Akasha

Klick auf den Kompass öffnet den IndexAkasha-Chronik: hellseherisch wahrgenommenes "Weltenged�chtnis", begegnet v.a. in Theosophie und Anthroposophie.

1. Der Begriff "Akasha" in der Religionsgeschichte

Die Bedeutung des Begriffs "A." (auch "Akascha", "Akasa" u.�. geschrieben; Sanskrit/Pali: akasa = "Raum") ist in der Geschichte der >Religionen und des Okkultismus keineswegs einheitlich. Der Buddhismus z�hlt A. als "Raumelement" zur Gruppe der sechs Elemente: festes, fl�ssiges, erhitzendes, luftiges Element, Raumelement, Bewusstseinselement. Der >Brahmanismus kennt f�nf Elemente. Dabei ist A. das (direkt aus dem Brahman-Atman kommende) Urelement, aus dem seinerseits die anderen Elemente und die Lebewesen hervorgehen: "Aus dem Atman kam der Raum (akasa), aus dem Raum der Wind, aus dem Wind das Feuer, aus dem Feuer das Wasser, aus dem Wasser die Erde, aus der Erde die Pflanzen, aus den Pflanzen Nahrung (anna), aus der Nahrung Samen, aus dem Samen der Mensch (purusa)" (Taittiriya Upanishad). "Es ist das A., aus welchem alle Kreaturen hervorgingen und wohin sie zur�ckkehrten: das A. ist �lter als sie alle, das A. ist das allerletzte Ende" (Khand. Upanishad). Die abendl�ndisch-esoterische Tradition des 19. Jahrhunderts erweitert diese Bedeutung von "A." als "Raumelement" um die Dimension der Zeit. Bei H. P. Blavatsky (1831-1891) und ihrer Theosophie wird A. zur "A.-Chronik", zu einem "raum�therischen Weltged�chtnis" (auch als "Ged�chtnis Gottes" bezeichnet), in dem alle Ereignisse aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gespeichert sind. Durch Hellsehen kann man angeblich Einblick in diese "Weltenchronik" bekommen. Was Blavatsky "A.-Chronik" nennt, hatte der franz�sische Kabbalist und Okkultist Eliphas Levi (Pseudonym des Abb� Alphonse Louis Constant; 1810-1875) schon vor ihr "entdeckt" und als "Astrallicht" bezeichnet. Nach Levis Ansicht "kann der Magier im Astrallicht auch die Gestalten derer hervorbringen, die unsere physische Welt bereits verlassen haben ... Wir rufen die Erinnerungen wach, die sie [die Geister der Verstorbenen; d. Verf.] im Astrallicht hinterlassen haben, welches das gemeinsame Sammelbecken der universalen magnetischen Kraft�u�erungen ist" (R.-H. Laars, Eliphas Levi, o.J., 115.127). Vor Levi wiederum hatte Paracelsus (1493-1541) vom "siderischen Licht" gesprochen: "Das A[strallicht] entspricht dem 'siderischen Licht' von Paracelsus." Gemeint ist "die unsichtbare Region, welche unseren Kosmos umgibt" und "die nur dem hellsichtigen Auge sichtbar ist". In ihm sind "alle Ereignisse der Vergangenheit, Gegenwart und m�glicherweise der Zukunft aufgezeichnet" (H.-E. Miers, Lexikon des Geheimwissens, 1986, 49.14). Eine �hnliche Vorstellung begegnet im 16. Jahrhundert in den kabbalistischen Schriften des M. A. Fano. Dieser spricht von einem "okkulten �ther ... der das Medium sei, durch das die Werke des Menschen bis zum J�ngsten Gericht aufbewahrt werden ... Das vom Talmud erw�hnte 'Buch des Ged�chtnisses', das vor Gott aufgeschlagen liegt, ist also in gewisser Weise eine solche ' Akascha-Chronik�" (G. Scholem, Von der mystischen Gestalt der Gottheit, 1986, 313). Ein Hinweis auf ein solches "Buch der Taten eines Menschen" findet sich tats�chlich an einigen biblischen Stellen (Jes 65,6; Mal 3,16: Dan 7,10; Apk 20,12), aber nie ist davon die Rede, dass ein Mensch hellseherisch in einem solchen Buch lesen k�nnte. Die Leistung von Blavatsky bestand in der Namensgebung und Ausschm�ckung des von Levi �bernommenen. Wie J.W. Hauer darstellt, fand "man" (d. h. die Theosophie) in Indien "den Namen f�r die Weltenchronik � die nebenbei bemerkt keine indische Idee ist � indem man sie mit dem indischen Namen des Welt�thers akasa verband. A.-Chronik hatte einen guten Klang" (J.-W. Hauer, Werden und Wesen der Anthroposophie, 1922, 91).

2. Die anthroposophische Auffassung von der A.-Chronik

R. Steiner �bernahm die Definition der A.-Chronik, die Blavatsky ihr beigelegt hatte. Er sagt: "Alles, was in der sinnlich-physischen Welt geschieht, das hat ja sein Gegenbild in der geistigen Welt ... Nehmen wir an, es l�sst der Geistesforscher den Blick zur�ckschweifen bis zu Karl dem Grossen oder bis in die r�mische Zeit oder in das griechische Altertum. Alles, was da geschehen ist, ist seinen geistigen Urbildern nach durch Spuren erhalten geblieben in der geistigen Welt und kann dort geschaut werden. Dieses Schauen ... nennt man das `Lesen in der A.-Chronik"' (Steiner-GA 112,28). �ber den Vorgang des "Schauens" bzw. "Lesens in der A.-Chronik f�hrt F. Rittelmeyer folgendes aus: "Eine Schlacht C�sars wird also nicht wie von einem k�rperlichen Zuschauer von au�en mit angeschaut, sondern von der Seele C�sars aus miterlebt und von da in ihrem �u�eren Verlauf rekonstruiert. Darum hat Rudolf Steiner, wenn er in eine geschichtliche Zeit eindringen wollte, seinen Ausgang meist genommen von irgendeinem Ereignis, das starke seelische Erlebnisse mit sich brachte. In bezug auf die christlichen Urgeschehnisse ging er zum Beispiel aus von dem Pfingsterlebnis und suchte von da aus in der Erinnerung der J�nger sich allm�hlich zur�ckzutasten, wobei er manchmal an Punkte kam, an denen er dann nicht oder lange nicht weiterkam" (Theologie und Anthroposophie, 1930, 115). Von dieser Vorgehensweise aus ergibt sich die Grundhaltung Steiners gegen�ber der Bibel und anderen "Urkunden": "Und wenn der Geistesforscher ihnen die Ereignisse von Pal�stina oder die Beobachtungen des Zarathustra beschreibt, so beschreibt er nicht das, was in der Bibel, was in den Gathas steht, sondern er beschreibt, was er selbst in der A.-Chronik zu lesen versteht. Und dann wird eben nachgeforscht, ob das, was in der A.-Chronik entziffert worden ist, sich auch in den Urkunden, in unserm Falle in den Evangelien, findet" (112,28). Es ist also "gegen�ber den Urkunden ein v�llig freier Standpunkt, den die Geistesforschung einnimmt". Gerade darum aber wird die A.-Chronik nach Meinung Steiners "die eigentliche Richterin sein �ber das, was in den Urkunden vorkommt". Wenn dem Geistesforscher "in den Urkunden das gleiche entgegentritt", was er "in der A.-Chronik selbst zu verfolgen in der Lage" ist, dann ergibt sich f�r ihn, "dass diese Urkunden wahr sind, und ferner, dass sie jemand geschrieben haben muss, der auch in die A.-Chronik zu schauen vermag". "Viele der religi�sen und anderen Urkunden des Menschengeschlechtes" will die Anthroposophie auf diese Weise wiedererobern (112,29f). So gelangt Steiner sogar zu der Aussage: "W�ren durch irgendeine Katastrophe alle Evangelien verlorengegangen, so k�nnte trotzdem alles gesagt werden, was in der Geisteswissenschaft �ber den Christus gesagt wird" (117,106f).

3. Empirische Kritik der A.-Chronik

3.1. Die fehlende Nachpr�fbarkeit der "Schauungen":

Der Religionswissenschaftler J. W. Hauer wies zu Lebzeiten Steiners (im Jahr 1922) auf folgende Beweism�glichkeit f�r die Richtigkeit der Schauungen aus der A.-Chronik hin: "Steiner soll sich irgend ein noch unaufgehelltes Gebiet der Geschichte w�hlen und dieses aus der Akaschachronik erforschen. Nur muss es ein solches sein, das auf der irdischen Ebene noch so viel Spuren hinterlassen hat, dass eine zweifelsfreie Nachpr�fung auf dem Wege des gew�hnlichen Wahrnehmens und Denkens m�glich ist. Eine Kommission von ihm selbst genannter M�nner, die auf dem betreffenden Gebiete anerkannte Autorit�ten sind, aber keine Anthroposophen sein d�rfen, soll die Entscheidung f�llen, ob seine Angaben stimmen oder nicht" (Werden und Wesen der Anthroposophie, 1922, 94). Steiner hat diese Beweism�glichkeit f�r seine Schauungen nicht ergriffen. Seine Weigerung versucht er folgenderma�en zu erkl�ren: "Nun k�nnte jemand, der in solchen Dingen nicht bewandert ist, sagen: Wenn ihr uns erz�hlt von vergangenen Zeiten, so glauben wir, dass das alles nur Tr�umerei ist. Denn ihr kennt aus der Geschichte, was der C�sar getan hat und glaubt dann durch eure m�chtige Einbildung irgendwelche unsichtbaren A.-Bilder zu sehen. � Wer aber in diesen Dingen bewandert ist, der weiss, dass es umso leichter ist, in der A.-Chronik zu lesen, je weniger man dieselben Dinge aus der �u�eren Geschichte kennt. Denn die �u�ere Geschichte und ihre Kenntnis ist geradezu eine St�rung f�r den Seher" (112,29f.). Daher sei es dem, "der in diesen Sachen bewandert ist", am allerliebsten, wenn er "von l�ngst vergangenen Entwickelungsstadien unserer Erde sprechen" k�nne. Dar�ber n�mlich gebe es "keine Urkunden". Da berichtet die A.-Chronik "am allertreuesten, weil man am wenigsten dabei durch die �u�ere Geschichte gest�rt" werde (112,31). Als eigentliches Forschungsgebiet der A.-Chronik nennt Steiner also weit in der Vergangenheit (oder in der Zukunft) liegende Ereignisse, von denen keine Urkunden vorhanden sind. Damit zieht er sich auf ein entlegenes Territorium zur�ck, das durch �u�ere Daten weder widerlegt noch bewiesen werden kann. Doch selbst von diesen "Epochen", die als bevorzugtes Forschungsgebiet der A.-Chronik gelten, kann Steiner nur "Einzelbilder" vermitteln und eine "Schilderung in weniger scharfen Begriffen" geben (601,160). Seine Beobachtung der "Mondenentwickelung" etwa liefert "gar nicht etwas in so scharfen und bestimmten Umrissen, wie sie die Erdenwahrnehmungen zeigen". "Man hat es bei der Mondenepoche gar sehr mit wandelbaren, wechselnden Eindr�cken, mit ,schwankenden, beweglichen Bildern zu tun und mit deren �berg�ngen" (ebd). Spricht Steiner bei weit entfernten Zeitr�umen von "schwankenden, beweglichen Bildern", so wird er, je n�her es an die auch "�usserlich" erfassbare � und �berpr�fbare! � Geschichte herangeht, um so zur�ckhaltender. Hier erw�gt er sogar die M�glichkeit von "St�rungen " � und damit von Irrt�mern beim Schauen. Die Schuld daf�r schreibt er der Ablenkung durch die Kenntnis der "�u�eren Geschichte" zu, die somit geradezu in Konkurrenz zum Lesen der A.-Chronik tritt. Der Zunahme �u�erer Daten entspricht die Abnahme der M�glichkeit zur hellseherischen Schau. Eine wissenschaftliche Nachpr�fung der Mitteilungen aus der A.-Chronik ist somit nicht nur unm�glich, sondern widerspricht auch Steiners eigener Argumentation. Sie scheidet � ebenso wie eine systemimmanente Beurteilung aus. Was bleibt, ist die M�glichkeit, die Schauungen derer, die den Steinerschen � oder einen ihm entsprechenden � Erkenntnisweg gegangen sind, zu �berpr�fen � nicht anhand von �u�eren Daten, sondern indem wir sie untereinander vergleichen.

3.2. Die Widerspr�che der "Schauenden" untereinander:

Wie Steiner schreibt, will er in dieselbe "Geisterwelt" eindringen, die schon "der Mystiker, der Gnostiker, der Theosoph" gekannt haben (600,13). Er will an alte Einweihungswege ankn�pfen. Steiner behauptet, dass die "Mitteilungen, die aus solchen geistigen Quellen stammen, nicht immer v�llig", aber doch "im wesentlichen" �bereinstimmen: "Die Eingeweihten schildern zu allen Zeiten und allen Orten im wesentlichen das Gleiche" (616,17f; Hi0). Trifft diese Aussage zu? Wir beschr�nken uns auf einen Vergleich zwischen theosophischer und anthroposophischer Schau. Beide Str�mungen erheben den Anspruch, aus der A.-Chronik zu lesen, und doch finden sich zwischen ihren Schauungen auffallende Widerspr�che � gerade im Wesentlichen, n�mlich im Verst�ndnis des Christus. Der Anthroposoph J. Hemleben dr�ckt es so aus: "Die entscheidende Differenz, die in den Jahren 1912/13 zum endg�ltigen Bruch mit der indisch-angels�chsischen Theosophie f�hrte, lag in Steiners Stellung zum Christentum. Bei aller, zeitweise radikalen Ablehnung der historischen Formen und Dogmen der Kirchen, hat er Zeit seines Lebens ... in Jesus Christus und dem `Ereignis von Golgatha' das zentrale Geschehen der Erd- und Menschheitsgeschichte gesehen. Diese Sicht war den Theosophen wie Helena Petrowna Blavatsky, Annie Besant und H. S. Olcott fremd" (J. Hemleben, Rudolf Steiner, 1983, 80). Die Theosophen sahen in einer "allgemeinen Synthese aller Religionen und ihrer gleichberechtigten Wahrheiten" ein "hohes Ideal". F�r die "Einmaligkeit", die in der "Erscheinung des Gottessohnes Christus im Menschen Jesus von Nazareth auf Erden" gelegen ist, bestand bei ihnen "kein Verstehen und keine Anerkennung". Statt dessen proklamierte Annie Besant den Hinduknaben >Krishnamurti als die "Reinkarnation Christi" (ebd.). H�tten die "Eingeweihten" "zu allen Zeiten und allen Orten" wirklich "im wesentlichen das Gleiche" in der A.-Chronik lesen k�nnen, so h�tte es zu einem solchen gravierenden Widerspruch � und damit zur Trennung Steiners von der Theosophischen Gesellschaft � nie kommen d�rfen. Hier bleibt nur die Alternative, entweder der theosophischen oder der anthroposophischen Schau zu vertrauen. Nur eine Richtung � wenn �berhaupt � kann recht haben (oder keine von beiden!). Wo aber ein solcher Glaube an die Schauenden gefordert wird, ist das Gebiet der wissenschaftlichen Nachpr�fbarkeit verlassen.

3.3. Die Beeinflussung der Hellseher durch die historische und kulturelle Situation:

Wie kommt es nun zu solchen Widerspr�chenzwischen den verschiedenen Schauenden? Hemleben gibt folgende Erkl�rung: "In diesem Zusammenhange muss gesehen werden, dass die Theosophische Bewegung ihr Hauptquartier in Adyar bei Madras (Indien) hatte und prim�r aus orientalischen Quellen sch�pfte. Rudolf Steiner ehrte den Osten, aber eine L�sung der Probleme des Westens erwartete er nicht von ihm." Zu deren L�sung "wird eine Kraft ben�tigt die aus diesem Geiste des Abendlandes selbst gewonnen ist" (ebd., 80ff.). Die Widerspr�che r�hren also von den unterschiedlichen Traditionen her, in denen die Schauenden stehen: die Theosophie mehr in der orientalischen (hinduistischen und buddhistischen), Steiner mehr in der abendl�ndischen (j�disch-christlichen) Tradition. Aus dieser Feststellung ergibt sich als weitere Konsequenz: Die jeweilige Tradition � das heisst: der kulturelle und historische Hintergrund � des Schauenden beeinflusst ma�geblich die Inhalte seiner Schauungen. So erweist sich Steiners Behauptung, der Hellseher w�rde von der "verg�nglichen Geschichte" zur "unverg�nglichen" bzw. zum "Ewigen" vordringen (616,16f.), als falsch. Es ist sehr wohl die verg�ngliche Geschichte, an die er ankn�pft und die ihm Art und Inhalt seiner Schauungen diktiert, n�mlich seine eigene Zeit und Umwelt und auch die bereits vorhandene esoterisch-okkulte Literatur der jeweiligen Tradition. In seinen Schilderungen mit dem Titel "Aus der A.-Chronik" nennt Steiner gleich im Vorwort selbst seine Quelle, von der er ausgeht und zu der er "Erg�nzungen" bringt: "Dass der Meeresboden des Atlantischen Ozeans einstmals Festland war, dass er durch etwa eine Million von Jahren der Schauplatz einer Kultur war, die allerdings von unserer heutigen sehr verschieden gewesen ist: dies, sowie die Tatsache, dass die letzten Reste dieses Festlandes im zehnten Jahrtausend v. Chr. untergegangen sind, kann der Leser in dem B�chlein 'Atlantis, nach okkulten Quellen, von W. Scott-Elliot' nachlesen. Hier sollen Mitteilungen gegeben werden �ber diese uralte Kultur, welche Erg�nzungen bilden zu dem in jenem Buch Gesagten" (616,18). W�hrend bei Scott-Elliot "mehr die Au�enseite, die �u�eren Vorg�nge bei diesen unseren atlantischen Vorfahren geschildert werden", soll bei Steiner "einiges verzeichnet werden �ber ihren seelischen Charakter und �ber die innere Natur der Verh�ltnisse, unter denen sie lebten" (ebd.). Wer war W. Scott-Elliot? Im "Lexikon des Geheimwissens" von H.E. Miers (1986, 366) findet sich folgende Charakterisierung: "Scott-Elliot. W, neben Jules Verne einer der ersten Science-Fiction-Schriftsteller; von ihm stammen die Vorlagen, aus denen Annie Besant, Leadbeater und R. Steiner die Einzelheiten �ber Rassen, Atlantis und Lemuria gesch�pft haben." In seinem erstmals im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erschienenen Buch "Atlantis nach okkulten Quellen" hatte Scott-Elliot z.B. die F�higkeit der "atlantischen Luftfahrzeuge" folgenderma�en beschrieben: "Die Flugh�he belief sich nur auf einige 100 Fu�, so dass, wenn hohe Berge in der Fluglinie lagen, die Richtung gewechselt und der Berg umfahren werden musste." Steiner kennzeichnet in seinem 1904 verfassten Aufsatz mit dem Titel "Unsere atlantischen Vorfahren" die F�higkeit der atlantischen Luftfahrzeuge so: "Diese Fahrzeuge fuhren in einer H�he, die geringer war als die H�he der Gebirge der atlantischen Zeit, und sie hatten Steuervorrichtungen, durch die sie sich �ber diese Gebirge erheben konnten" (616,22f). W�hrend Scott-Elliots Atlantier die Berge umfahren mussten, k�nnen sie sich bei Steiner �ber sie erheben. Dieser Widerspruch ist im Rahmen der A.-Forschung unerkl�rlich; er l�st sich aber auf, wenn wir den Blick weg vom Geschilderten und hin auf die Verfasser richten. Zur Zeit von Scott-Elliot gab es lediglich Hei�luftballons, die relativ unbeweglich waren und deren Insassen bef�rchten mussten, an pl�tzlich auftauchenden hohen Bergen zu zerschellen. Ein Jahr, bevor Steiner seinen Aufsatz schrieb, hatten hingegen die Gebr�der Wright mit ihrem Doppeldecker "Flyer" die ersten Motorfl�ge durchgef�hrt, bei denen Steuervorrichtungen jede gew�nschte Richtungs�nderung � sowohl horizontal als auch vertikal � rasch erm�glichten. Die Schau des Hellsehers ist somit- wie auch J. W. Hauer (ebd., 92) schreibt � "in der Richtung fortgeschritten ... in der die technische Entwicklung seiner eigenen Zeit fortgeschritten ist. Einen schlagenderen Beweis f�r die Beeinflussung des Hellsehers durch seine Umgebung kann es kaum geben"". Diese Tatsache aber ist f�r Hauer wie f�r uns "der st�rkste Anlass zum Zweifel an der Wirklichkeit der Akaschachronik, oder doch wenigstens an der F�higkeit der theosophischen und anthroposophischen Hellseher, diese Weltenchronik zu lesen". Wie Hauer sind wir "geneigt, anzunehmen, dass es sich � wenn �berhaupt Erlebnisse der Art vorliegen � um Suggestionserlebnisse hellseherischer Naturen handelt, die zu ihren Erleuchtungen durch die ... Hingabe an die `Offenbarungen' des Elliotschen Buches (und anderer Schriften; d. Verf.) gekommen sind".

4. Biblisch-theologische Kritik der A.-Chronik

Hierzu betrachten wir noch etwas n�her, wie das "Lesen in der A.-Chronik" abl�uft. Wir erinnern uns an Rittelmeyers Beschreibung: Um Ereignisse der Vergangenheit zu erforschen, versetze sich der Hellseher in die "Seele" der damals Beteiligten und taste sich � ausgehend von Ereignissen, die "starke seelische Erlebnisse" mit sich brachten � immer weiter in deren "Erinnerung" zur�ck. "Eine Schlacht C�sars wird ... von der Seele C�sars aus miterlebt", und das Leben Jesu vom "Pfingsterlebnis" der J�nger her." Steiner selber beschreibt letzteren Vorgang folgenderma�en: "Heute will ich von dem sprechen, was man das Pfingstereignis nennt. Es war f�r mich selber der Ausgangspunkt des F�nften Evangeliums. Den Blick wendete ich zuerst in die Seelen der Apostel und J�nger, die nicht nur nach der Tradition, sondern wirklich versammelt waren zu dem Zeitpunkt des Pfingstfestes ... Es gibt einen ungeheuren, tiefgehenden Eindruck, wenn man so zuerst sieht, wie am Pfingstfeste die Seelen der Apostel zur�ckschauend hinblicken auf das Ereignis von Golgatha. Und ich gestehe, da� ich zuerst den Eindruck hatte, nicht direkt hinblickend auf das Mysterium von Golgatha, sondern schauend in den Seelen der Apostel, wie sie es gesehen hatten, vom Pfingstfeste hin schauend" (148,208f). Was geschieht hier? Steiner beansprucht, Mitteilungen von Menschen zu bekommen, die zum Zeitpunkt seiner Schau l�ngst verstorben sind. Auch wenn er diese Tatsache zu verdecken sucht, indem er behauptet, im Geiste zu den damals lebenden Personen zur�ckzureisen, so handelt es sich faktisch doch um ein Befragen von Totengeistern, d.h. um eine sublime Art von Spiritismus. Durch sein Schauen in die A.-Chronik bzw. in die Seelen von Verstorbenen erweist sich Steiner als ein spiritistisches Medium. Wenn Steiner sich immer wieder gegen den gew�hnlichen Spiritismus, den Bereich "des Aberglaubens, des vision�ren Tr�umens, des Mediumismus" abgrenzt (z. B. in: 600,153 ff), so geschieht das nur insofern, als er diesen Wegen die Bef�higung abspricht, in unserer Zeit wirklich zur Erkenntnis h�herer Welten zu gelangen: "Was aber durch solche Offenbarungen (sc. des gew�hnlichen Spiritismus und Mediumismus) zutage tritt, ist keine �bersinnliche, es ist eine untersinnliche Welt" (600,155; Hi0). Rittelmeyer schreibt: "Rudolf Steiner stand ... wohl direkt �ber den medialen Hellsehern der Vergangenheit und Gegenwart, aber eben um eine ganze Spiralwindung h�her" (Theologie und Anthroposophie, 1930, 115). Der Unterschied zwischen Steiner und den medialen Hellsehern des gew�hnlichen Spiritismus ist somit kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller. Beide beanspruchen, in Kontakt mit den Geistern Verstorbener zu treten, wenn auch auf verschiedenen Wegen. Beide betreiben somit Spiritismus und unterliegen der gleichen Beurteilung. Nach dem Zeugnis des Alten und Neuen Testaments hat Gott jede solche Bet�tigung grunds�tzlich verboten. Befragung von Totengeistern und Hellseherei geh�ren zu den heidnischen Praktiken, durch welche der Mensch die Souver�nit�t Gottes und die Alleing�ltigkeit seiner Offenbarung in Frage stellen und selbst wie Gott sein will. Sie sind Gott ein "Gr�uel" und � als Versto� gegen das erste Gebot � S�nde (vgl. Ex 20,2f; Lev 19,31; 20,6.27; Dtn 18,10ff; Jes 8,19). Das fr�he Christentum hat die schroffe Ablehnung derartiger Praktiken uneingeschr�nkt �bernommen. Die Totenbefragung geh�rt zu den Praktiken der pharmakoi und magoi, die Gott verwirft (Act 13,6.8; Gal 5,20; Apk 21,8; 22,15). Die A.-Chronik kann somit nicht Richterin der Bibel und anderer Quellen sein, da sie keine unfehlbare Instanz ist, die sich �ber diese stellen k�nnte. Weil das angebliche "Lesen" in ihr durch verh�llt-spiritistische Praktiken zustande kommt, widerspricht es dem Zeugnis der alt- und neutestamentlichen Schriften, die solche Praktiken als �bertretung des ersten Gebots und S�nde verwerfen.

S. auch: Neuoffenbarung; Okkultismus; Reinkarnation; Spirituelle Interpretation; Steiner, Rudolf; Anthroposophie; Theosophie; Erkenntnisse h�herer Welten.

Lit.: R. Steiner, Aus der Akasha-Chronik, 1904-1908, TA 616. � Kritisch: L. Gassmann, Anthroposophie, 2000.

Lothar Gassmann


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1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

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