibt er, dass "das Vertrauen selber eine g�ttliche Macht" sei und dass "der Glaube an sich Angst als solche zu �berwinden vermag" (TuE II, S. 136.208). Nach biblischer Lehre ist es aber nicht entscheidend, dass ich vertraue, sondern wem ich vertraue: dem einen wahren, lebendigen Gott oder den vielen falschen G�ttern. Vom lebendigen Gott allein kommt Hilfe. Deshalb heisst es in der Heiligen Schrift:

"Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat" (Ps 124,8).

Und:

"In der Angst rief ich den HERRN an; und der HERR erh�rte mich und tr�stete mich. Es ist gut, auf den HERRN zu vertrauen und sich nicht auf Menschen zu verlassen" (Ps 118,5.8).

Drewermanns Ansatz ist innerpsychisch und nicht theologisch. Er kommt von der menschlichen Selbsterfahrung und nicht von der Offenbarung eines au�erhalb vom Menschen existierenden Gottes her. Daher argumentiert er mit dem Begriffspaar "Angst und Vertrauen", aber nicht mit "S�nde und Gnade" oder "Gesetz und Evangelium" wie die Reformatoren, mit denen er von bestimmten Kreisen immer wieder verglichen wird. Es ist nur folgerichtig, wenn Drewermann von seinem anthropozentrischen und letztlich immanenten Ansatz her Jesus nur als faszinierenden Menschen, aber nicht als Gottes Sohn im metaphysischen Sinn betrachtet: Jesus sei "als Mensch gezeugt und geboren wie jeder andere Mensch auch" (WEG, S. 438). Er sei ein Helfer, ein Heiler, ein Schamane, der durch seine integrative Gestalt und annehmende Haltung den einzelnen zur �bereinstimmung mit sich selbst f�hre (vgl. TuE II, S. 89). Wir fragen: Wenn Jesus nicht mehr ist, wie kann er dann dem Menschen wirklich helfen? Ist dann Erl�sung nicht Illusion? Bleibt dann der Mensch nicht in dem vergeblichen Bem�hen um Selbsterl�sung in sich gefangen?

b. Die Aufl�sung der biblischen Fakten in Symbole:

Biblische Aussagen von einem metaphysisch geschehenen Sch�pfungs- und Erl�sungshandeln Gottes werden von Drewermann immanent-psychologisch umgedeutet. Biblische Ereignisse und Fakten werden als Mythen und Symbole aufgefasst. Eine innerpsychisch zu ermittelnde "Wahrheit" wird von der "Wirklichkeit" des Berichteten abgetrennt und die "Wirklichkeit" nach ihrer historisch-kritischen Aufl�sung als irrelevant beiseite gestellt. Hier fragen wir kritisch zur�ck: Ist eine solche Wertung der biblischen Begriffe und Berichte als Symbole und Mythen exegetisch richtig? Gibt es eine tiefere Wahrheit losgel�st von der sie vermittelnden Wirklichkeit? Gibt es ein Aktum (Gegenwartsbedeutung) ohne Faktum (historische Verankerung in der Vergangenheit)? Selbst Bultmann, an den Drewermann ankn�pft, muss zugeben, dass die biblischen Autoren auf der Faktizit�t des von ihnen Berichteten beharren, so etwa Paulus im Auferstehungskapitel 1. Kor 15. Bultmann aus seiner Sicht bezeichnet dies als "fatal" und deutet die Aussagen trotzdem um ("Neues Testament und Mythologie?, KuM I, Hamburg 1948, S. 15 ff.). F�r ihn wie f�r Drewermann sind die biblischen Berichte � insbesondere in bezug auf �bernat�rliche Dinge � ">Mythen". W. >K�nneth weist jedoch in seiner "Theologie der Auferstehung" nach, dass das biblische Denken mythenfeindlich ist � eine Tatsache, die Eugen Drewermann interessanterweise an einer anderen Stelle, n�mlich in seiner Auseinandersetzung mit dem "j�disch-christlichen Anthropozentrismus", selber erw�hnt (vgl. SdB III, S. 521 ff.; Kleriker, S. 732 ff.). Wenn aber das biblische Denken mythenfeindlich ist, dann ist es inkonsequent, die biblischen Berichte als Mythen zu verd�chtigen. Wenn die biblischen Verfasser Worte und Bilder gebrauchen, die an Mythen erinnern, so ist das ein Versuch, die v�llige Andersartigkeit der g�ttlichen Botschaft mit schwachen menschlichen Worten in unsere Sprache zu dolmetschen. "Diese �bersetzungsarbeit aber hat mit einer Entmythologisierung im Sinne Bultmanns nichts zu tun, da die christliche Offenbarung ja alles andere als ein Mythus ist?, betont K�nneth (S. 55). Die Mythenfeindlichkeit der j�disch-christlichen Botschaft wird z.B. an verschiedenen Schriftstellen deutlich ausgesprochen:

"Wir sind nicht ausgekl�gelten Fabeln (griech. mythoi) gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen" (2. Petr 1,16; vgl. 1. Tim 1,4; 4,7; 2. Tim 4,4; Tit 1,14).

c. Die Fraglichkeit der Tiefenpsychologie als Universalschl�ssel zur Erkl�rung von Mensch, Welt und Bibel:

Als Auslegungsraster gebraucht Drewermann die Erkenntnisse der Freudschen Psychoanalyse und der Jungschen Tiefenpsychologie. Aus biblisch-theologischer Sicht allerdings werfen Person und Lehre von Sigmund >Freud und Carl Gustav >Jung eine Reihe von Bedenken auf. Ihr Welt- und Menschenbild tritt an vielen Punkten mit dem biblischen Welt- und Menschenverst�ndnis in Konflikt. Erinnert sei nur an Freuds weltanschaulich-atheistische Denkvoraussetzungen, seine kausalmechanischen Erkl�rungsprinzipien, seinen einseitigen Triebdeterminismus (z.B. die �berbetonung des Sexualtriebs), seine Umdeutung des Gewissens zum "�ber-Ich" und der S�nde zu blo�en "Schuldgef�hlen", seine Behauptung, Gott sei das Produkt einer "kollektiven Neurose" und �hnliches. Zu C. G. Jung s. den betreffenden Artikel.

Die Heilige Schrift sagt in unmittelbarem Kontrast zu Freud, Jung und Drewermann, dass am Anfang das Wort und nicht der Traum war (Joh 1,1). Zwar kann sich Gott auch durch Tr�ume offenbaren, aber wir sollen uns nicht auf Tr�ume verlassen, sondern auf das Wort, das er seinen Boten zu unserem Heil anvertraut hat. So heisst es in Jer 23,25-28:

"Ich h�re es wohl, was die Propheten reden, die L�ge weissagen in meinem Namen und sprechen: 'Mir hat getr�umt, mir hat getr�umt.' Wann wollen doch die Propheten aufh�ren, die L�ge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse �ber ihren Traumen, die einer dem andern erz�hlt, wie auch ihre V�ter meinen Namen verga�en �ber dem Baal? Ein Prophet, der Tr�ume hat, der erz�hle Tr�ume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR."

� Zum religi�sen >Synkretismus, Pantheismus und Okkultismus bei Drewermann die betreffenden Artikel.

d. Die individualistische Anarchie:

In seiner Ethik wendet sich Drewermann gegen alle "�ber-Ich-Strukturen", die der Angstfreiheit und individuellen Autonomie des Menschen im Wege stehen: gegen eine institutionalisierte Kirche, wie er sie im r�misch-katholischen Hierarchie-System erlebt; gegen eine restriktive Ethik und Sexualmoral; gegen eine anklagende Funktion biblischer Gebote. Sicherlich ist seine Kritik in manchen Punkten berechtigt. Eine Kirche kann � wie jedes System � zu einem �berm�chtigen Apparat werden, der dem einzelnen � sprich: seinem individuellen Gewissen � kaum Raum zum Atmen lasst. F�r v�llig verfehlt halte ich Drewermanns Vorschlag, allen "anklagenden Gebrauch" � und damit die g�ttlichen Gebote � aus der Bibel zu entfernen. R�m 7,12:

"Das Gesetz ist heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut."

Seine anklagende Wirkung entfaltet es erst, indem es auf den s�ndigen Menschen trifft. Dabei kann S�nde durchaus � in der Begrifflichkeit von Kierkegaard und Drewermann geredet � als "Existenzverfehlung" verstanden werden. Aber es ist eine Existenzverfehlung in dem Sinne, dass der Mensch an der von Gott gewollten Existenz der liebenden Gemeinschaft mit seinem Sch�pfer vorbeigeht, sich von Gott lossagt und sein eigener Herr sein will, was auch in Kierkegaards Auffassung, aber kaum noch bei Drewermann impliziert ist. Damit aber verf�llt der Mensch � als Folge davon � auch den moralischen S�nden wie Neid, Hass, Eifersucht, �rger, Unzucht usw., die aus der Existenzverfehlung im Sinne der Gottesfeme erwachsen und daher mit dieser unl�sbar verkoppelt sind. Es ist daher Augenwischerei, wenn Drewermann eine immanent-existentialistische Existenzverfehlung an die Stelle von moralischen Verfehlungen setzen und gegen diese ausspielen will. Damit landet er letztendlich beim ethischen >Relativismus und der individualistischen Anarchie. Das zeigt sich etwa bei seiner Stellungnahme zur Abtreibungsproblematik, in der er fast nur die Situation der betroffenen Frauen, aber kaum der vom Tode bedrohten Kinder im Blick hat (WEG, S. 319). Von einem �hnlichen Relativismus sind Drewermanns Aussagen z.B. zur Sexualmoral, zur Homosexualit�t und zur Euthanasie gepr�gt. Nicht Gottes Wort ist hier f�r ihn der Ma�stab, sondern die Lebensumst�nde und das Denken der heutigen Zeit. Sicherlich ist auf die jeweilige Situation individuell einzugehen. Aber wenn nicht mehr Gottes Wille die Grundlage zur Beurteilung der Lage und zur Hilfestellung in der jeweiligen Situation darstellt � woran kann sich der Mensch dann noch halten?

Wenn Gebote wie

"Du sollst nicht t�ten"

oder

"Du sollst nicht ehebrechen"

nicht mehr als verbindlich aufgefasst werden, dann ist bald der Damm zum Chaos und zur Anarchie gebrochen. Nicht umsonst warnt uns die Bibel vor dem "Menschen der Gesetzlosigkeit" (griech. anomia), der am Ende der Zeiten auftreten und die Menschen verf�hren wird, sich von Gottes guten und lebenssch�tzenden Ordnungen loszusagen (vgl. Mt 24,12; 2. Thess 2,1 ff.; 2. Tim 3,1 ff.). Unwillk�rlich stellt sich die Frage: Ist Drewermann einer von denen, die dieser Gesetzlosigkeit den Weg bereiten?

Lit. von E. Drewermann: "Kleriker" = Kleriker. Psychogramm eines Ideals (1989), 4.Aufl. 1992; "SdB" = Strukturen des B�sen. Band I-III: Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer/psychoanalytischer/philosophischer Sicht (1977), 6. Aufl. 1987; "TuE" = Tiefenpsychologie und Exegese. Band I: Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, M�rchen, Sage und Legende; Band II: Die Wahrheit der Werke und Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis, 1984/85; "TF" = Der t�dliche Fortschritt. Von der Zerst�rung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums (1981), 6. Aufl. 1991; "WEG" = Worum es eigentlich geht. Protokoll einer Verurteilung, 3. Aufl. 1992. � Kritisch: L. Gassmann/J. Jange, Was nun, Herr Drewermann? Anfragen an die tiefenpsychologische Bibelauslegung, 1993; L. Gassmann, Was will Eugen Drewermann?, 1998.

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de