Apologetik

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1. Begriff, Wesen und Auftrag der Apologetik:

Der Begriff "Apologetik" kommt vom griechischen Verb "apologeomai" ("sich verteidigen") bzw. vom Substantiv "apologia" ("Verteidigung, "Rechtfertigung"). Zwei Begriffe werden gebraucht: "Apologetik" und "Apologie". W�hrend "Apologie" die schriftliche oder m�ndliche Verteidigung selbst ist, also die Verteidigungsschrift oder -rede, bezeichnet "Apologetik" die wissenschaftliche Besinnung �ber die M�glichkeit einer Apologie, einer Verteidigung. Die Apologie meint also den praktischen Vollzug, die Apologetik die Reflektion �ber den Vollzug und die Grundlagen der Verteidigung. Allerdings werden die beiden Begriffe nicht immer auseinander gehalten. So hat es sich eingeb�rgert, den Begriff "Apologetik" im umfassenden Sinn sowohl f�r die Theorie als auch f�r die Praxis der Verteidigung zu verwenden. Im folgenden geht es um die christliche Apologetik. Auch wenn das Adjektiv "christlich" nicht immer eigens genannt wird, so ist doch die Apologetik in diesem Sinne gemeint. Die christliche Apologetik ist die Verteidigung des christlichen Glaubens bzw. der christlichen Wahrheit gegen�ber einer nichtchristlichen Umwelt.

Die christliche Wahrheit ist vielf�ltigen Angriffen ausgesetzt und muss deshalb verteidigt werden. Dabei ist nicht nur an Kampf � etwa gegen Angriffe von Seiten heidnischer Religionen und antichristlicher Ideologien � zu denken, sondern auch ganz einfach an die Bezeugung des Evangeliums in die Situation des (heutigen) suchenden und fragenden Menschen hinein. Mit Francis Schaeffer, einem der wohl bedeutendsten christlichen Apologeten des 20. Jahrhunderts, l�sst sich Wesen und Auftrag der christlichen Apologetik durch folgende zwei Ziele definieren:

Apologetik besitzt also eine lehrm��ige (systematische) und gleichzeitig eine missionarische Dimension. Sie unterscheidet sich jedoch sowohl von der Systematischen Theologie als auch von der Missionswissenschaft durch ihre besondere Zielsetzung, n�mlich sich mit den Angriffen gegen die christliche Wahrheit auseinander zu setzen bzw. Denkhindernisse auf dem Weg zum Glauben zu entfernen. "Sagt die Missionspredigt, worin das Evangelium besteht, so antwortet Apologetik auf kritische Einw�nde bzw. unbegr�ndete Vorurteile gegen�ber dem Evangelium" (Gerhard Ruhbach, ELThG Bd. 1, S. 98). Innerhalb der Systematischen Theologie hat die Apologetik heute ihren Ort � zumindest rudiment�r � in den Prolegomena (Einleitungen) bzw. der Fundamentaltheologie. Hier geht es vor allem um die Er�rterung des Verh�ltnisses von menschlicher Vernunft und g�ttlicher Offenbarung sowie des Wesens und Auftrags der Heiligen Schrift. �ber solche Ans�tze kommt die heutige Apologetik an den kirchlichen und staatlichen Fakult�ten im deutschsprachigen Raum aber leider kaum hinaus. Ein eigener Lehrstuhl f�r Apologetik existiert dort nirgends. Die Notwendigkeit der christlichen Apologetik ist jedoch zu allen Zeiten gegeben � und heute leider mehr als je zuvor. Die Gegenmission nichtchristlicher >Religionen und Ideologien im Abendland, die Aufweichung biblischer Lehren und Werte, die Zunahme der Sekte n und Kulte, der rapide moralische Zerfall, die schleichende Unterwanderung der Kirchen durch den Zeitgeist � das sind nur einige Beispiele, welche die dringende Notwendigkeit christlicher Apologetik in unseren Tagen deutlich machen.

Warum also Apologetik?

Die Antwort ist klar: Der christliche Glaube wird von vielen Seiten bedroht und bedarf der Verteidigung. Aber das ist nicht alles. Wir betreiben Apologetik nicht zum Selbstzweck. Bei der Verteidigung des Glaubens geht es nicht um eine nur intellektuelle Diskussion. Nein, es geht um viel mehr: Es geht um die Existenz. Es geht um Sein oder Nichtsein, Heil oder Verdammnis, Leben oder Tod. Es geht darum, dass Menschen ins Reine kommen k�nnen mit Gott, dass sie eine lebendige Beziehung zu ihrem Sch�pfer erhalten, dass sie das ewige Leben erlangen. Und daf�r kann das Wegr�umen intellektueller Hindernisse eine entscheidende Hilfe sein. Darin liegt also die wichtigste und immer gleich bleibende Aktualit�t der Apologetik: Menschen zu helfen, dass sie Christen werden k�nnen � und Christen zu helfen, dass sie Christen bleiben k�nnen � durch alle Wirrnisse und Verf�hrungen der Zeit hindurch.

2. Biblische Grundlagen der Apologetik:

Die klassische Stelle zur Begr�ndung der christlichen Apologetik findet sich in 1. Petr 3,15 f:

"Aber den Herrn Christus heiligt (hagiaste) in euren Herzen, immer bereit zur Verteidigung/Verantwortung (apologian) gegen�ber jedem, der von euch Rechenschaft/ein Wort (logon) fordert �ber die Hoffnung (elpidos), die in euch ist, und das mit Sanftmut (prautetos) und (Gottes-)Furcht (phobou), ein gutes Gewissen habend, damit, worin ihr verleumdet werdet, die zuschanden werden, die euren guten Wandel (agathen anastrophen) in Christus schm�hen."

Dieses Wort ist urspr�nglich an die bedr�ngte Gemeinde in der Zerstreuung gerichtet. In dieser Situation wird den Gl�ubigen mitgeteilt, wie sie sich verhalten k�nnen, um die Verleumdungen der Verfolger zu widerlegen und denen Antwort zu geben, die sie nach ihrem Glauben fragen. Hier sind die zwei klassischen Ziele der Apologetik aller Zeiten enthalten: Verteidigung des Glaubens und Verk�ndigung des Evangeliums. Die Voraussetzung daf�r ist die "Heiligung des Herrn Jesus in den Herzen":

die innige Gemeinschaft mit ihm, die v�llige Hingabe an ihn, die allein Kraft zum Bekenntnis und guten Wandel schenkt und die Menschenfurcht �berwinden kann. Wo diese innige Gemeinschaft mit dem Herrn besteht, sp�ren die Mitmenschen den Christen die Hoffnung ab, die in ihnen ist, und fragen sie nach dem Grund dieser Hoffnung: nach Jesus Christus. Hier wird der untrennbare Zusammenhang zwischen Lehre und Leben betont. Einerseits steht am Anfang nicht die Lehre, sondern das Leben: Die Mitmenschen werden angesichts des Lebenswandels und der Ausstrahlung der Christen neugierig und m�chten mehr �ber die Hintergr�nde wissen. Andererseits steht aber auch die Lehre am Anfang; denn die Hoffnung, die in den Gl�ubigen ist, beruht auf der �berlieferung von Jesus Christus und seinem Erl�sungswerk in Kreuzestod und Auferstehung. So gehen Lehre und Leben miteinander Hand in Hand. Wie soll nun die Lehre weitervermittelt werden? In Sanftmut und Gottesfurcht .

"In Sanftmut" bedeutet: nicht in Hochmut und pharis�ischem �berlegenheitsgef�hl, nicht in �bermut und Aufdringlichkeit, nicht in Unmut und Lieblosigkeit, sondern dem�tig, zur�ckhaltend und in Liebe. "In Gottesfurcht" bedeutet: nicht in Kleinmut und Menschenfurcht, sondern im Vertrauen auf das Wirken und die Kraft des Herrn.

Die Beispiele f�r Apologetik in der Bibel sind zahlreich. Ich beschr�nke mich auf einige Hinweise aus dem Neuen Testament. Jesus selber hat in Streitgespr�chen und Gleichnissen auf die Fragen seiner Gegner geantwortet, aber ihnen auch Gegenfragen gestellt. Themen waren etwa das Sabbatgebot, die Steuerpflicht und die Auferstehung der Toten (Mt 21,23-22,46). Seine Antworten oder Fragen waren von so �bermenschlicher Weisheit, dass seine Gegner am Ende sprachlos waren:

"Und niemand konnte ihm ein Wort antworten, auch wagte niemand von dem Tage an, ihn hinfort zu fragen"

� so schlie�t Matth�us seine Schilderung der Streitgespr�che der Pharis�er und Sadduz�er mit Jesus ab (Mt 22,46). Aber nicht nur durch seine Worte beglaubigte sich Jesus als der Messias, sondern auch durch die Zeichen und Wunder, die er vollbrachte, sowie durch die zahlreichen Prophezeiungen, die in seinem Leben in Erf�llung gingen.

Die Apostel waren Zeugen der Wahrheit, die in Jesus erschienen ist, und Vermittler der Wahrheit des g�ttlichen Wortes, des rettenden Evangeliums von der Erl�sung allein aus Gnaden (Joh 14,6; 17,17). Mit kompromissloser Sch�rfe wird in den Evangelien, den Briefen und der Johannesapokalypse durchgehend zwischen Wahrheit und L�ge unterschieden. Auseinandersetzungen werden gef�hrt mit der Magie (Act 8,4-25), dem heidnischen >G�tzendienst und Polytheismus (R�m 1,22 ff.; 1. Kor 8,4ff.; 10,14ff.), einer heidnischen und in Widerspruch zu Gottes Offenbarung tretenden >Philosophie (Kol 2,8ff.; 1. Kor 1,18ff.), der Gnosis (1. Tim 6,20f.), einem falschen Evangelium judaisierender >Gesetzlichkeit (Gal 5,1ff.), aber auch eines heidnischen Libertinismus (1. Wo es um Wahrheit und L�ge � und damit zugleich um Heil oder Verdammnis! � geht, gibt es keine Grauzone, kein Sowohl-Als auch, keine Toleranz gegen�ber den Irrlehrern und Verf�hrern, den L�genaposteln und falschen Propheten (vgl. Mt 7,15f. 19; Gal 1,6-9; Apk 2,14-16). Im Umgang mit Irrlehrern und Verf�hrern zu einem gottfeindlichen Leben gibt es f�r die Gemeinde Jesu nur zwei M�glichkeiten: Entweder der Irrende kehrt um � oder er muss sich von der Gemeinde trennen. Die klassischen Stellen f�r die Praktizierung der Gemeinde zucht finden sich in Mt 18,15-17 und 2. Kor 5.

In ihrer Argumentation bedienen sich die Apostel zweier � zun�chst widerspr�chlich erscheinender � Mittel: zum einen der scharfen Abgrenzung gegen�ber dem Heidentum mit seinen falschen Lehren und seinem gottfeindlichen Lebenswandel; zum anderen der Ankn�pfung an die Lebens- und Gedankenwelt der Heiden und des Ernstnehmens ihrer Fragen. Bei n�herem Hinsehen schlie�en sich aber diese Methoden keineswegs gegenseitig aus. Denn auch da, wo die Ankn�pfung an das Lebensgef�hl der Umwelt ge�bt wird, dient diese doch nur dazu, um vom alten Denken und Lebenswandel wegzuf�hren � hin zum neuen Sein der Kinder Gottes. Zwei Beispiele hierf�r m�chte ich nennen.

Zum einen wird in den Briefen des Paulus immer wieder deutlich, wie er die Gemeinde Jesu Christi gegen�ber den heidnischen G�ttern abgrenzt. So schreibt er z.B. an die Gl�ubigen in Thessalonich: "Ihr habt euch bekehrt zu Gott von den Abg�ttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott" (1. Thess 1,9). Zum anderen wird etwa in Act 17,16-33 berichtet, wie Paulus in seiner Missionspredigt auf dem Athener Areopag an die Gottesahnung und die Weisheit der Griechen ankn�pft, um ihnen � in Weiterf�hrung und Gegensatz hierzu! � den einen und wahren Gott zu verk�ndigen. Dass Paulus an das Denken der Griechen ankn�pft, aber ihnen keineswegs "nach dem Mund redet", wird an der Reaktion der Zuh�rer deutlich. Als er den wahren Gott als den Vater des gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus verk�ndigt, teilt sich das Publikum in solche, die spotten und sich abwenden, und solche, die sich dem neuen Glauben anschlie�en (Act 17,32f.). Mit dieser doppelten Reaktion muss jede Form von Apologetik rechnen.

Ein �hnlicher Gegensatz scheint bei oberfl�chlicher Betrachtung zwischen Stellen wie R�mer 1f. und 1. Kor 1f. zu bestehen. Im R�merbrief kn�pft Paulus an die allgemeine Erkennbarkeit Gottes in den Werken der Sch�pfung und im menschlichen Gewissen an (R�mer 1,19f.; 2,14f.). Im Korintherbrief hingegen spricht er von der verborgenen Weisheit (sophia) Gottes, die von der Welt nicht erkannt werden kann (1. Kor 2,6ff.). Der Gegensatz l�st sich auf, wenn man zur noetischen (erkenntnism��igen) die ontische (seinsm��ig-existentielle) Dimension hinzuzieht. Dann ergibt sich: "Die sophia der Griechen (und R�mer; L. G.) ist sophia, aber von der S�nde entstellt" (E. Kamlah, RGG Bd. 1, Sp. 479). Paulus kann zwar die sittlichen und philosophischen F�higkeiten seiner Mitmenschen loben, aber in Bezug auf den wahren Gott, seine Erkennbarkeit und das Halten seiner Gebote ist "Verfinsterung" im Heidentum eingetreten: "Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverst�ndiges Herz ist verfinstert" (R�m 1,21). Und da dies so ist, bleibt trotz und neben aller "abholenden" Ankn�pfung die Konfrontation in der Apologetik unverzichtbar, die den H�rer der Botschaft vor die Entscheidung stellt: f�r oder gegen Jesus Christus, f�r oder gegen den wahren Gott, f�r oder gegen das Heil und ewige Leben.

Denn:

"Was die Heiden opfern, das opfern sie den D�monen und nicht Gott" (1. Kor 10,20).

Und:

"Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1. Kor 3,11).

3. Zur Geschichte der Apologetik:.

Ihre Bl�tezeit erlebte die christliche Apologetik zur Zeit der Alten Kirche, insbesondere im 2. und 3. Jahrhundert nach Christi Geburt. Es war die Zeit der Auseinandersetzung zwischen dem sich ausbreitenden Christentum und einem ihm zun�chst feindlich gegen�bertretenden heidnischen Staats- und Gesellschaftswesen. Ab dem 4. Jahrhundert, als die Christenheit unter Kaiser Konstantin (306-337) staatliche Anerkennung erfuhr und schlie�lich (380) zur Staatsreligion wurde, verlagerte sich die Verteidigung des Glaubens immer mehr von au�en nach innen: auf innerkirchliche Konflikte und dogmatische Streitfragen, zun�chst vor allem in Bezug auf Trinit�tslehre, Christologie und Ekklesiologie. Rolf Hille bezeichnet daher das Mittelalter sogar als "'tausendj�hriges Interim (Zwischenzustand) der Apologetik" (ELThG Bd. 1, S. 101).

Dennoch h�rten die Angriffe von au�en gegen das Christentum nie auf. Sie nahmen in der Neuzeit und Moderne � seit dem Wiedererstarken der antiken heidnischen Kultur in der >Renaissance und dem Siegeszug des Humanismus und der Aufkl�rungsphilosophie � zu und haben insbesondere seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine ungeahnte Massivit�t erreicht. Vorbereitet durch aufkl�rerische Ideale wie Autonomie, Toleranz und Rationalit�t wurde das traditionelle Christentum in seiner G�ltigkeit und >Absolutheit mehr und mehr infrage gestellt. Durch das >Hegelsche Prinzip der Dialektik und Synthese wurde die Antithese von Wahrheit und L�ge abgel�st und die Absolutheit des christlichen Glaubens untergraben. Seither lebt die Menschheit "unterhalb der Linie der Verzweiflung" (Francis Schaeffer): ohne absolute Werte, ohne einen absoluten Halt. Was ihr �brig bleibt, ist lediglich ein irrationaler Sprung ins Ungewisse, in den Mystizismus. Eine F�lle von Religionen, Sekten, Kulten und Ideologien ist in das denkerische und religi�se Vakuum eingedrungen, welches durch die "Preisgabe der (christlichen) Vernunft" (Schaeffer) und die Ablehnung ihres Heilsangebots durch die s�kularisierten Massen entstanden ist. Rolf Hille schreibt treffend:

"Die Entwicklung des Christentums um die Wende zum dritten Jahrtausend neigt sich wieder zu ihrer apostol (ischen) Ausgangslage. In der bewusst nachchristl (ichen) Kultur der Moderne ist jedoch kein R�ckzug, sondern erneut die Kraft der apologetischen Mission gefordert; betrieben von einer Minderheitskirche, die ihre Bestimmung, 'Fremdlinge in der Zerstreuung` zu sein (1 Petr 1,1) bewusst annimmt und mission (arisch) lebt" (ELThG Bd. 1, S. 102).

Das Ende kehrt zum Anfang zur�ck.

Keine Epoche der Kirchengeschichte (au�er vielleicht der unsrigen) hat eine solche Vielzahl und Intensit�t von apologetischen Schriften hervorgebracht wie die Zeit der Alten Kirche . Davon seien (ohne Anspruch auf Vollst�ndigkeit) nur die wichtigsten genannt (in Klammern die ungef�hren Jahreszahlen des Erscheinens):

Im 2. Jahrhundert: Quadratus aus Kleinasien: Apologie an Kaiser Hadrian (ca. 130); Aristides von Athen: Apologie an Kaiser Hadrian (ca. 130); Ariston von Pella: Dialog zwischen einem Christen und einem Juden �ber Christus (ca. 140);

Justin von Rom: Apologie an Antoninus Pius (ca. 155); Dialog mit dem Juden Tryphon (ca. 160); Apollinaris von Hierapolis: F�nf Apologien gegen Juden, Griechen und Montanisten (ca. 160); Tatian von Rom: Rede an die Griechen (ca. 165); Melito von Sardes: Apologie an Kaiser Mark Aurel (ca. 172); Athenagoras von Athen: Bittschrift f�r die Christen an Kaiser Mark Aurel (ca. 177); �ber die Auferstehung (ca. 180); Iren�us von Lyon: Entlarvung und Widerlegung der f�lschlich so genannten Gnosis (= Gegen die H�resien; ca. 180/189); Tertullian: Gegen Marcion (ca. 190); An die Heiden (ca. 197); Apologetikum (ca. 198).

Im 3. Jahrhundert: Clemens von Alexandrien: Protreptikos (ca. 200); Hippolyt von Rom: Widerlegung s�mtlicher H�resien (ca. 225); Origenes von Alexandrien: Gegen Kelsos (ca. 248).

Im 4. Jahrhundert: Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte (ca. 315); Athanasius von Alexandrien: Gegen die Heiden (ca. 319); Reden gegen die Arianer (ca. 350).

Im 5. Jahrhundert: Aurelius Augustinus von Hippo: Vom Gottesstaat (413-426).

Wie allein schon diese Namen zeigen, haben sich im Grunde fast alle "Kirchenv�ter" um die Apologetik bem�ht. Dogmatik und Apologetik waren in der fr�hen Christenheit untrennbar, ja viel mehr: Die Dogmatik ging erst aus den apologetischen Schriften hervor. Die Apologetik war also da, bevor es eine Dogmatik, eine systematische Entfaltung des christlichen Glaubens gab. Die Angriffe der Gegner zwangen die Christenheit erst, ihren Glaubens in ein System zu fassen, um ihn logisch �berzeugend zu begr�nden und zu verteidigen. Damit war freilich die Gefahr der �berfremdung biblischer Aussagen durch philosophische Kategorien verbunden, welcher die meisten Kirchenv�ter nicht ganz entronnen sind (vgl. z.B. >Justin).

Worum ging es den fr�hen Apologeten, namentlich im 2. und 3. Jahrhundert nach Christi Geburt? Ihre �bereinstimmende Zielsetzung l�sst sich in drei Punkte fassen:

a. Abwehr des Vorwurfs der Feindschaft gegen Kaiser und Staat, des crimen maiestatis et religionis laesae;

b. Beweis der �berlegenheit des Christentums �ber die heidnischen Kulte und Religionen;

c. Nachweis der sittlich-moralischen Lauterkeit und Zuverl�ssigkeit der Christen gegen�ber anderslautenden Vorw�rfen  wie Kannibalismus (im Blick auf die Agape-Mahle), Atheismus (wegen der Ablehnung der Staatsg�tter) und Blutschande (wegen dem Friedenskuss). Um diese drei Ziele zu erreichen, verwendeten sie eine Vielzahl von Argumentationen, Zitaten und Beweisen. Die wichtigsten Argumentationen fasse ich kurz in folgende Punkte zusammen (vgl. hierzu Apologetik v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 1924, 111-331):

a. Das Christentum bringt das Evangelium vom Heiland und von der Heilung.

Es beruht auf Jesus Christus, der in die Welt kam, um die Menschen vom Verderben zu erretten und ihnen auch k�rperlich durch Heilungen Gutes zu tun. In seiner Erl�sungstat am Kreuz und in seiner Auferstehung liegt das Einzigartige, das von keiner anderen Religion vollbracht werden kann: die wirkliche Befreiung von den S�nden und das ewige Leben bei Gott.

b. Das Christentum repr�sentiert das Evangelium der Liebe und Hilfeleistung.

Es ist die Religion des sittlichen Ernstes und der Heiligkeit. Orientiert am Vorbild Jesu Christi, der den Menschen nur Gutes tat, sind auch seine J�ngerinnen und J�nger darauf bedacht, Gutes zu tun und ihren Mitmenschen zu helfen. Immer wieder weisen die Apologeten auf die vielen Taten der Liebe hin, welche die Christen vollbringen: Unterst�tzung der Witwen und Waisen, der Armen und Kranken, Sorge f�r die Fremden, Sklaven und Gefangenen. Dadurch sollen sittliche Bedenken zerstreut werden. Da es �ber die Zusammenk�nfte der Christen zum Agape-Mahl mancherlei Ger�chte (Kannibalismus, Gelage) im Volk gibt, wird dessen geistlicher und reiner Charakter betont.

c. Das Christentum ist die Religion des Geistes und der Kraft.

Es weist eine F�lle von au�ergew�hnlichen Erscheinungen auf, die seine �bernat�rliche Herkunft beglaubigen: Wunder, Heilungen, Befreiung von D�monen, Tr�ume, Visionen, erf�llte Prophezeiungen und vieles mehr.

d. Das Christentum ist die Religion der Autorit�t und Vernunft.

Es beruht auf der Autorit�t der g�ttlichen Offenbarung, die jede blo�e Philosophie �bertrifft. "Das Christentum ist g�ttliche Offenbarung, aber es ist zugleich die reine Vernunft, die wahre Philosophie" (Apologetik v. Harnack, a.a.O., 245). In ihrer Haltung zur griechischen und r�mischen Philosophie (>Platonismus, >Stoa usw.) unterschieden sich die Apologeten zum Teil erheblich. Beispielsweise trat der Auffassung Justins, Christus als der g�ttliche Logos Gottes sei als "logos spermatikos" (samenhaftes Wort) bereits in den wahren Erkenntnissen der heidnischen Philosophen gegenw�rtig gewesen, die schroffe Ablehnung der Philosophie bei Tatian und Tertullian entgegen. Neben der Autorit�t der g�ttlichen Offenbarung brachten viele Kirchenv�ter, je mehr es in die fr�hkatholische Zeit hineinging, auch die Autorit�t der Glaubensregel und der diese wahrenden Kirche zur Geltung.

e. Die Christen sind das neue Volk und das "dritte Geschlecht".

Sie sind das dritte Geschlecht nach den Heiden (= Griechen, R�mern etc.) und Juden als das wahre Israel, das auserw�hlte Volk. Wie dieser Argumentationsgang gegen�ber Juden und Heiden ablief, hat Apologetik v. Harnack treffend zusammengefasst: "Lautete der Vorwurf: 'Ihr seid abgefallene Juden`, so entgegnete man: 'Wir sind die Gemeinde des Messias, also die wahren Israeliten, und die direkten Nachfolger der Propheten.` Hie� es: 'Ihr seid nichts anderes als Juden`, so lautete die Antwort: 'Wir sind eine neue Sch�pfung und ein neues Volk.` Warf man ihnen umgekehrt ihre Neuheit vor und dass sie von gestern seien, so replizierte man: 'Wir sind nur scheinbar das j�ngere Volk; latent waren wir von Anfang an und vor allen V�lkern stets vorhanden; wir sind das Urvolk Gottes.` Sagte man ihnen: 'Ihr verdient nicht zu leben`, so lautete die Antwort:

'Wir wollen sterben, um zu leben; denn wir sind B�rger der zuk�nftigen Welt und sind unserer Auferstehung gewiss" (a.a.O., S. 259 f.).

f. Das Christentum ist die Religion des Buchs und der erf�llten Geschichte.

Das "Buch" � gemeint war zun�chst das Alte Testament, welches die Christen wegen der in Jesus erf�llten Prophezeiungen f�r sich beanspruchten � genoss auch in hellenistischen Kreisen gro�es Ansehen, so dass man sich auf dieses berief. F�r seine Autorit�t ins Feld gef�hrt wurden u.a.: sein hohes Alter, der unersch�pfliche Reichtum seines Stoffes, die tiefe Weisheit der Gedanken, das Zur�ckgehen bis zur Sch�pfung in einem klaren, durchsichtigen Bericht, die zahlreichen erf�llten Prophezeiungen (Weissagungsbeweis), die hochstehende Moral (Dekalog), der strenge Monotheismus.

g. Das Christentum f�hrt den Kampf gegen Polytheismus und G�tzendienst.

Als streng monotheistische Religion lehnt es den G�tzendienst in seinen unterschiedlichen Formen (heidnische Religionen und Kulte, G�tterbilder, aber auch Kaiserkult) ab. Was den Kaiserkult angeht, wird immer wieder betont: Christen rufen nicht zur Revolution gegen den Staat auf, sondern sind willig, f�r den Kaiser zu beten und sich den Anordnungen, die das Zusammenleben betreffen, zu beugen. Christen sind loyale B�rger, die der Autorit�t des Staates gehorchen. Was sie allerdings nicht mitmachen k�nnen, ist die Verehrung eines Menschen als Gott, den Kaiserkult. Falls ihnen hier keine Gewissensfreiheit zugestanden wird, nehmen sie Strafe und Verfolgung auf sich � was dann auch tats�chlich eintrat. Der Kampf gegen den G�tzendienst wurde nach au�en zwar durchgehalten. Adolf von Harnack weist jedoch nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass heidnische Elemente � vor allem ab dem 3. Jahrhundert � doch teilweise in das Christentum eindrangen (Heiligenverehrung, >Marienkult, >Reliquienkult, gewisse Elemente im Priester- und Sakramentsverst�ndnis u.a.). Dennoch f�hrt es m. E. zu weit, von einer v�lligen "Hellenisierung" oder "Ausgestaltung des Christentums als synkretistische Religion" zu sprechen, wie v. Harnack es tut (vgl. a.a.O., 324ff.). Um den Rahmen der Darstellung nicht zu sprengen, muss allerdings an dieser Stelle ein kurzer Hinweis auf diese Problematik gen�gen.

Als ein klassisches Werk der fr�hchristlichen Apologetik gilt Tertullians um 198 n. Chr. verfasstes Buch "Apologetikum" . Kaiser Severus hatte den �bertritt zum Judentum und Christentum durch ein Edikt unter schwere Strafe gestellt. Eine Verfolgung k�ndigte sich an. Unter diesem Eindruck schrieb Tertullian sein an die "Spitzen der r�mischen Reichsregierung" adressiertes Werk. Darin kommen die eben kurz zusammengefassten Themen fast alle vor. Ich nenne als Beispiele einige �berschriften verschiedener Kapitel:

"4. Kap. Ob das Bestehen der christlichen Religion gegen die Staatsgesetze sei ...
7. Kap. Dass bei den Christen thyesteische Mahlzeiten und Blutschande ge�bt werden, ist noch niemals nachgewiesen worden, sondern reine Erfindung der Fama ...
9. Kap. Bei den Heiden dagegen werden Dinge, wie man sie den Christen aufb�rdet, tats�chlich ge�bt.
10. Kap. Warum die Christen an der Verehrung der heidnischen G�tter nicht teilnehmen wollen. Dieselben sind blo�e verg�tterte Menschen ...
17. Kap. Die Christen verehren den Sch�pfer der Welt als den einzig wahren Gott. Auch die Heiden huldigen ihm manchmal unwillk�rlich. 18. Kap. Gott hat sich geoffenbart. Die Hl. Schrift.
19. Kap. Die Schriften des Moses und ihr hohes Alter.
20. Kap. Erhabenheit und Glaubw�rdigkeit der Hl. Schrift ...
23. Kap. Die Vermutung, dass die D�monen, deren Dasein auch die Heiden anerkennen, mit den sogenannten G�ttern identisch seien, wird durch Tatsachen best�tigt. Die Macht des Namens Christi und des Exorzismus �ber sie.
24. Kap. Da die heidnischen G�tter keine G�tter sind, so beschuldigt man die Christen, wenn sie dieselben nicht verehren, mit Unrecht des Atheismus; man muss ihnen vielmehr die Religionsfreiheit gew�hren, deren sich im r�mischen Reiche die Kulte anderer V�lker tats�chlich erfreuen ...
30. Kap. Die Weigerung, f�r das Wohl der Kaiser den G�ttern zu opfern, kann keine Majest�tsbeleidigung sein; denn die Christen beten statt dessen f�r die Kaiser zum wahren Gott ...
32. Kap. Die Christen w�nschen den Bestand des r�mischen Reiches und schw�ren beim Wohlergehen des Kaisers.
33. Kap. Wenn sie den Kaiser nicht als ein g�ttliches Wesen ansehen und ihn nicht 'Gott` titulieren, so achten und lieben sie ihn darum doch, und gerade erst in der rechten Weise ...
44. Kap. Unter den Christen findet man keine Verbrecher.
45. Kap. Das Christentum enth�lt f�r seine Anh�nger eine moralische N�tigung zum tugendhaften Verhalten.
46. Kap. Das Christentum ist nicht etwa nur eine neue Art philosophischer Lehre, sondern etwas G�ttliches und steht hoch �ber jeder Philosophie.
47. Kap. Viele philosophische Ansichten sind weiter nichts als verderbte und verunstaltete Offenbarungslehren ...
50. Kap. Die Philosophen werden von den Christen an Standhaftigkeit �bertroffen. Lob und W�rde des Martyriums" (zitiert aus: Tertullians ausgew�hlte Schriften ins Deutsche �bersetzt. 2. Band, hg. v. G. Esser, Bibliothek der Kirchenv�ter, Bd. 24, Kempten/M�nchen o.J., 33ff.).

Im 50. Kapitel von Tertullians "Apologetikum", das die "W�rde des Martyriums" beschreibt, findet sich folgende ber�hmte Stelle:

"Aber fahrt nur so fort, treffliche Pr�sidenten, die ihr beim P�bel viel beliebter werdet, wenn ihr ihm Christen opfert; qu�lt, martert, verurteilt uns, reibt uns auf; eure Ungerechtigkeit ist der Beweis unserer Unschuld! Deswegen duldet Gott, dass wir solches dulden. Denn noch neulich, als ihr eine Christin zum Hurenhaus anstatt zur L�wengrube verurteiltet, habt ihr das Gest�ndnis abgelegt, dass bei uns eine Verletzung der Schamhaftigkeit f�r schlimmer gelte als jede Strafe, als jede Todesart. Und doch, die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite n�tzt nichts; sie ist eher ein Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft (secta). Wir werden jedesmal zahlreicher, so oft wir von euch niedergem�ht werden; ein Same ist das Blut der Christen (semen est sanguis Christianorum)" (a.a.O., S. 181 f.).

4. Ziele und Methoden christlicher Apologetik

Aus Gottes Wort ergeben sich die zwei bereits erw�hnten Ziele der christlichen Apologetik aller Zeiten: 1. den christlichen Glauben zu verteidigen und 2. das Evangelium in einer der jeweiligen Generation verst�ndlichen Weise zu verk�ndigen. Diese Ziele sind wichtig. Aber sie sind noch nicht das Letzte und Eigentliche. Das letzte und eigentliche Ziel ist die Verherrlichung des allm�chtigen Gottes, des Sch�pfers der Welt, des Erl�sers seiner Gemeinde, des Vollenders der Heilsgeschichte: "Erhebe dich, Gott, �ber den Himmel und deine Herrlichkeit �ber alle Welt!" (Ps 57,6; vgl. 1. Chron 16,24; Ps 104,31; 150,2; Jes 49,3; Mt 6,13; Joh 15,8; 17,1ff.). Und um diesem Ziel der Verherrlichung Gottes zu dienen, ist es notwendig, dass m�glichst viele Menschen in die Schar derer treten, die ihn lieben, ihn anbeten und ihm dienen mit Freude

� dass m�glichst viele

"gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1. Tim 2,4). Deshalb betreiben wir christliche Apologetik.

Der Begriff "Methode" nun darf nicht im Sinne eines Pragmatismus oder einer Schablonisierung von Verfahrensweisen missverstanden werden. Bei der Apologetik geben wir dem Wirken des Geistes Gottes Raum, der � so wie der Wind � "weht, wo er will" (Joh 3,8). Er l�sst sich nicht in starre Systeme oder Vorgehensweisen pressen, sondern wirkt in einer oft �berraschenden Weise an Menschenherzen und -schicksalen. Das d�rfen wir auch bei der Apologetik wissen und uns dar�ber freuen.

Von dieser Erkenntnis her ergeben sich f�r den christlichen Apologeten allerdings bestimmte Voraussetzungen . Er ist kein blo�er "Fachgelehrter", sondern ein Mensch, der mit dem Wirken des lebendigen Gottes auch in der Apologetik rechnet. Er ist ein durch den Geist Gottes wiedergeborener Christ, betet zu seinem Herrn, kennt sich in der Bibel aus und geh�rt zu einer Gemeinde, in der er sich zusammen mit anderen Christen unter dem Wort des Herrn versammelt. Er f�hrt mit der Hilfe Gottes ein Leben, das so gut wie m�glich mit der Lehre Christi �bereinstimmt, so dass seine apologetische und missionarische Botschaft nicht unglaubw�rdig wird. Apologet im weiteren Sinne ist an sich jeder Christ, der Jesus lieb hat und sich zu ihm bekennt. Die klassische Stelle 1. Petr 3,15f. ist an die gesamte Gemeinde gerichtet (s.o.). Dennoch ist es unbestreitbar, dass es eine besondere Berufung einzelner Christen zu einer speziellen, intensiveren Form der Apologetik � �ber das pers�nliche Glaubenszeugnis hinaus � gibt. Diese Berufung h�ngt mit Gnadengaben (Charismen) zusammen, die Gott diesen zuteilt, vor allem mit den Gaben der Erkenntnis (gnosis), der Lehre (didache) und der Unterscheidung der Geister (diakrisis ton pneumaton) (1. Kor 12,10; Eph 4,11).

Aus der Heiligen Schrift ergibt sich, dass wir unseren Mitmenschen als wertvolles Gesch�pf Gottes ansehen, dem wir die christliche Wahrheit in Liebe sagen m�chten:

"Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe" (Eph 4,15).

Wir wissen, dass er ohne die rettende Wahrheit verloren geht (Mk 16.16; Joh 3,16), aber es n�tzt gar nichts, wenn ihn die Art, wie wir diese Wahrheit �bermitteln, abschreckt. Wichtig ist daher die Beachtung des richtigen Zeitpunktes (kairos) und das liebende Herz, um ihn f�r Jesus und das Evangelium zu gewinnen. Gerade bei apologetischen "Streitgespr�chen" ist das Gebet um die rechte Haltung und Liebe besonders wichtig. Dass wir die Wahrheit in Liebe sagen, heisst nun aber keinesfalls, dass wir die Wahrheit relativieren oder verw�ssern. Vielmehr gilt die Regel: Sage die Wahrheit in Liebe, aber sage aus Liebe die Wahrheit! Dem Menschen ist �berhaupt nicht geholfen, wenn wir aus falscher R�cksichtnahme Abstriche an der biblischen Botschaft machen. Das Evangelium kennt zwar eine Personentoleranz (wir sollen den S�nder als Gesch�pf Gottes lieben, das zu Gott umkehren kann), aber keine Sachtoleranz (wir sollen die S�nde hassen, die er tut und die ihn von Gott fernh�lt) (Toleranz; vgl. Joh 8,11). Das gleiche gilt auf dem Gebiet der Erkenntnis, die stets mit der Existenz verbunden ist: Wir sollen den Irrenden als Gesch�pf Gottes lieben, das zu Gott umkehren kann. Aber den Irrtum bzw. die L�ge, die er verbreitet, sollen wir hassen, aufdecken und widerlegen.

Francis Schaeffer betont zu Recht:

"Das Christentum ist nicht romantisch, es ist realistisch. Es ist realistisch, denn es lehrt, dass es ohne Wahrheit keine Hoffnung und ohne ausreichende Grundlage keine Wahrheit geben kann ... Das Christentum kennt die Krankheit (= die Verlorenheit der Welt und des Menschen; L. G.) und hat gleichzeitig das Heilmittel zur Verf�gung ... Wenn wir das antithetische Denken aufgeben, haben wir nichts mehr zu sagen ... Das Christentum steht und f�llt mit der Antithese, denn es gr�ndet sich nicht auf irgendeinen abstrakten Wahrheitsbegriff, sondern auf den Gott, der da ist, und auf die Rechtfertigung des einzelnen" (Gott ist keine Illusion, 48 ff.).

Dass wir die Antithese zwischen Wahrheit und L�ge, zwischen Heil und Verdammnis festhalten, schlie�t nicht aus, dass wir nach Ankn�pfungspunkten f�r die rettende Botschaft im Leben unserer Mitmenschen suchen. Diese Suche nach Ankn�pfungspunkten ist legitim und wurde z.B. auch von den Aposteln praktiziert (vgl. Act 14,16f.; 17,23ff.). Allerdings sollte die Sto�richtung dabei immer so sein, dass die Botschaft vom Ankn�pfungspunkt mehr und mehr wegf�hrt hin zum rettenden Herrn. Man vergleiche etwa die Areopagrede des Paulus, der die Zuh�rer bei der Inschrift von "unbekannten Gott" "abholt", um sie von diesem Numinosum weg und zum lebendigen Herrscher des Himmels und der Erde hin zu f�hren (Act 17,23ff.).

Diese Tatsache eines Ankn�pfungspunktes kann die andere Tatsache nicht verdecken, dass wir es bei der Apologetik mit einem Kampf der Geistesm�chte zu tun haben. Die Bibel spricht es klar aus: Hinter den heidnischen Religionen und Ideologien dieser Welt verbergen sich gottfeindliche D�monen: "Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu k�mpfen, sondern mit M�chtigen und Gewaltigen, n�mlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den b�sen Geistern unter dem Himmel" (Eph 6,12). Gegen diese hilft nur die "geistliche Waffenr�stung", wie sie in Eph 6,13-18 beschrieben ist, vor allem das Wort Gottes, der Glaube und das Gebet � und dabei eine unbeugsame Liebe zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit und zum Evangelium des Friedens Gottes. In diesem Kampffeld, in dieser Spannung befindet sich nicht nur der Apologet, sondern auch sein (noch) nicht christlicher Gespr�chspartner. Diesen wollen wir nun etwas n�her betrachten.

Der heutige s�kularisierte Mensch hat oftmals ein "Schutzdach" (F. Schaeffer) �ber sich gebaut, durch das er sich der Liebe und dem Anspruch Gottes entzieht. Dieses "Schutzdach" kann intellektuell ("Ich kann nicht glauben") oder aber (un)moralisch ("Ich will nicht glauben") beschaffen sein. Ist das Letztere der Fall (und das d�rfte sogar bei der �berwiegenden Mehrheit unserer Mitmenschen zutreffen), dann hilft es am ehesten, ihn von falschen Vorstellungen �ber das Christentum ("Religion der Verbote" u.�.) zu befreien und ihn auf die ihm vielleicht noch ganz unbekannte Dimension der wirklichen Freiheit durch Jesus Christus hinzuweisen � auf den Herrn, der allein ein befreites Gewissen und ein sinnvolles, erf�lltes Leben schenken kann. H�ufig ist jedoch auch ein intellektuelles "Schutzdach" vorhanden (im Unterschied von F. Schaeffer w�rde ich lieber von einer "Abschirmung" reden, da der Begriff "Schutzdach" die Abwehr von etwas Schlechtem assoziieren k�nnte). Dieses intellektuelle "Schutzdach", diese "Abschirmung" kann � wie auch die moralische "Abschirmung" � wirksam nur der Heilige Geist zerbrechen. Da dieser aber durch uns wirken m�chte und da wir gerufen sind, "Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in uns ist", m�chte ich nun � trotz der erw�hnten Vorbehalte � folgende "Methoden" nennen. Ich beziehe an dieser Stelle im wesentlichen Anregungen von Francis Schaeffer ein.

Zun�chst ist in einem apologetischen Gespr�ch oder in einer Diskussion wichtig, dass die Begriffe sauber definiert werden, derer man sich bedient oder �ber die geredet wird. Mit den gleichen W�rtern kann ansonsten etwas v�llig Unterschiedliches gemeint sein. So ist es beispielsweise keineswegs dasselbe, wenn ein >Anthroposoph und ein Christ von "Christus" reden, da der erstere ein kosmisches Sonnenwesen auf der vierten Stufe der Geisterhierarchie, der Christ jedoch den lebendigen Gott in der zweiten Person der Dreieinigkeit darunter versteht. Auch Begriffe wie "Wiedergeburt", "Meditation", "Erl�sung", ja auch "Gott" selber werden heute von sehr unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen verwendet, so dass keineswegs immer die biblisch-christliche Bedeutung gemeint sein muss, wo diese gebraucht werden.

Beim Gespr�ch selber k�nnen wir davon ausgehen, dass sich wie wir, so auch unser Gespr�chspartner, wenn auch unbewusst, im Bereich der von Gott geschaffenen Welt und damit im "Sog" von Gottes Wahrheit befindet. Er ist wie wir aus der guten Sch�pferhand Gottes hervorgegangen, hat sich aber von seinem Herrn losgesagt oder ihn nie ernstlich gesucht. Aber die Ahnung Gottes, die Sehnsucht nach ihm ist, wenn auch versch�ttet, in seinem Herzen vorhanden (vgl. R�m 1,18ff.; 2,14 ff.). Es gibt noch "Ewigkeit in seinem Herzen" (Don Richardson). Das ist ein entscheidender Ankn�pfungspunkt f�r den christlichen Apologeten. Er kann seinem Gespr�chspartner helfen, die "Abschirmung" zu entfernen, die ihn von seinem Sch�pfer trennt. Er kann ihn in geradezu sokratischer "M�eutik" (gedanklicher Geburtshilfe, Hebammenkunst) zur letzten (In)konsequenz seines rein menschlich-religi�sen oder philosophischen Systems f�hren und ihn dadurch f�r die befreiende Antwort der christlichen Botschaft gewinnen. Francis Schaeffer hat ausf�hrlich auf diese Tatsachen hingewiesen.

Er schreibt:

"Nicht-christliche Denkvoraussetzungen widersprechen einfach dem, was Gott geschaffen hat, einschlie�lich des menschlichen Wesens ... Die Bibel ... lehrt, dass der Mensch nicht einmal in der H�lle nach seinen nicht-christlichen Denkvoraussetzungen leben kann. 'Selbst wenn ich mein Bett in der H�lle mache, siehe du, Gott, bist doch da` (Ps 139,8) ... Keiner � weder eine Gruppe noch ein einzelner � kann sein nicht-christliches System theoretisch oder praktisch zum logischen Schluss f�hren" (a.a.O., 135f.).

Und weiter:

"Begegnen wir also einem Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts � gleich welchen Bildungsniveaus oder welcher sozialen Stellung -, begegnen wir in ihm einem Menschen in einem Spannungsfeld (n�mlich zwischen seinem logisch nicht haltbaren Weltanschauungssystem und dem wahren christlichen Glauben; L. G.), und diese Spannung wirkt sich bei unserem Gespr�ch mit ihm zu unserem Nutzen aus ... irgendwo ist ein Punkt der Inkonsequenz. Er nimmt eine Haltung ein, die er nicht logisch zu Ende verfolgen kann; und das ist nicht nur eine intellektuelle Spannung, sondern sie liegt in seinem Wesen als Mensch ... Der gefallene Mensch befindet sich im Widerspruch zu allem, was da ist, einschlie�lich dessen, was er selbst ist ... Jeder Mensch befindet sich an irgendeinem Punkt der Linie zwischen der wirklichen Welt und den logischen Schlussfolgerungen seiner nicht-christlichen Denkvoraussetzungen ... je konsequenter ein Mensch seinen nicht-christlichen Denkvoraussetzungen folgt, desto mehr entfernt er sich von der Wirklichkeit; je n�her er der Wirklichkeit kommt, desto weniger ist er seinen eigenen Denkvoraussetzungen treu" (a.a.O., 136f.)

Entdeckt ein Mensch den Selbstwiderspruch, in dem er lebt, dann muss der Christ "in Liebe und aufrichtigem Mit-Leid ... dieses Schutzdach entfernen und zulassen, dass die Wahrheit der objektiven Welt und seines eigenen Menschseins ungehindert �ber ihn hereinbricht. Ohne dieses Dach ist jeder Mensch schutzlos und verwundbar der Wahrheit dessen, was wirklich da ist, ausgeliefert. Die Wahrheit, die ihn zun�chst trifft, ist nicht ein Dogma �ber die Wahrheit der Heiligen Schrift, sondern die Wahrheit der objektiven Welt und die Wahrheit seines 'Menschseins`. So erkennt er seine Not. Erst dann kann ich ihm anhand der Heiligen Schrift die Ursache seiner Verlorenheit und den Ausweg daraus zeigen" (a.a.O., 143f.).

h�ngen miteinander zusammen. Die Ver�nderung des Denkens bewirkt eine Ver�nderung der Existenz, die Ver�nderung der Existenz erfordert eine Ver�nderung des Denkens. Es gibt deshalb keine Bekehrung (metanoia) des Menschen ohne gleichzeitige Bekehrung seines Denkens. Denn Denken und Handeln sind eine Einheit. Und deshalb ist die Apologetik unverzichtbar.

Ebenso wenig wie Denken und Sein stellen >Offenbarung und Erfahrung einen wirklichen Gegensatz dar. Manche Theologen (z.B. Karl Barth, Cornelius van >Til) m�chten in ihrer Dogmatik und Apologetik allein bei dem sich in souver�ner Freiheit offenbarenden Gott ansetzen. Apologetik kann sich nach ihrer Meinung nicht oder nicht zuerst auf der empirischen, allgemein zug�nglichen, rational-logischen Ebene bewegen, sondern nur auf der � im strengen Sinne theo-logischen, von Gottes Wort und dem Glauben her getragenen Ebene (>Presuppositionalismus). Im direkten Gegensatz hierzu haben Theologen >scholastischer Pr�gung die philosophisch-rationale Erfassbarkeit und Nachweisbarkeit Gottes � auch unabh�ngig von seiner Offenbarung in der Heiligen Schrift � postuliert und praktisch durchzuf�hren versucht, z.B. in Gestalt sogenannter Gottesbeweise. Im Blick auf diese Diskussion betonen wir: Wir sehen keinen Gegensatz zwischen einer empirischen und rationalen Verteidigung des Glaubens einerseits und einer presuppositionalistischen Berufung auf Gott und sein offenbarendes Wort andererseits, sondern Komplementarit�t, gegenseitige Erg�nzung. Weil Gott alles geschaffen hat, hat er auch die menschliche Vernunft erschaffen und den empirisch-rationalen Zugang � etwa �ber die Werke der Sch�pfung und das menschliche Gewissen � zu ihm erm�glicht (vgl. R�m 1,19ff.; 2,15). Infolge der Verfinsterung des menschlichen Herzens durch die S�nde (R�m 1,21) ist aber ohne Wortoffenbarung durch die blo�e Vernunft kein eindeutiger und heilbringender Zugang zu Gott m�glich, sondern es kann bestenfalls eine Vorstufe zum Glauben gelegt werden. Der rettende Glaube selber ist nicht unvern�nftig, nicht im Widerspruch zur menschlichen Vernunft stehend, sondern �bervern�nftig, die menschliche Vernunft mit ihren durch die S�nde verursachten Grenzen �berschreitend (Glaube und Vernunft).

Gem�ss dieser Erkenntnis betreiben wir Apologetik in zwei Stufen: a. auf der empirisch-rationalen, allgemein einsichtigen Ebene; b. auf der theo-logischen Ebene des geoffenbarten und in der Bibel niedergeschriebenen g�ttlichen Wortes. Die empirisch-rationale Ebene kann dabei nur Vorstufe oder Hilfsmittel f�r die entscheidende biblisch-theologische Argumentation sein. Auch f�r die christliche Apologetik gilt:

"Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern �ndert euch durch Erneuerung eures Sinnes (= Denkens und Wollens; nous), damit ihr pr�fen k�nnt, was Gottes Wille ist, n�mlich das Gute und Wohlgef�llige und Vollkommene" (R�m 12,2).

Lit.: F. Schaeffer, Gott ist keine Illusion, 1991; L. Gassmann, Wie k�nnen wir Zeitstr�mungen begegnen? Grundlagen, Ziele und Methoden christlicher Apologetik, 1998.

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handb�chern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines �kumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handb�cher (�ber Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de