Der Begriff "Apologetik" kommt vom griechischen Verb "apologeomai" ("sich verteidigen") bzw. vom Substantiv "apologia" ("Verteidigung, "Rechtfertigung"). Zwei Begriffe werden gebraucht: "Apologetik" und "Apologie". Während "Apologie" die schriftliche oder mündliche Verteidigung selbst ist, also die Verteidigungsschrift oder -rede, bezeichnet "Apologetik" die wissenschaftliche Besinnung über die Möglichkeit einer Apologie, einer Verteidigung. Die Apologie meint also den praktischen Vollzug, die Apologetik die Reflektion über den Vollzug und die Grundlagen der Verteidigung. Allerdings werden die beiden Begriffe nicht immer auseinander gehalten. So hat es sich eingebürgert, den Begriff "Apologetik" im umfassenden Sinn sowohl für die Theorie als auch für die Praxis der Verteidigung zu verwenden. Im folgenden geht es um die christliche Apologetik. Auch wenn das Adjektiv "christlich" nicht immer eigens genannt wird, so ist doch die Apologetik in diesem Sinne gemeint. Die christliche Apologetik ist die Verteidigung des christlichen Glaubens bzw. der christlichen Wahrheit gegenüber einer nichtchristlichen Umwelt.
Die christliche Wahrheit ist vielfältigen Angriffen ausgesetzt und muss deshalb verteidigt werden. Dabei ist nicht nur an Kampf – etwa gegen Angriffe von Seiten heidnischer Religionen und antichristlicher Ideologien – zu denken, sondern auch ganz einfach an die Bezeugung des Evangeliums in die Situation des (heutigen) suchenden und fragenden Menschen hinein. Mit Francis Schaeffer, einem der wohl bedeutendsten christlichen Apologeten des 20. Jahrhunderts, lässt sich Wesen und Auftrag der christlichen Apologetik durch folgende zwei Ziele definieren:
Apologetik besitzt also eine lehrmäßige (systematische) und gleichzeitig eine missionarische Dimension. Sie unterscheidet sich jedoch sowohl von der Systematischen Theologie als auch von der Missionswissenschaft durch ihre besondere Zielsetzung, nämlich sich mit den Angriffen gegen die christliche Wahrheit auseinander zu setzen bzw. Denkhindernisse auf dem Weg zum Glauben zu entfernen. "Sagt die Missionspredigt, worin das Evangelium besteht, so antwortet Apologetik auf kritische Einwände bzw. unbegründete Vorurteile gegenüber dem Evangelium" (Gerhard Ruhbach, ELThG Bd. 1, S. 98). Innerhalb der Systematischen Theologie hat die Apologetik heute ihren Ort – zumindest rudimentär – in den Prolegomena (Einleitungen) bzw. der Fundamentaltheologie. Hier geht es vor allem um die Erörterung des Verhältnisses von menschlicher Vernunft und göttlicher Offenbarung sowie des Wesens und Auftrags der Heiligen Schrift. Über solche Ansätze kommt die heutige Apologetik an den kirchlichen und staatlichen Fakultäten im deutschsprachigen Raum aber leider kaum hinaus. Ein eigener Lehrstuhl für Apologetik existiert dort nirgends. Die Notwendigkeit der christlichen Apologetik ist jedoch zu allen Zeiten gegeben – und heute leider mehr als je zuvor. Die Gegenmission nichtchristlicher >Religionen und Ideologien im Abendland, die Aufweichung biblischer Lehren und Werte, die Zunahme der Sekte n und Kulte, der rapide moralische Zerfall, die schleichende Unterwanderung der Kirchen durch den Zeitgeist – das sind nur einige Beispiele, welche die dringende Notwendigkeit christlicher Apologetik in unseren Tagen deutlich machen.
Warum also Apologetik?
Die Antwort ist klar: Der christliche Glaube wird von vielen Seiten bedroht und bedarf der Verteidigung. Aber das ist nicht alles. Wir betreiben Apologetik nicht zum Selbstzweck. Bei der Verteidigung des Glaubens geht es nicht um eine nur intellektuelle Diskussion. Nein, es geht um viel mehr: Es geht um die Existenz. Es geht um Sein oder Nichtsein, Heil oder Verdammnis, Leben oder Tod. Es geht darum, dass Menschen ins Reine kommen können mit Gott, dass sie eine lebendige Beziehung zu ihrem Schöpfer erhalten, dass sie das ewige Leben erlangen. Und dafür kann das Wegräumen intellektueller Hindernisse eine entscheidende Hilfe sein. Darin liegt also die wichtigste und immer gleich bleibende Aktualität der Apologetik: Menschen zu helfen, dass sie Christen werden können – und Christen zu helfen, dass sie Christen bleiben können – durch alle Wirrnisse und Verführungen der Zeit hindurch.
Die klassische Stelle zur Begründung der christlichen Apologetik findet sich in 1. Petr 3,15 f:
"Aber den Herrn Christus heiligt (hagiaste) in euren Herzen, immer bereit zur Verteidigung/Verantwortung (apologian) gegenüber jedem, der von euch Rechenschaft/ein Wort (logon) fordert über die Hoffnung (elpidos), die in euch ist, und das mit Sanftmut (prautetos) und (Gottes-)Furcht (phobou), ein gutes Gewissen habend, damit, worin ihr verleumdet werdet, die zuschanden werden, die euren guten Wandel (agathen anastrophen) in Christus schmähen."
Dieses Wort ist ursprünglich an die bedrängte Gemeinde in der Zerstreuung gerichtet. In dieser Situation wird den Gläubigen mitgeteilt, wie sie sich verhalten können, um die Verleumdungen der Verfolger zu widerlegen und denen Antwort zu geben, die sie nach ihrem Glauben fragen. Hier sind die zwei klassischen Ziele der Apologetik aller Zeiten enthalten: Verteidigung des Glaubens und Verkündigung des Evangeliums. Die Voraussetzung dafür ist die "Heiligung des Herrn Jesus in den Herzen":
die innige Gemeinschaft mit ihm, die völlige Hingabe an ihn, die allein Kraft zum Bekenntnis und guten Wandel schenkt und die Menschenfurcht überwinden kann. Wo diese innige Gemeinschaft mit dem Herrn besteht, spüren die Mitmenschen den Christen die Hoffnung ab, die in ihnen ist, und fragen sie nach dem Grund dieser Hoffnung: nach Jesus Christus. Hier wird der untrennbare Zusammenhang zwischen Lehre und Leben betont. Einerseits steht am Anfang nicht die Lehre, sondern das Leben: Die Mitmenschen werden angesichts des Lebenswandels und der Ausstrahlung der Christen neugierig und möchten mehr über die Hintergründe wissen. Andererseits steht aber auch die Lehre am Anfang; denn die Hoffnung, die in den Gläubigen ist, beruht auf der Überlieferung von Jesus Christus und seinem Erlösungswerk in Kreuzestod und Auferstehung. So gehen Lehre und Leben miteinander Hand in Hand. Wie soll nun die Lehre weitervermittelt werden? In Sanftmut und Gottesfurcht .
"In Sanftmut" bedeutet: nicht in Hochmut und pharisäischem Überlegenheitsgefühl, nicht in Übermut und Aufdringlichkeit, nicht in Unmut und Lieblosigkeit, sondern demütig, zurückhaltend und in Liebe. "In Gottesfurcht" bedeutet: nicht in Kleinmut und Menschenfurcht, sondern im Vertrauen auf das Wirken und die Kraft des Herrn.
Die Beispiele für Apologetik in der Bibel sind zahlreich. Ich beschränke mich auf einige Hinweise aus dem Neuen Testament. Jesus selber hat in Streitgesprächen und Gleichnissen auf die Fragen seiner Gegner geantwortet, aber ihnen auch Gegenfragen gestellt. Themen waren etwa das Sabbatgebot, die Steuerpflicht und die Auferstehung der Toten (Mt 21,23-22,46). Seine Antworten oder Fragen waren von so übermenschlicher Weisheit, dass seine Gegner am Ende sprachlos waren:
"Und niemand konnte ihm ein Wort antworten, auch wagte niemand von dem Tage an, ihn hinfort zu fragen"
– so schließt Matthäus seine Schilderung der Streitgespräche der Pharisäer und Sadduzäer mit Jesus ab (Mt 22,46). Aber nicht nur durch seine Worte beglaubigte sich Jesus als der Messias, sondern auch durch die Zeichen und Wunder, die er vollbrachte, sowie durch die zahlreichen Prophezeiungen, die in seinem Leben in Erfüllung gingen.
Die Apostel waren Zeugen der Wahrheit, die in Jesus erschienen ist, und Vermittler der Wahrheit des göttlichen Wortes, des rettenden Evangeliums von der Erlösung allein aus Gnaden (Joh 14,6; 17,17). Mit kompromissloser Schärfe wird in den Evangelien, den Briefen und der Johannesapokalypse durchgehend zwischen Wahrheit und Lüge unterschieden. Auseinandersetzungen werden geführt mit der Magie (Act 8,4-25), dem heidnischen >Götzendienst und Polytheismus (Röm 1,22 ff.; 1. Kor 8,4ff.; 10,14ff.), einer heidnischen und in Widerspruch zu Gottes Offenbarung tretenden >Philosophie (Kol 2,8ff.; 1. Kor 1,18ff.), der Gnosis (1. Tim 6,20f.), einem falschen Evangelium judaisierender >Gesetzlichkeit (Gal 5,1ff.), aber auch eines heidnischen Libertinismus (1. Wo es um Wahrheit und Lüge – und damit zugleich um Heil oder Verdammnis! – geht, gibt es keine Grauzone, kein Sowohl-Als auch, keine Toleranz gegenüber den Irrlehrern und Verführern, den Lügenaposteln und falschen Propheten (vgl. Mt 7,15f. 19; Gal 1,6-9; Apk 2,14-16). Im Umgang mit Irrlehrern und Verführern zu einem gottfeindlichen Leben gibt es für die Gemeinde Jesu nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Irrende kehrt um – oder er muss sich von der Gemeinde trennen. Die klassischen Stellen für die Praktizierung der Gemeinde zucht finden sich in Mt 18,15-17 und 2. Kor 5.
In ihrer Argumentation bedienen sich die Apostel zweier – zunächst widersprüchlich erscheinender – Mittel: zum einen der scharfen Abgrenzung gegenüber dem Heidentum mit seinen falschen Lehren und seinem gottfeindlichen Lebenswandel; zum anderen der Anknüpfung an die Lebens- und Gedankenwelt der Heiden und des Ernstnehmens ihrer Fragen. Bei näherem Hinsehen schließen sich aber diese Methoden keineswegs gegenseitig aus. Denn auch da, wo die Anknüpfung an das Lebensgefühl der Umwelt geübt wird, dient diese doch nur dazu, um vom alten Denken und Lebenswandel wegzuführen – hin zum neuen Sein der Kinder Gottes. Zwei Beispiele hierfür möchte ich nennen.
Zum einen wird in den Briefen des Paulus immer wieder deutlich, wie er die Gemeinde Jesu Christi gegenüber den heidnischen Göttern abgrenzt. So schreibt er z.B. an die Gläubigen in Thessalonich: "Ihr habt euch bekehrt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott" (1. Thess 1,9). Zum anderen wird etwa in Act 17,16-33 berichtet, wie Paulus in seiner Missionspredigt auf dem Athener Areopag an die Gottesahnung und die Weisheit der Griechen anknüpft, um ihnen – in Weiterführung und Gegensatz hierzu! – den einen und wahren Gott zu verkündigen. Dass Paulus an das Denken der Griechen anknüpft, aber ihnen keineswegs "nach dem Mund redet", wird an der Reaktion der Zuhörer deutlich. Als er den wahren Gott als den Vater des gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus verkündigt, teilt sich das Publikum in solche, die spotten und sich abwenden, und solche, die sich dem neuen Glauben anschließen (Act 17,32f.). Mit dieser doppelten Reaktion muss jede Form von Apologetik rechnen.
Ein ähnlicher Gegensatz scheint bei oberflächlicher Betrachtung zwischen Stellen wie Römer 1f. und 1. Kor 1f. zu bestehen. Im Römerbrief knüpft Paulus an die allgemeine Erkennbarkeit Gottes in den Werken der Schöpfung und im menschlichen Gewissen an (Römer 1,19f.; 2,14f.). Im Korintherbrief hingegen spricht er von der verborgenen Weisheit (sophia) Gottes, die von der Welt nicht erkannt werden kann (1. Kor 2,6ff.). Der Gegensatz löst sich auf, wenn man zur noetischen (erkenntnismäßigen) die ontische (seinsmäßig-existentielle) Dimension hinzuzieht. Dann ergibt sich: "Die sophia der Griechen (und Römer; L. G.) ist sophia, aber von der Sünde entstellt" (E. Kamlah, RGG Bd. 1, Sp. 479). Paulus kann zwar die sittlichen und philosophischen Fähigkeiten seiner Mitmenschen loben, aber in Bezug auf den wahren Gott, seine Erkennbarkeit und das Halten seiner Gebote ist "Verfinsterung" im Heidentum eingetreten: "Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert" (Röm 1,21). Und da dies so ist, bleibt trotz und neben aller "abholenden" Anknüpfung die Konfrontation in der Apologetik unverzichtbar, die den Hörer der Botschaft vor die Entscheidung stellt: für oder gegen Jesus Christus, für oder gegen den wahren Gott, für oder gegen das Heil und ewige Leben.
Denn:
"Was die Heiden opfern, das opfern sie den Dämonen und nicht Gott" (1. Kor 10,20).
Und:
"Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1. Kor 3,11).
Ihre Blütezeit erlebte die christliche Apologetik zur Zeit der Alten Kirche, insbesondere im 2. und 3. Jahrhundert nach Christi Geburt. Es war die Zeit der Auseinandersetzung zwischen dem sich ausbreitenden Christentum und einem ihm zunächst feindlich gegenübertretenden heidnischen Staats- und Gesellschaftswesen. Ab dem 4. Jahrhundert, als die Christenheit unter Kaiser Konstantin (306-337) staatliche Anerkennung erfuhr und schließlich (380) zur Staatsreligion wurde, verlagerte sich die Verteidigung des Glaubens immer mehr von außen nach innen: auf innerkirchliche Konflikte und dogmatische Streitfragen, zunächst vor allem in Bezug auf Trinitätslehre, Christologie und Ekklesiologie. Rolf Hille bezeichnet daher das Mittelalter sogar als "'tausendjähriges Interim (Zwischenzustand) der Apologetik" (ELThG Bd. 1, S. 101).
Dennoch hörten die Angriffe von außen gegen das Christentum nie auf. Sie nahmen in der Neuzeit und Moderne – seit dem Wiedererstarken der antiken heidnischen Kultur in der >Renaissance und dem Siegeszug des Humanismus und der Aufklärungsphilosophie – zu und haben insbesondere seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine ungeahnte Massivität erreicht. Vorbereitet durch aufklärerische Ideale wie Autonomie, Toleranz und Rationalität wurde das traditionelle Christentum in seiner Gültigkeit und >Absolutheit mehr und mehr infrage gestellt. Durch das >Hegelsche Prinzip der Dialektik und Synthese wurde die Antithese von Wahrheit und Lüge abgelöst und die Absolutheit des christlichen Glaubens untergraben. Seither lebt die Menschheit "unterhalb der Linie der Verzweiflung" (Francis Schaeffer): ohne absolute Werte, ohne einen absoluten Halt. Was ihr übrig bleibt, ist lediglich ein irrationaler Sprung ins Ungewisse, in den Mystizismus. Eine Fülle von Religionen, Sekten, Kulten und Ideologien ist in das denkerische und religiöse Vakuum eingedrungen, welches durch die "Preisgabe der (christlichen) Vernunft" (Schaeffer) und die Ablehnung ihres Heilsangebots durch die säkularisierten Massen entstanden ist. Rolf Hille schreibt treffend:
"Die Entwicklung des Christentums um die Wende zum dritten Jahrtausend neigt sich wieder zu ihrer apostol (ischen) Ausgangslage. In der bewusst nachchristl (ichen) Kultur der Moderne ist jedoch kein Rückzug, sondern erneut die Kraft der apologetischen Mission gefordert; betrieben von einer Minderheitskirche, die ihre Bestimmung, 'Fremdlinge in der Zerstreuung` zu sein (1 Petr 1,1) bewusst annimmt und mission (arisch) lebt" (ELThG Bd. 1, S. 102).
Das Ende kehrt zum Anfang zurück.
Keine Epoche der Kirchengeschichte (außer vielleicht der unsrigen) hat eine solche Vielzahl und Intensität von apologetischen Schriften hervorgebracht wie die Zeit der Alten Kirche . Davon seien (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) nur die wichtigsten genannt (in Klammern die ungefähren Jahreszahlen des Erscheinens):
Im 2. Jahrhundert: Quadratus aus Kleinasien: Apologie an Kaiser Hadrian (ca. 130); Aristides von Athen: Apologie an Kaiser Hadrian (ca. 130); Ariston von Pella: Dialog zwischen einem Christen und einem Juden über Christus (ca. 140);
Justin von Rom: Apologie an Antoninus Pius (ca. 155); Dialog mit dem Juden Tryphon (ca. 160); Apollinaris von Hierapolis: Fünf Apologien gegen Juden, Griechen und Montanisten (ca. 160); Tatian von Rom: Rede an die Griechen (ca. 165); Melito von Sardes: Apologie an Kaiser Mark Aurel (ca. 172); Athenagoras von Athen: Bittschrift für die Christen an Kaiser Mark Aurel (ca. 177); Über die Auferstehung (ca. 180); Irenäus von Lyon: Entlarvung und Widerlegung der fälschlich so genannten Gnosis (= Gegen die Häresien; ca. 180/189); Tertullian: Gegen Marcion (ca. 190); An die Heiden (ca. 197); Apologetikum (ca. 198).
Im 3. Jahrhundert: Clemens von Alexandrien: Protreptikos (ca. 200); Hippolyt von Rom: Widerlegung sämtlicher Häresien (ca. 225); Origenes von Alexandrien: Gegen Kelsos (ca. 248).
Im 4. Jahrhundert: Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte (ca. 315); Athanasius von Alexandrien: Gegen die Heiden (ca. 319); Reden gegen die Arianer (ca. 350).
Im 5. Jahrhundert: Aurelius Augustinus von Hippo: Vom Gottesstaat (413-426).
Wie allein schon diese Namen zeigen, haben sich im Grunde fast alle "Kirchenväter" um die Apologetik bemüht. Dogmatik und Apologetik waren in der frühen Christenheit untrennbar, ja viel mehr: Die Dogmatik ging erst aus den apologetischen Schriften hervor. Die Apologetik war also da, bevor es eine Dogmatik, eine systematische Entfaltung des christlichen Glaubens gab. Die Angriffe der Gegner zwangen die Christenheit erst, ihren Glaubens in ein System zu fassen, um ihn logisch überzeugend zu begründen und zu verteidigen. Damit war freilich die Gefahr der Überfremdung biblischer Aussagen durch philosophische Kategorien verbunden, welcher die meisten Kirchenväter nicht ganz entronnen sind (vgl. z.B. >Justin).
Worum ging es den frühen Apologeten, namentlich im 2. und 3. Jahrhundert nach Christi Geburt? Ihre übereinstimmende Zielsetzung lässt sich in drei Punkte fassen:
a. Abwehr des Vorwurfs der Feindschaft gegen Kaiser und Staat, des crimen maiestatis et religionis laesae;
b. Beweis der Überlegenheit des Christentums über die heidnischen Kulte und Religionen;
c. Nachweis der sittlich-moralischen Lauterkeit und Zuverlässigkeit der Christen gegenüber anderslautenden Vorwürfen wie Kannibalismus (im Blick auf die Agape-Mahle), Atheismus (wegen der Ablehnung der Staatsgötter) und Blutschande (wegen dem Friedenskuss). Um diese drei Ziele zu erreichen, verwendeten sie eine Vielzahl von Argumentationen, Zitaten und Beweisen. Die wichtigsten Argumentationen fasse ich kurz in folgende Punkte zusammen (vgl. hierzu Apologetik v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 1924, 111-331):
Es beruht auf Jesus Christus, der in die Welt kam, um die Menschen vom Verderben zu erretten und ihnen auch körperlich durch Heilungen Gutes zu tun. In seiner Erlösungstat am Kreuz und in seiner Auferstehung liegt das Einzigartige, das von keiner anderen Religion vollbracht werden kann: die wirkliche Befreiung von den Sünden und das ewige Leben bei Gott.
Es ist die Religion des sittlichen Ernstes und der Heiligkeit. Orientiert am Vorbild Jesu Christi, der den Menschen nur Gutes tat, sind auch seine Jüngerinnen und Jünger darauf bedacht, Gutes zu tun und ihren Mitmenschen zu helfen. Immer wieder weisen die Apologeten auf die vielen Taten der Liebe hin, welche die Christen vollbringen: Unterstützung der Witwen und Waisen, der Armen und Kranken, Sorge für die Fremden, Sklaven und Gefangenen. Dadurch sollen sittliche Bedenken zerstreut werden. Da es über die Zusammenkünfte der Christen zum Agape-Mahl mancherlei Gerüchte (Kannibalismus, Gelage) im Volk gibt, wird dessen geistlicher und reiner Charakter betont.
Es weist eine Fülle von außergewöhnlichen Erscheinungen auf, die seine übernatürliche Herkunft beglaubigen: Wunder, Heilungen, Befreiung von Dämonen, Träume, Visionen, erfüllte Prophezeiungen und vieles mehr.
Es beruht auf der Autorität der göttlichen Offenbarung, die jede bloße Philosophie übertrifft. "Das Christentum ist göttliche Offenbarung, aber es ist zugleich die reine Vernunft, die wahre Philosophie" (Apologetik v. Harnack, a.a.O., 245). In ihrer Haltung zur griechischen und römischen Philosophie (>Platonismus, >Stoa usw.) unterschieden sich die Apologeten zum Teil erheblich. Beispielsweise trat der Auffassung Justins, Christus als der göttliche Logos Gottes sei als "logos spermatikos" (samenhaftes Wort) bereits in den wahren Erkenntnissen der heidnischen Philosophen gegenwärtig gewesen, die schroffe Ablehnung der Philosophie bei Tatian und Tertullian entgegen. Neben der Autorität der göttlichen Offenbarung brachten viele Kirchenväter, je mehr es in die frühkatholische Zeit hineinging, auch die Autorität der Glaubensregel und der diese wahrenden Kirche zur Geltung.
Sie sind das dritte Geschlecht nach den Heiden (= Griechen, Römern etc.) und Juden als das wahre Israel, das auserwählte Volk. Wie dieser Argumentationsgang gegenüber Juden und Heiden ablief, hat Apologetik v. Harnack treffend zusammengefasst: "Lautete der Vorwurf: 'Ihr seid abgefallene Juden`, so entgegnete man: 'Wir sind die Gemeinde des Messias, also die wahren Israeliten, und die direkten Nachfolger der Propheten.` Hieß es: 'Ihr seid nichts anderes als Juden`, so lautete die Antwort: 'Wir sind eine neue Schöpfung und ein neues Volk.` Warf man ihnen umgekehrt ihre Neuheit vor und dass sie von gestern seien, so replizierte man: 'Wir sind nur scheinbar das jüngere Volk; latent waren wir von Anfang an und vor allen Völkern stets vorhanden; wir sind das Urvolk Gottes.` Sagte man ihnen: 'Ihr verdient nicht zu leben`, so lautete die Antwort:
'Wir wollen sterben, um zu leben; denn wir sind Bürger der zukünftigen Welt und sind unserer Auferstehung gewiss" (a.a.O., S. 259 f.).
Das "Buch" – gemeint war zunächst das Alte Testament, welches die Christen wegen der in Jesus erfüllten Prophezeiungen für sich beanspruchten – genoss auch in hellenistischen Kreisen großes Ansehen, so dass man sich auf dieses berief. Für seine Autorität ins Feld geführt wurden u.a.: sein hohes Alter, der unerschöpfliche Reichtum seines Stoffes, die tiefe Weisheit der Gedanken, das Zurückgehen bis zur Schöpfung in einem klaren, durchsichtigen Bericht, die zahlreichen erfüllten Prophezeiungen (Weissagungsbeweis), die hochstehende Moral (Dekalog), der strenge Monotheismus.
Als streng monotheistische Religion lehnt es den Götzendienst in seinen unterschiedlichen Formen (heidnische Religionen und Kulte, Götterbilder, aber auch Kaiserkult) ab. Was den Kaiserkult angeht, wird immer wieder betont: Christen rufen nicht zur Revolution gegen den Staat auf, sondern sind willig, für den Kaiser zu beten und sich den Anordnungen, die das Zusammenleben betreffen, zu beugen. Christen sind loyale Bürger, die der Autorität des Staates gehorchen. Was sie allerdings nicht mitmachen können, ist die Verehrung eines Menschen als Gott, den Kaiserkult. Falls ihnen hier keine Gewissensfreiheit zugestanden wird, nehmen sie Strafe und Verfolgung auf sich – was dann auch tatsächlich eintrat. Der Kampf gegen den Götzendienst wurde nach außen zwar durchgehalten. Adolf von Harnack weist jedoch nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass heidnische Elemente – vor allem ab dem 3. Jahrhundert – doch teilweise in das Christentum eindrangen (Heiligenverehrung, >Marienkult, >Reliquienkult, gewisse Elemente im Priester- und Sakramentsverständnis u.a.). Dennoch führt es m. E. zu weit, von einer völligen "Hellenisierung" oder "Ausgestaltung des Christentums als synkretistische Religion" zu sprechen, wie v. Harnack es tut (vgl. a.a.O., 324ff.). Um den Rahmen der Darstellung nicht zu sprengen, muss allerdings an dieser Stelle ein kurzer Hinweis auf diese Problematik genügen.
Als ein klassisches Werk der frühchristlichen Apologetik gilt Tertullians um 198 n. Chr. verfasstes Buch "Apologetikum" . Kaiser Severus hatte den Übertritt zum Judentum und Christentum durch ein Edikt unter schwere Strafe gestellt. Eine Verfolgung kündigte sich an. Unter diesem Eindruck schrieb Tertullian sein an die "Spitzen der römischen Reichsregierung" adressiertes Werk. Darin kommen die eben kurz zusammengefassten Themen fast alle vor. Ich nenne als Beispiele einige Überschriften verschiedener Kapitel:
"4. Kap. Ob das Bestehen der christlichen Religion gegen die Staatsgesetze sei ...
7. Kap. Dass bei den Christen thyesteische Mahlzeiten und Blutschande geübt werden, ist noch niemals nachgewiesen worden, sondern reine Erfindung der Fama ...
9. Kap. Bei den Heiden dagegen werden Dinge, wie man sie den Christen aufbürdet, tatsächlich geübt.
10. Kap. Warum die Christen an der Verehrung der heidnischen Götter nicht teilnehmen wollen. Dieselben sind bloße vergötterte Menschen ...
17. Kap. Die Christen verehren den Schöpfer der Welt als den einzig wahren Gott. Auch die Heiden huldigen ihm manchmal unwillkürlich. 18. Kap. Gott hat sich geoffenbart. Die Hl. Schrift.
19. Kap. Die Schriften des Moses und ihr hohes Alter.
20. Kap. Erhabenheit und Glaubwürdigkeit der Hl. Schrift ...
23. Kap. Die Vermutung, dass die Dämonen, deren Dasein auch die Heiden anerkennen, mit den sogenannten Göttern identisch seien, wird durch Tatsachen bestätigt. Die Macht des Namens Christi und des Exorzismus über sie.
24. Kap. Da die heidnischen Götter keine Götter sind, so beschuldigt man die Christen, wenn sie dieselben nicht verehren, mit Unrecht des Atheismus; man muss ihnen vielmehr die Religionsfreiheit gewähren, deren sich im römischen Reiche die Kulte anderer Völker tatsächlich erfreuen ...
30. Kap. Die Weigerung, für das Wohl der Kaiser den Göttern zu opfern, kann keine Majestätsbeleidigung sein; denn die Christen beten statt dessen für die Kaiser zum wahren Gott ...
32. Kap. Die Christen wünschen den Bestand des römischen Reiches und schwören beim Wohlergehen des Kaisers.
33. Kap. Wenn sie den Kaiser nicht als ein göttliches Wesen ansehen und ihn nicht 'Gott` titulieren, so achten und lieben sie ihn darum doch, und gerade erst in der rechten Weise ...
44. Kap. Unter den Christen findet man keine Verbrecher.
45. Kap. Das Christentum enthält für seine Anhänger eine moralische Nötigung zum tugendhaften Verhalten.
46. Kap. Das Christentum ist nicht etwa nur eine neue Art philosophischer Lehre, sondern etwas Göttliches und steht hoch über jeder Philosophie.
47. Kap. Viele philosophische Ansichten sind weiter nichts als verderbte und verunstaltete Offenbarungslehren ...
50. Kap. Die Philosophen werden von den Christen an Standhaftigkeit übertroffen. Lob und Würde des Martyriums" (zitiert aus: Tertullians ausgewählte Schriften ins Deutsche übersetzt. 2. Band, hg. v. G. Esser, Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 24, Kempten/München o.J., 33ff.).
Im 50. Kapitel von Tertullians "Apologetikum", das die "Würde des Martyriums" beschreibt, findet sich folgende berühmte Stelle:
"Aber fahrt nur so fort, treffliche Präsidenten, die ihr beim Pöbel viel beliebter werdet, wenn ihr ihm Christen opfert; quält, martert, verurteilt uns, reibt uns auf; eure Ungerechtigkeit ist der Beweis unserer Unschuld! Deswegen duldet Gott, dass wir solches dulden. Denn noch neulich, als ihr eine Christin zum Hurenhaus anstatt zur Löwengrube verurteiltet, habt ihr das Geständnis abgelegt, dass bei uns eine Verletzung der Schamhaftigkeit für schlimmer gelte als jede Strafe, als jede Todesart. Und doch, die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nützt nichts; sie ist eher ein Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft (secta). Wir werden jedesmal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen (semen est sanguis Christianorum)" (a.a.O., S. 181 f.).
Aus Gottes Wort ergeben sich die zwei bereits erwähnten Ziele der christlichen Apologetik aller Zeiten: 1. den christlichen Glauben zu verteidigen und 2. das Evangelium in einer der jeweiligen Generation verständlichen Weise zu verkündigen. Diese Ziele sind wichtig. Aber sie sind noch nicht das Letzte und Eigentliche. Das letzte und eigentliche Ziel ist die Verherrlichung des allmächtigen Gottes, des Schöpfers der Welt, des Erlösers seiner Gemeinde, des Vollenders der Heilsgeschichte: "Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Herrlichkeit über alle Welt!" (Ps 57,6; vgl. 1. Chron 16,24; Ps 104,31; 150,2; Jes 49,3; Mt 6,13; Joh 15,8; 17,1ff.). Und um diesem Ziel der Verherrlichung Gottes zu dienen, ist es notwendig, dass möglichst viele Menschen in die Schar derer treten, die ihn lieben, ihn anbeten und ihm dienen mit Freude
– dass möglichst viele
"gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1. Tim 2,4). Deshalb betreiben wir christliche Apologetik.
Der Begriff "Methode" nun darf nicht im Sinne eines Pragmatismus oder einer Schablonisierung von Verfahrensweisen missverstanden werden. Bei der Apologetik geben wir dem Wirken des Geistes Gottes Raum, der – so wie der Wind – "weht, wo er will" (Joh 3,8). Er lässt sich nicht in starre Systeme oder Vorgehensweisen pressen, sondern wirkt in einer oft überraschenden Weise an Menschenherzen und -schicksalen. Das dürfen wir auch bei der Apologetik wissen und uns darüber freuen.
Von dieser Erkenntnis her ergeben sich für den christlichen Apologeten allerdings bestimmte Voraussetzungen . Er ist kein bloßer "Fachgelehrter", sondern ein Mensch, der mit dem Wirken des lebendigen Gottes auch in der Apologetik rechnet. Er ist ein durch den Geist Gottes wiedergeborener Christ, betet zu seinem Herrn, kennt sich in der Bibel aus und gehört zu einer Gemeinde, in der er sich zusammen mit anderen Christen unter dem Wort des Herrn versammelt. Er führt mit der Hilfe Gottes ein Leben, das so gut wie möglich mit der Lehre Christi übereinstimmt, so dass seine apologetische und missionarische Botschaft nicht unglaubwürdig wird. Apologet im weiteren Sinne ist an sich jeder Christ, der Jesus lieb hat und sich zu ihm bekennt. Die klassische Stelle 1. Petr 3,15f. ist an die gesamte Gemeinde gerichtet (s.o.). Dennoch ist es unbestreitbar, dass es eine besondere Berufung einzelner Christen zu einer speziellen, intensiveren Form der Apologetik – über das persönliche Glaubenszeugnis hinaus – gibt. Diese Berufung hängt mit Gnadengaben (Charismen) zusammen, die Gott diesen zuteilt, vor allem mit den Gaben der Erkenntnis (gnosis), der Lehre (didache) und der Unterscheidung der Geister (diakrisis ton pneumaton) (1. Kor 12,10; Eph 4,11).
Aus der Heiligen Schrift ergibt sich, dass wir unseren Mitmenschen als wertvolles Geschöpf Gottes ansehen, dem wir die christliche Wahrheit in Liebe sagen möchten:
"Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe" (Eph 4,15).
Wir wissen, dass er ohne die rettende Wahrheit verloren geht (Mk 16.16; Joh 3,16), aber es nützt gar nichts, wenn ihn die Art, wie wir diese Wahrheit übermitteln, abschreckt. Wichtig ist daher die Beachtung des richtigen Zeitpunktes (kairos) und das liebende Herz, um ihn für Jesus und das Evangelium zu gewinnen. Gerade bei apologetischen "Streitgesprächen" ist das Gebet um die rechte Haltung und Liebe besonders wichtig. Dass wir die Wahrheit in Liebe sagen, heisst nun aber keinesfalls, dass wir die Wahrheit relativieren oder verwässern. Vielmehr gilt die Regel: Sage die Wahrheit in Liebe, aber sage aus Liebe die Wahrheit! Dem Menschen ist überhaupt nicht geholfen, wenn wir aus falscher Rücksichtnahme Abstriche an der biblischen Botschaft machen. Das Evangelium kennt zwar eine Personentoleranz (wir sollen den Sünder als Geschöpf Gottes lieben, das zu Gott umkehren kann), aber keine Sachtoleranz (wir sollen die Sünde hassen, die er tut und die ihn von Gott fernhält) (Toleranz; vgl. Joh 8,11). Das gleiche gilt auf dem Gebiet der Erkenntnis, die stets mit der Existenz verbunden ist: Wir sollen den Irrenden als Geschöpf Gottes lieben, das zu Gott umkehren kann. Aber den Irrtum bzw. die Lüge, die er verbreitet, sollen wir hassen, aufdecken und widerlegen.
Francis Schaeffer betont zu Recht:
"Das Christentum ist nicht romantisch, es ist realistisch. Es ist realistisch, denn es lehrt, dass es ohne Wahrheit keine Hoffnung und ohne ausreichende Grundlage keine Wahrheit geben kann ... Das Christentum kennt die Krankheit (= die Verlorenheit der Welt und des Menschen; L. G.) und hat gleichzeitig das Heilmittel zur Verfügung ... Wenn wir das antithetische Denken aufgeben, haben wir nichts mehr zu sagen ... Das Christentum steht und fällt mit der Antithese, denn es gründet sich nicht auf irgendeinen abstrakten Wahrheitsbegriff, sondern auf den Gott, der da ist, und auf die Rechtfertigung des einzelnen" (Gott ist keine Illusion, 48 ff.).
Dass wir die Antithese zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Heil und Verdammnis festhalten, schließt nicht aus, dass wir nach Anknüpfungspunkten für die rettende Botschaft im Leben unserer Mitmenschen suchen. Diese Suche nach Anknüpfungspunkten ist legitim und wurde z.B. auch von den Aposteln praktiziert (vgl. Act 14,16f.; 17,23ff.). Allerdings sollte die Stoßrichtung dabei immer so sein, dass die Botschaft vom Anknüpfungspunkt mehr und mehr wegführt hin zum rettenden Herrn. Man vergleiche etwa die Areopagrede des Paulus, der die Zuhörer bei der Inschrift von "unbekannten Gott" "abholt", um sie von diesem Numinosum weg und zum lebendigen Herrscher des Himmels und der Erde hin zu führen (Act 17,23ff.).
Diese Tatsache eines Anknüpfungspunktes kann die andere Tatsache nicht verdecken, dass wir es bei der Apologetik mit einem Kampf der Geistesmächte zu tun haben. Die Bibel spricht es klar aus: Hinter den heidnischen Religionen und Ideologien dieser Welt verbergen sich gottfeindliche Dämonen: "Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel" (Eph 6,12). Gegen diese hilft nur die "geistliche Waffenrüstung", wie sie in Eph 6,13-18 beschrieben ist, vor allem das Wort Gottes, der Glaube und das Gebet – und dabei eine unbeugsame Liebe zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit und zum Evangelium des Friedens Gottes. In diesem Kampffeld, in dieser Spannung befindet sich nicht nur der Apologet, sondern auch sein (noch) nicht christlicher Gesprächspartner. Diesen wollen wir nun etwas näher betrachten.
Der heutige säkularisierte Mensch hat oftmals ein "Schutzdach" (F. Schaeffer) über sich gebaut, durch das er sich der Liebe und dem Anspruch Gottes entzieht. Dieses "Schutzdach" kann intellektuell ("Ich kann nicht glauben") oder aber (un)moralisch ("Ich will nicht glauben") beschaffen sein. Ist das Letztere der Fall (und das dürfte sogar bei der überwiegenden Mehrheit unserer Mitmenschen zutreffen), dann hilft es am ehesten, ihn von falschen Vorstellungen über das Christentum ("Religion der Verbote" u.ä.) zu befreien und ihn auf die ihm vielleicht noch ganz unbekannte Dimension der wirklichen Freiheit durch Jesus Christus hinzuweisen – auf den Herrn, der allein ein befreites Gewissen und ein sinnvolles, erfülltes Leben schenken kann. Häufig ist jedoch auch ein intellektuelles "Schutzdach" vorhanden (im Unterschied von F. Schaeffer würde ich lieber von einer "Abschirmung" reden, da der Begriff "Schutzdach" die Abwehr von etwas Schlechtem assoziieren könnte). Dieses intellektuelle "Schutzdach", diese "Abschirmung" kann – wie auch die moralische "Abschirmung" – wirksam nur der Heilige Geist zerbrechen. Da dieser aber durch uns wirken möchte und da wir gerufen sind, "Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in uns ist", möchte ich nun – trotz der erwähnten Vorbehalte – folgende "Methoden" nennen. Ich beziehe an dieser Stelle im wesentlichen Anregungen von Francis Schaeffer ein.
Zunächst ist in einem apologetischen Gespräch oder in einer Diskussion wichtig, dass die Begriffe sauber definiert werden, derer man sich bedient oder über die geredet wird. Mit den gleichen Wörtern kann ansonsten etwas völlig Unterschiedliches gemeint sein. So ist es beispielsweise keineswegs dasselbe, wenn ein >Anthroposoph und ein Christ von "Christus" reden, da der erstere ein kosmisches Sonnenwesen auf der vierten Stufe der Geisterhierarchie, der Christ jedoch den lebendigen Gott in der zweiten Person der Dreieinigkeit darunter versteht. Auch Begriffe wie "Wiedergeburt", "Meditation", "Erlösung", ja auch "Gott" selber werden heute von sehr unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen verwendet, so dass keineswegs immer die biblisch-christliche Bedeutung gemeint sein muss, wo diese gebraucht werden.
Beim Gespräch selber können wir davon ausgehen, dass sich wie wir, so auch unser Gesprächspartner, wenn auch unbewusst, im Bereich der von Gott geschaffenen Welt und damit im "Sog" von Gottes Wahrheit befindet. Er ist wie wir aus der guten Schöpferhand Gottes hervorgegangen, hat sich aber von seinem Herrn losgesagt oder ihn nie ernstlich gesucht. Aber die Ahnung Gottes, die Sehnsucht nach ihm ist, wenn auch verschüttet, in seinem Herzen vorhanden (vgl. Röm 1,18ff.; 2,14 ff.). Es gibt noch "Ewigkeit in seinem Herzen" (Don Richardson). Das ist ein entscheidender Anknüpfungspunkt für den christlichen Apologeten. Er kann seinem Gesprächspartner helfen, die "Abschirmung" zu entfernen, die ihn von seinem Schöpfer trennt. Er kann ihn in geradezu sokratischer "Mäeutik" (gedanklicher Geburtshilfe, Hebammenkunst) zur letzten (In)konsequenz seines rein menschlich-religiösen oder philosophischen Systems führen und ihn dadurch für die befreiende Antwort der christlichen Botschaft gewinnen. Francis Schaeffer hat ausführlich auf diese Tatsachen hingewiesen.
Er schreibt:
"Nicht-christliche Denkvoraussetzungen widersprechen einfach dem, was Gott geschaffen hat, einschließlich des menschlichen Wesens ... Die Bibel ... lehrt, dass der Mensch nicht einmal in der Hölle nach seinen nicht-christlichen Denkvoraussetzungen leben kann. 'Selbst wenn ich mein Bett in der Hölle mache, siehe du, Gott, bist doch da` (Ps 139,8) ... Keiner – weder eine Gruppe noch ein einzelner – kann sein nicht-christliches System theoretisch oder praktisch zum logischen Schluss führen" (a.a.O., 135f.).
Und weiter:
"Begegnen wir also einem Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts – gleich welchen Bildungsniveaus oder welcher sozialen Stellung -, begegnen wir in ihm einem Menschen in einem Spannungsfeld (nämlich zwischen seinem logisch nicht haltbaren Weltanschauungssystem und dem wahren christlichen Glauben; L. G.), und diese Spannung wirkt sich bei unserem Gespräch mit ihm zu unserem Nutzen aus ... irgendwo ist ein Punkt der Inkonsequenz. Er nimmt eine Haltung ein, die er nicht logisch zu Ende verfolgen kann; und das ist nicht nur eine intellektuelle Spannung, sondern sie liegt in seinem Wesen als Mensch ... Der gefallene Mensch befindet sich im Widerspruch zu allem, was da ist, einschließlich dessen, was er selbst ist ... Jeder Mensch befindet sich an irgendeinem Punkt der Linie zwischen der wirklichen Welt und den logischen Schlussfolgerungen seiner nicht-christlichen Denkvoraussetzungen ... je konsequenter ein Mensch seinen nicht-christlichen Denkvoraussetzungen folgt, desto mehr entfernt er sich von der Wirklichkeit; je näher er der Wirklichkeit kommt, desto weniger ist er seinen eigenen Denkvoraussetzungen treu" (a.a.O., 136f.)
Entdeckt ein Mensch den Selbstwiderspruch, in dem er lebt, dann muss der Christ "in Liebe und aufrichtigem Mit-Leid ... dieses Schutzdach entfernen und zulassen, dass die Wahrheit der objektiven Welt und seines eigenen Menschseins ungehindert über ihn hereinbricht. Ohne dieses Dach ist jeder Mensch schutzlos und verwundbar der Wahrheit dessen, was wirklich da ist, ausgeliefert. Die Wahrheit, die ihn zunächst trifft, ist nicht ein Dogma über die Wahrheit der Heiligen Schrift, sondern die Wahrheit der objektiven Welt und die Wahrheit seines 'Menschseins`. So erkennt er seine Not. Erst dann kann ich ihm anhand der Heiligen Schrift die Ursache seiner Verlorenheit und den Ausweg daraus zeigen" (a.a.O., 143f.).
hängen miteinander zusammen. Die Veränderung des Denkens bewirkt eine Veränderung der Existenz, die Veränderung der Existenz erfordert eine Veränderung des Denkens. Es gibt deshalb keine Bekehrung (metanoia) des Menschen ohne gleichzeitige Bekehrung seines Denkens. Denn Denken und Handeln sind eine Einheit. Und deshalb ist die Apologetik unverzichtbar.
Ebenso wenig wie Denken und Sein stellen >Offenbarung und Erfahrung einen wirklichen Gegensatz dar. Manche Theologen (z.B. Karl Barth, Cornelius van >Til) möchten in ihrer Dogmatik und Apologetik allein bei dem sich in souveräner Freiheit offenbarenden Gott ansetzen. Apologetik kann sich nach ihrer Meinung nicht oder nicht zuerst auf der empirischen, allgemein zugänglichen, rational-logischen Ebene bewegen, sondern nur auf der – im strengen Sinne theo-logischen, von Gottes Wort und dem Glauben her getragenen Ebene (>Presuppositionalismus). Im direkten Gegensatz hierzu haben Theologen >scholastischer Prägung die philosophisch-rationale Erfassbarkeit und Nachweisbarkeit Gottes – auch unabhängig von seiner Offenbarung in der Heiligen Schrift – postuliert und praktisch durchzuführen versucht, z.B. in Gestalt sogenannter Gottesbeweise. Im Blick auf diese Diskussion betonen wir: Wir sehen keinen Gegensatz zwischen einer empirischen und rationalen Verteidigung des Glaubens einerseits und einer presuppositionalistischen Berufung auf Gott und sein offenbarendes Wort andererseits, sondern Komplementarität, gegenseitige Ergänzung. Weil Gott alles geschaffen hat, hat er auch die menschliche Vernunft erschaffen und den empirisch-rationalen Zugang – etwa über die Werke der Schöpfung und das menschliche Gewissen – zu ihm ermöglicht (vgl. Röm 1,19ff.; 2,15). Infolge der Verfinsterung des menschlichen Herzens durch die Sünde (Röm 1,21) ist aber ohne Wortoffenbarung durch die bloße Vernunft kein eindeutiger und heilbringender Zugang zu Gott möglich, sondern es kann bestenfalls eine Vorstufe zum Glauben gelegt werden. Der rettende Glaube selber ist nicht unvernünftig, nicht im Widerspruch zur menschlichen Vernunft stehend, sondern übervernünftig, die menschliche Vernunft mit ihren durch die Sünde verursachten Grenzen überschreitend (Glaube und Vernunft).
Gemäss dieser Erkenntnis betreiben wir Apologetik in zwei Stufen: a. auf der empirisch-rationalen, allgemein einsichtigen Ebene; b. auf der theo-logischen Ebene des geoffenbarten und in der Bibel niedergeschriebenen göttlichen Wortes. Die empirisch-rationale Ebene kann dabei nur Vorstufe oder Hilfsmittel für die entscheidende biblisch-theologische Argumentation sein. Auch für die christliche Apologetik gilt:
"Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes (= Denkens und Wollens; nous), damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene" (Röm 12,2).
Lit.: F. Schaeffer, Gott ist keine Illusion, 1991; L. Gassmann, Wie können wir Zeitströmungen begegnen? Grundlagen, Ziele und Methoden christlicher Apologetik, 1998.
Lothar Gassmann
Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):
1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch
Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de