Gruppendynamik ist allgemein ein Forschungsgebiet mehrerer Wissenschaften, die sich mit den Vorg�ngen in Gruppen besch�ftigen. F�r Gruppendynamik als angewandte Methode ergibt sich (von den Wirkungen her gesehen) folgende Definition:
Gruppendynamik ist eine Methode zur bewussten Steuerung und Ver�nderung des Denkens und Handelns von Menschen auf dem Gef�hlsweg mittels einer Gruppe.
Gruppendynamik findet also nicht statt, wenn sich eine Gruppe frei und ungezwungen �ber ein Thema unterh�lt. Frei ablaufende und nicht bewusst gesteuerte Gruppenprozesse sind als "Gruppendynamis" zu bezeichnen (in Entsprechung zu "Thermodynamis" � freie Entfaltung von W�rmeenergie). Sobald jedoch der Leiter oder einer der Teilnehmer beginnt, bewusst Gef�hle bei den anderen freizusetzen mit dem Zweck der Steuerung, wird das Gebiet der Gruppendynamik betreten (in Entsprechung zu "Thermodynamik" � methodische Erfassung und Beeinflussung von W�rmeenergie-Abl�ufen). An der bewussten Steuerung also entscheidet es sich, ob Gruppendynamik vorliegt oder nicht.
Hier gibt es gro�e Verwirrung. Gruppendynamik tritt fast nie unter ihrem eigentlichen Namen auf, sondern in vielfach ver�nderten Formen unter den verschiedensten Bezeichnungen. So wird eingeladen zu Selbsterfahrungs-, Encounter-, >Sensitivit�ts- und Gespr�chsgruppen � und es handelt sich um Gruppendynamik. So nimmt man teil an einer Klinischen Seelsorgeausbildung, an einem Interaktions-, Konfrontations-, Kooperations-, Solidarit�ts- und Kontakttraining � und man trifft auf Gruppendynamik. So h�rt man von Themenzentrierter Interaktion, Gestalttherapie, Psychodrama, >Synanon, >Transaktionsanalyse, Bioenergetik und Miniaturgesellschaft � und es findet Gruppendynamik statt. Im Kern sind alle Formen aufgebaut und haben das gleiche Ziel, n�mlich die Ver�nderung von Menschen durch Menschen. Gruppen treffen sich in der Regel f�r ein Intensivwochenende (ca. 18 Stunden) oder eine Woche (ca. 40 Stunden) oder mehrere Wochen. Manchmal finden Gruppensitzungen auch ein- bis zweimal w�chentlich statt, jeweils z.B. 1-2 Stunden lang, f�r den Zeitraum eines Jahres oder l�nger. Die Zahl schwankt zwischen 8 und 15 Teilnehmern. Jeder Teilnehmer muss bestimmte Regeln beachten, z.B.: Wir leben im Hier und Jetzt; wir reden dar�ber, wie wir uns hier und jetzt f�hlen, weniger �ber Vergangenes und Zuk�nftiges. Keiner soll sich hinter einem "man" oder "wir" verstecken; jeder soll in der "Ich"-Form reden. Jeder soll absolut offen und ehrlich sein. � Meist trifft sich die Gruppe gezielt in Absonderung von der Au�enwelt, d.h. der Tagungsort liegt so, dass die Gruppe unter sich sein kann.
a. Die erste Stufe ist das sog. unfreezing , d.h. das "Auftauen" starrer ("eingefrorener") Erlebnis- und Verhaltensweisen.
Sie kann z.B. dadurch eingeleitet werden, dass der "Trainer" oder "Therapeut", der die Gruppe eingeladen hat, einfach schweigend und passiv dasitzt. Die Teilnehmer sind zun�chst verwirrt und �ngstlich. Dann �u�ern einzelne Unmutsgef�hle:
"Wozu sind wir �berhaupt gekommen? Das ist doch Zeitverschwendung! Warum gibt der uns keine Antwort?"
Die Angriffe k�nnen sich bis zum verbalen "Killen des Trainers" steigern, der jedoch seltsamerweise gar nicht darauf reagiert. Pl�tzlich aber entwickeln einige Teilnehmer Mitleid mit dem Trainer und richten ihre Aggressionen gegen die Gruppenmitglieder, die ihn am heftigsten angegriffen haben. Viele geben ihre pers�nlichsten Meinungen preis. Damit ist das Gespr�ch auf die Gef�hlsebene gelenkt. Das Gef�hl (Emotion) wird zum "Material", mit dem die Methode arbeiten kann.
b. Die zweite Stufe setzt ein: change ("Ver�nderung").
Die Teilnehmer enth�llen nun ihre innersten Gef�hle und Probleme. Der Trainer sowie Co-Trainer, "Reflektoren" oder "Ver�nderungsagenten" (Lewin), die manchmal unter die Teilnehmer gemischt sind, steuern das Gespr�ch in der gew�nschten Richtung. Sie wissen dabei, wie sie die einzelnen Pers�nlichkeitstypen unter den Teilnehmern zu behandeln haben. Sie wissen auch, wie die Beziehungen (Sympathien, Antipathien) zwischen den Teilnehmern strukturiert sind. Treten z.B. Hemmungen auf, sich seelisch zu entbl��en, dann beginnt der Co-Trainer als erster, seine Gef�hle zu �u�ern. Die Mehrzahl der Teilnehmer schlie�t sich meist an ("Gruppenbeichte"). Wer sich nicht anschlie�t, wird zum Au�enseiter abgestempelt. Der Gruppendruck wird f�r diesen schlie�lich unertr�glich, so dass er darunter zusammenbricht und sich auch entbl��t � oder die Gruppe verl�sst. Ein solches Zerbrechen ist der Punkt, an dem die meisten offenkundigen psychischen Sch�digungen bei Teilnehmern entstehen.
c. Haben alle Teilnehmer "gebeichtet", dann kann die dritte Stufe eingeleitet werden, das refreezing ("Wiedereinfrieren").
Ein wunderbares Gef�hl der Harmonie tritt ein, ein "Wir-" oder "Kollektivgef�hl". Nie haben sich die Teilnehmer vollst�ndiger offenbart, nie sind sie vollst�ndiger akzeptiert worden als in dieser Gruppe. Hier wird keine Schw�che und keine S�nde verurteilt, denn die neue Gruppenmoral lautet:
"Alles ist erlaubt."
Es kann so weit kommen, dass die Teilnehmer einander die Schuld "vergeben" ("Gruppenabsolution"). Gelegentlich wird die eintretende psychische Ver�nderung als "Wiedergeburt" empfunden. Alle Werte, Regeln und Gebote (auch z.B. biblische Gebote!), alle weltanschaulichen, ethischen und religi�sen Standpunkte sind nun nebens�chlich; das Entscheidende ist das Vertrauen und die W�rme, die der erf�hrt, der sich der Meinung der Gruppe anschlie�t.
Es gibt gruppendynamische Methoden und Verfahrensschritte mit Worten (verbal) und ohne Worte (nonverbal). Einige Beispiele f�r nonverbale Methoden:
Um Ber�hrungs�ngste abzubauen, m�ssen die Teilnehmer mit geschlossenen Augen im Raum umhergehen. Finden sich zwei Personen, tasten sie sich gegenseitig ab.
Teilnehmer, die Aggressionen gegeneinander haben, m�ssen auf einem Bein h�pfen, aufeinanderprallen und schauen, wer der St�rkere ist.
Bis zur Ersch�pfung auf Gegenst�nde einschlagen, um Aggressionen abzureagieren.
mit z.T. buddhistischem, hinduistischem und okkultem Hintergrund (Zen-Meditation, Selbsthypnose usw.).
Au�enseiter erfahren eine "neue Geburt", indem sie von den anderen Gruppenteilnehmern gestreichelt, zart ber�hrt, gewiegt oder beim Sichfallenlassen aufgefangen werden.
Im Rahmen der gruppendynamischen Methode sind das nicht mehr harmlose, neutrale "Spiele", sondern Mittel zum methodisch gesetzten Zweck der Ver�nderung von Menschen durch Menschen.
sondern wie jede Methode in Vorverst�ndnisse eingebettet.
Die Begr�nder der Gruppendynamik (Jacob >Moreno, Kurt >Lewin, Carl Rogers u.a.) waren Ideologen. Sie entwickelten ihre Methoden, um dem s�ndigen Streben des Menschen entgegenzukommen, selbst zu sein wie Gott und eine Welteinheitsgesellschaft zu erbauen.
Wie jede Ideologie will sie den Menschen ganz vereinnahmen. Sie befreit ihn nicht zu gr��erer M�ndigkeit, sondern raubt ihm seine Freiheit und manipuliert ihn. In die gesteuerte, unfreie Gruppe eingebunden, ist auch der einzelne in der Gruppe nicht mehr frei, sondern wird den Ver�nderungszielen des Gruppenleiters angepasst. Das Fatale und Unheimliche ist nun aber, dass auch der Gruppenleiter im Verlauf einer Sitzung ein Opfer der Methode werden kann. Gruppendynamik arbeitet Ja mit Gef�hlen. Sie will durch Manipulation auf der Gef�hlsebene Meinungen und Verhaltensweisen ver�ndern. Wird nun der Leiter von dem Gef�hlsstrudel, den er selbst freigesetzt hat, erfasst, dann verliert er mehr und mehr die Kontrolle �ber sich und �ber die Methode. Die Methode verselbst�ndigt sich, und die Folgen sind unabsehbar. Aus christlicher Sicht muss man feststellen, dass es sich hier nicht nur um Gef�hle, sondern um Geistes-, ja Geisterm�chte handelt, die sich verselbst�ndigen k�nnen. (vgl. Eph 6,10ff.).
Wo ein Mensch so kaltbl�tig ist, eine gruppendynamische Sitzung zu steuern, ohne selbst von ihrem Sog erfasst zu werden, da gewinnt dieser Mensch � im Bund mit diesen Gewalten � eine ungeheure Macht. Er kann Menschen steuern wie Marionetten. Genau das waren ja auch die Pl�ne von Moreno, Lewin und anderen: einen einheitlichen soziometrischen Aufbau der Gesellschaft durch Gruppendynamik zu schaffen � und das ist nur m�glich durch Schaffung einer Einheitsmeinung. Wer d�rfte sich jedoch als Mensch eine solche Macht anma�en? Wird hier Gruppendynamik zum Werkzeug von Diktatoren ?
Methode aber zerst�rt die Freiheit im mitmenschlichen Umgang . Im methodischen Korsett bleibt kein Raum f�r Spontaneit�t, Intuition und Liebe � alles Qualit�ten, die nur der freie Mensch besitzt. Im methodischen Korsett herrscht auch nicht die Freiheit des Geistes Gottes, der
"weht, wo er will" (Joh 3,8).
Deshalb kommt man in christlich verbr�mter Gruppendynamik �ber "fromme Gef�hlserlebnisse" nicht hinaus. Der Geist Gottes l�sst sich nicht in eine Methode zwingen, ja er ist mit der Methode der Gruppendynamik g�nzlich unvereinbar.
Im menschlichen Intimbereich darf aber nicht einfach herumgestochert werden. Es darf Gartenbaumethoden geben, aber keine "Menschenbaumethoden". Gruppendynamik bringt nachweisbare Sch�digungen mit sich. Um wirklich etwas zu "erleben", muss sich der einzelne ganz in die Gruppe hineingeben. Er muss seine eigene Pers�nlichkeit aufgeben und sich ver�ndern lassen. Er muss "verbluten nach au�en" (Moreno). Dabei aber k�nnen Sch�den entstehen wie:
Untersuchungen von Lieberman u.a. haben ergeben, dass bei einem Drittel der Teilnehmer solche Sch�digungen nachweisbar auftreten. Nicht gr�ssere M�ndigkeit, sondern Lebensunt�chtigkeit, nicht Selbsterfahrung, sondern Selbstzerbruch wird also in der Gruppendynamik erreicht.
Der einzelne kann sich so in die Gruppe hineingeben und mit ihr verwachsen, dass er au�erhalb der Gruppe nicht mehr lebenst�chtig ist. Er will und muss immer wieder zur Gruppe zur�ck wie ein Kind zur Mutter. Kann er das nicht, so wird er ein dauernd frustrierter Mensch sein. Auf die Faszination folgt die Frustration, auf die Begeisterung folgt Die Entt�uschung, weil die wirkliche Welt ganz anders ist als die k�nstliche Gruppenwelt.
Die Beschr�nkung oder Konzentration auf die Gef�hlsebene ist eine zu einfache bzw. gar keine Antwort auf die komplizierten Probleme unserer Welt. Die Ausklammerung von Umwelt und Vergangenheit durch das "Hier-und-Jetzt-Prinzip" f�rdert Geschichtslosigkeit. Der Gesamtzusammenhang menschlichen Lebens wird zerst�rt. So wird wahre Identit�tsfindung unm�glich. Der Psychologe H. M. Ruitenbeek meint:
"Wissen und Intellekt ausser acht gelassen, und wir enden in einer Gesellschaft von Schwachsinnigen."
... weil sie biblische Gebote au�er Kraft setzen will. Die neue Gruppenmoral lautet ja:
"Alles ist erlaubt � und zwar innerhalb der Normen, die die Gruppe selber setzt. Nicht Gott, sondern die Gruppe wird hier zu ihrem eigenen Gesetzgeber. Das aber ist Auflehnung gegen Gottes Willen � und damit auch gegen Gottes Liebe, die in manchen Gruppensitzungen so viel beschworen wird. Denn wie sollte Gott dem seine Liebe erweisen, der sie gar nicht zu brauchen meint, sondern sich selbst seine Gebote setzt � der damit meint, auch seine eigene Vergebung bewerkstelligen zu k�nnen?! Weder Gottes Gebote noch Gottes Liebe werden hier ernstgenommen, sondern zu gruppendynamischen Gef�hlserlebnissen verniedlicht.
Lebendige christliche Gemeinschaft aber l�sst sich nicht "machen", wie manche meinen, schon gar nicht durch psychologische Tricks und gruppendynamischen Druck. So entsteht h�chstens seelische, gef�hlsm��ige Gemeinschaft, aber keine geistliche Gemeinschaft. Lebendige christliche (und das heisst immer: geistliche) Gemeinschaft kann nur in festem Gegr�ndetsein auf das biblische Wort von Gottes Geist geschenkt werden, der keinen verletzt und manipuliert (vgl. D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben).
S. auch: Bioenergetik; Encounter; Gemeinschaft_geistliche und seelische; Gestalttherapie; Lewin, Kurt; Marathon; Miniaturgesellschaft; Psychodrama; Rogers_Carl; Sensitivity-Training; Themenzentrierte Interaktion;
Lit.: L. Gassmann, F�hlen statt zu denken, 1991; ders., Was ist Gruppendynamik?, 1998.
Lothar Gassmann
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de