Unter Bekennender Kirche wird traditionell der Teil der ev. Kirche w�hrend des Dritten Reiches (Nationalsozialismus) verstanden, der sich der Gleichschaltung widersetzte und im Gegensatz zu den Deutschen Christen stand. Seit Jahren wird auch immer wieder die Gr�ndung einer neuen Bekennende Kirche diskutiert und es ist auch bereits zu einzelnen Gemeindegr�ndungen in ver-schiedenen L�ndern gekommen.
Die Bekennende Kirche war eine Widerstandsbewegung gegen die politische und neuheidnische �berfremdung der Kirche durch die Deutschen Christen, gegen das von der NSDAP gef�rderte Neuheidentum (A. Rosenberg, Der Mythos des 20. Jahrhunderts) und schlie�lich gegen den weltanschaulich und politisch totalit�ren Staat. Die Entstehung der sich selbst so bezeichnenden Bekennende Kirche, die aus dem kirchlichen Widerstand der jungreformatorischen Bewegung und dem Pfarrernotbund hervorging, verdankt sich diesen Auseinan-dersetzungen, welche als "Kirchenkampf" bezeichnet werden.
Die Auseinandersetzungen gingen anfangs nicht von Hitler und der Partei aus, sondern von der innerkirchlichen Gruppe der Deutschen Christen, die allerdings teilweise (wie z. B. in Preu�en) bereits vor 1933 durch die NSDAP Unterst�tzung fanden. Nach der Macht�bernahme versuchten die Deutschen Christen zielstrebig, die evangelischen Kirchen politisch und weltanschaulich der NS-Ideologie gleichzuschalten. Sie strebten ein arteigenes v�lkisches Christentum an (Verzicht auf AT und "j�dische" Bestandteile des Arierparagraphen, Einf�hrung der Reichskirche und des F�hrerprinzips). Da die Landeskirchen dem zuvorkommen wollten, bereiteten sie die Verfassung einer Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) vor und w�hlten am 27. Mai 1933 Friedrich von Bodelschwingh zum Reichsbischof. Doch auf Druck der Deutschen Christen trat der designierte Reichsbischof einen Monat nach seiner Wahl zur�ck. Die Kirchenwahlen im Juli 1933 brachten, allein schon weil sie Hilfe durch den Staat bekamen, einen gewaltigen Sieg der Deutschen Christen �ber die jungreformatorische Bewegung "Evangelium und Kirche". Der K�nigsberger Milit�rpfarrer Ludwig M�ller wurde Reichsbischof. In fast allen Landeskirchen �bernahmen die Deutschen Christen die Kirchenleitung, au�er in den sog. intakten Kirchen: Hannover, Bayern, W�rttemberg. Eine der einschneidenden Ma�nahmen jener Zeit war die �bernahme des Evangelischen Jugendwerkes, dem etwa 700.000 evangelische Jugendliche angeh�rten, im Dezember 1933 in die Hitlerjugend (HJ). Allgemein wird man sagen k�nnen, da� die kirchliche Gegenwehr unsicher begann. Das braucht nicht zu verwundern, denn viele der Kirchenoberen und des Kirchenvolkes hatten, da sie selbst national und patriotisch eingestellt waren, die nationale Erhebung zun�chst positiv bewertet und meinten, diese auch volksmissionarisch nutzen zu k�nnen. Den ersten kirchlichen Widerstand gab es durch den Pfarrernotbund (alleinige Autorit�t der Heiligen Schrift und der reformatorischen Bekenntnisse), der sich unter der Leitung des Berlin-Dahlemer Pfarrers Martin Niem�ller als Reaktion auf die Einf�hrung des Arierparagraphen durch die Deutschen Christen in den Kirchen formierte und dem sich bereits 1934 etwa 7.000 Pfarrer anschlossen, 40 % aller Pfarrer. Der Widerstand wurde jedoch dadurch erschwert, da� der klare theologische und politische Durchblick fehlte. Etwa gleichzeitig begann auch der Niedergang der Deutschen Christen, den diese durch die Sportpalastkundgebung am 13. November 1933, bei der sie unverhohlen ihre Ziele von einer v�lkischen, vom J�dischen freien Kirche bekannt machten, selbst mitverschuldeten, weil dies desillusionierend wirkte und emp�rte Reaktionen hervorrief, teilweise auch von solchen, die an sich die nationale Erhebung begr��ten. Der Pfarrenotbund und einige Kirchenf�hrer versuchten in einem Gespr�ch mit Hitler am 25. Januar 1934, die Abberufung von Reichsbischof Ludwig M�ller zu erreichen, was jedoch scheiterte. L. M�ller setzte seine Eingliederung in die Reichskirche fort.
Aus Protest erkl�rten sich einzelne Gemeinden innerhalb der Deutschen Christen-Kirchen zusammen mit ihren Pfarrern zu "bekennenden Gemeinden". Der Widerstand war damit vor allem auf die Gemeindeebene verlagert und fand R�ckhalt bei den Kirchengliedern. Im Fr�hjahr 1934 fand sich eine "Interessengemeinschaft" aus Pfarrernotbund, freien Synoden und den Bisch�fen der intakten Landeskirchen (Hannover: A. Marahrens, Bayern: H. Meiser, W�rttemberg: Th. Wurm) zusammen, deren Anliegen der Widerstand auf der Grundlage der Heiligen Schrift und reformatorischer Bekenntnisse gegen die falsche Kirche der Deutschen Christen war. Bei einer Veranstaltung in Ulm am 22. April 1934 sagte sich die kirchliche Opposition erstmalig vom Reichskirchenregiment los und bezeichnete sich als rechtm��ige Deutsche Evangelische Kirche (DEK). Die Reichskirchenleitung habe sich durch ihre politischen Umtriebe und ihre synkretistische Deutschen Christen-Ideologie als illegitime Kirche erwiesen. Mit der Ulmer Erkl�rung wird auch das freikirchliche Konzept verworfen. Die Ulmer Erkl�rung markiert den Beginn der Bekennende Kirche. Die vom 29. bis 31. Mai 1934 tagende Bekenntnissynode in Barmen legte das theologische und rechtliche Fundament der Bekennende Kirche fest. Mit der Barmer Theologischen Erkl�rung mit ihren sechs Thesen und sechs Verwerfungen wurde erstmals seit der Reformationszeit im deutschen Protestantismus eine gemeinsame Stellungnahme zu Wesen und Auftrag der Kirche abgegeben. Au�er dieser theologischen Erkl�rung, die im wesentlichen auf Karl Barth und die Erkl�rung dazu auf Hans Asmussen zur�ckgehen, wurde auch eine Erkl�rung zur Rechtslage angenommen, in welcher festgestellt wurde, der Reichskirchenleitung werde der Anspruch aberkannt, die rechtm��ige Kirchenleitung zu sein. Auf eine politische Stellungnahme wurde verzichtet. Das gewaltsame Vorgehen von L. M�llers Rechtswalter Alfred J�ger, der die Bisch�fe Meiser und Wurm absetzen lie�, bildete den Anlass f�r die zweite Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem am 19./20. Oktober 1934. Diese erkl�rte die Reichskirchenregierung und alle Deutschen Christen-Kirchenleitungen f�r illegitim, installierte das kirchliche Notrecht und erhob den Anspruch, durch die Schaffung eigener Organe selbst die Kirchenleitung zu �bernehmen. Am 20./21. November 1934 bildete sich die erste Vorl�ufige Kirchenleitung der DEK unter Vorsitz von Bischof August Marahrens (Hannover), der aber, obwohl L. M�ller keinen Einflu� mehr hatte, die staatliche Anerkennung versagt blieb. Im �brigen blieben die Ergebnisse von Dahlem, die die radikale Trennung von den Deutschen Christen und allem, was sich nicht der Bekennende Kirche anschlo�, forderten, umstritten und trugen mit dazu bei, da� sich die Bekennende Kirche auf ihrer Synode in Bad Oeynhausen vom 17. bis 22. Februar 1936 spaltete. Die sog. "intakten Kirchen" und die durch deutsch-christliche Kirchenleitungen in die Illegalit�t gedr�ngten Bekenntnisgemeinden gingen fortan getrennte Wege. Selbst das von Bischof Wurm 1941 ins Leben gerufene Einigungswerk, aus dem sp�ter die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hervorging, konnte den Ri�, der durch die Bekennende Kirche ging, bis zum Kriegsende nicht beheben. Da das Dritte Reich immer mehr zum Weltanschauungsstaat wurde, der einen totalen Herrschaftsanspruch stellte, wandelte sich der ideologische Abwehrkampf der Bekennende Kirche gegen ihren Willen deutlicher als vordem zu einem politischen. Dabei hatte die Bekennende Kirche an sich ein loyales Verh�ltnis zum Staat. Die Denkschrift der zweiten Vorl�ufigen Kirchenleitung vom 28. Mai 1936 ist ein klarer Widerspruch gegen die v�lkische Ideologie und gegen das Unrecht des NS-Staates. Teile der Bekennende Kirche distanzierten sich von der Kanzelabk�ndigung der Denkschrift; die ausl�ndische Presse ver�ffentlichte sie.
W�hrend des Zweiten Weltkrieges setzte der NS-Staat seine kirchenfeindlichen Ma�nahmen fort und zielte auf "Entkonfessionalisierung" der Gesellschaft. Er wollte eine organisatorische und personelle Verk�mmerung der Kirche, wozu die Kriegssituation g�nstig schien, in welcher durch Einberufungen den Gemeinden fast 50 % ihrer Pfarrer fehlten. In den Kriegsjahren trat der verbrecherische Zug des NS-Regimes deutlicher als vordem zutage (Judendeportationen, Euthanasie), so da� jetzt Pers�nlichkeiten der Bekennende Kirche mutiger als vorher nicht nur f�r kirchliche, sondern auch f�r allgemein menschliche Belange eintraten: Bischof Wurm protestierte gegen Euthanasie und Judenverfolgung bei Regierungsstellen; Fr. v. Bodelschwingh leistete erfolgreich Widerstand gegen die geplante Euthanasie in Bethel; durch das "B�ro Gr�ber" wurde Juden Hilfe zuteil. Da das NS-Regime sich immer verbrecherischer zeigte, gingen eine Anzahl von Christen trotz starker Gewissenskonflikte (R�m 13, Problem des Tyrannenmordes) in den mehr oder weniger aktiven Widerstand gegen Hitler und sein Regime (z. B. Dietrich Bonhoeffer, mehr passiv Kurt Gerstein, der Jesuitenpater Alfred Delp).
Die Bekennende Kirche verstand sich als in den Kampf um die Kirche gestellt. Sie setzte sich f�r Wesen und Auftrag der Kirche ein, als der NS-Staat die Kirche(n) gleichschalten wollte. Ihr Anliegen war kein politisches, hatte aber politische Implikationen und Auswirkungen. Denn ihre Bindung an Jesus Christus, wie ihn die Heilige Schrift bezeugt, f�hrte in den Konflikt mit dem NS-Weltanschauungsstaat. Das aktuelle Bekenntnis, das die Bekennende Kirche praktizierte, ist eine bleibende Aufgabe und Herausforderung der christlichen Gemeinde in den jeweiligen zeitgeistigen Verf�hrungen. Die Bekennende Kirche hat gezeigt, da� es Situationen gibt, in welcher die Kirche nicht allein das Recht, sondern sogar die Pflicht zum Widerstand hat. Was die Juden angeht, war die Bekennende Kirche in ihrer Gesamtheit zu schweigsam (von Ausnahmen abgesehen: Julius von Jan, Dietrich Bonhoeffer).
Bereits in den 1950er, noch st�rker in den 1960er Jahren hatte sich eine glaubenzerst�rende Theologie, die sich vor allem mit Rudolf Bultmann und dessen Sch�lern verbindet, bis in die Gemeinden hinein etabliert. So gut wie alle heilsentscheidenden Aussagen von Schrift und Bekenntnis waren infragegestellt worden. Fokussiert wurde dies beim "Streit um Jesus" auf dem sog. "Kontroverskirchentag" in Stuttgart 1969 deutlich. Seitdem hat sich die kirchliche Lage nicht gebessert, im ethischen Bereich sogar dramatisch verschlechtert. Zu Beginn des Jahres 1971 hatte der damalige Ratsvorsitzende der EKD, der bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger die kirchliche Situation recht d�ster eingesch�tzt und mit dem Kirchenkampf w�hrend des Dritten Reiches in Verbindung gebracht. "Wenn nicht alles t�uscht, so stehen wir heute in einem Glaubenskampf, in einem Kirchenkampf, gegen�ber dem der Kirchenkampf des Dritten Reiches ein Vorhutgefecht war." Der damals h�chste Repr�sentant der evangelischen Landeskirchen hat damit die Zustimmung vieler theologisch Konservativer erfahren. Bibel- und bekenntnisgebundene evangelische Kirchenglieder hatten sich bereits in den 50er und verst�rkt in den 60er Jahren gegen diese glaubenzerst�rende modernistische Theologie gewandt. Diese schlossen sich zu bekennenden Gruppen zusammen (z. B. Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium", Evangelische und Kirchliche Sammlungen). Am 6. M�rz 1966 wurde von der Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium" in Dortmund ein vielbeachteter Bekenntnistag mit etwa 24.000 Teilnehmern durchgef�hrt. Weitere derartige Veranstaltungen folgten, meist im Gegensatz zu den Kirchentagen "Gemeindetage" genannt, um den verunsicherten Gemeindegliedern Hilfestellungen und Glaubensvergewisserung zu geben. Den Irrlehren wurde damals deutlich widersprochen. Ein aktuelles Bekennen fand vor allem durch einzelne bekennende Gemeinschaften oder durch die seit 1970 zusammengeschlossene Konferenz Bekennender Gemeinschaften statt. Im aktuellen Bekennen und Widersprechen besteht Kontinuit�t zur Bekennende Kirche w�hrend des Dritten Reiches.
Je mehr sich der Zustand der verfa�ten Landeskirchen verschlechterte, wurde immer wieder der Ruf nach der Installation einer neuen Bekennende Kirche laut. Doch zu einer vergleichbaren Erscheinung wie 1934 ist es bis jetzt nicht gekommen. In Deutschland gibt es bislang einzelne "Bekennende Evangelische Gemeinden". Die erste wurde am Reformationstag 1996 in Neuwied/Rheinland gegr�ndet. Die Bildung von Bekenntnissynoden scheint in den skandinavischen L�ndern weiter vorangeschritten (z. B. Paulussynode in Finnland). An sich m�sste nach evangelischem Verst�ndnis jede Kirche bekennende Kirche sein. Die Grundordnungen der Landeskirchen und auch die Grundordnung der EKD ("Sie wei� sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes �ber Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen", Grundordnung der EKD <1948>, Art. 1, 2) bestimmen � zumindest auf dem Papier -, dass diese "bekennende Kirchen" sind. Sie sind Bekenntniskirchen, weil sie auf der Heiligen Schrift und den f�r sie geltenden altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen aufbauen und sind damit nicht Volkskirche, als was sie heute meist bezeichnet werden. �berall wo schriftgem��e Predigt, stiftungsgem��e Verwaltung der Sakramente (CA 7), Bekenntnis der S�nden und br�derliche Ermahnung herrschen, ist bekennende Kirche. Leider aber werden die formell noch vorhandenen schriftgem��en Bekenntnisse verschiedener EKD-Kirchen in der Praxis immer h�ufiger �bertreten (z.B. Bibelkritik, ">Homo-Segnung", Anerkennung radikalfeministischer Bewegungen und Ansichten u.�.; >Homosexualit�t; Feminismus).
Zur Beurteilung siehe: Gemeinde, Ekklesiologie, Reformatorisces Kirchenverst�ndnis, Kirchenreform.
Lit.: Artikel "Kirchenkampf" in: EKL, 3. Aufl. (Neufassung), Bd. 2, Sp. 1126 � 1133; ELThG, Bd. 2, S. 1104 � 1111; EStL, 2. v�llig neu bearbeitete und erweiterte Aufl., Sp. 1177 � 1199; Evangelisches Gemeindelexikon, Sonderausgabe Wuppertal 1986 (1. Aufl. 1978), S. 301 � 303; RGG, 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 1443 � 1453. Darin jeweils weiterf�hrende Literatur. Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, in Verbindung mit H. Brunotte und E. Wolf hg. v. K. D. Schmidt; K. Maier, Der evangelische Kirchenkampf. Gesamtdarstellung in drei B�nden, Bd. 1 � 3, 1976-1984; K. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, 1986 ff.
F�r die Zeit des neuen Kirchenkampfes: Weg und Zeugnis [Bd. 1]. Bekennende Gemeinschaften im gegenw�rtigen Kirchenkampf 1965 � 1980, R. B�umer, P. Beyerhaus, F. Gr�nzweig (Hg.), 1980 ; Weg und Zeugnis [Bd. 2]. Dokumente und Texte der Bekenntnisgemeinschaften zur kirchlichen Zeitgeschichte 1980 � 1995, Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium" (Hg.), 1998; Christen f�r die Wahrheit (Hg.), Ruf zur Umkehr. Neue 95 Thesen und die Folgen, 1997; L. Gassmann, Was braucht die Evangelische Kirche?, 1998; ders. (Hg.), Kirche 2000. Gemeinsame Erkl�rung, Ablass, 95 und 96 Thesen, 1999.
Walter Rominger
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de